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A 325 - Kurzfassung des Schlussberichts

Entwicklung eines robusten und zuverlässigen Induktionshärteprozesses für Bauteile aus matrizengepresstem Sinterstahl

Zusammenfassung des Abschlussberichtes zum Forschungsprojekt
Entwicklung eines robusten und zuverlässigen Induktionshärteprozesses für Bauteile aus matrizengepresstem Sinterstahl  (A 325 / S 24/10271/21)

Laufzeit der Forschungsarbeiten:         01. Januar 2022 bis 31. Dezember 2023

Das induktive Randschichthärten von Stählen zeichnet sich durch die Möglichkeit aus, das Gefüge in zeit- und energiesparender Weise einzustellen. Trotz des hohen Potenzials ist die Anwendbarkeit des Induktionshärtens für PM-Bauteile derzeit begrenzt und basiert weitestgehend auf industriellen Erfahrungen. Das wissenschaftliche Verständnis des Prozesses wird hauptsächlich aus der wesentlich reicheren Dokumentation des Induktionshärtens für schmelzmetallurgische Stähle abgeleitet. Die induktive Wärmebehandlung von Sinterstählen bringt allerdings spezifische Herausforderungen mit sich, die die Übertragbarkeit dieser Ansätze begrenzt. Die Rissgefahr beim Induktionshärten von Sinterbauteilen ist wesentlich höher als bei ähnlichen schmelzmetallurgischen Varianten.

In diesem Forschungsvorhaben wurden werkstoff- und prozesstechnische Einflussfaktoren auf induktiv randschichtgehärtete gesinterte Bauteile systematisch variiert und untersucht. Die experimentellen Arbeiten basieren auf dem Werkstoffsystem D11 mit verschiedenen Kohlenstoffkonzentrationen und AstaloyTM CrA mit 2 Ma.-% Nickel und 0,65 Ma.-% Kohlenstoff. Durch die experimentelle Durchführung und Charakterisierung von Wärmebehandlungsversuchen unter industrierelevanten Bedingungen wurden Zusammenhänge zwischen den folgenden Haupteinflussgrößen ermittelt: Dichte, Kohlenstoffgehalt, Legierungszusammensetzung, induktive Aufheizzeit, Abschreckmedium, Vorwärme- und Anlassprozess, Randschichtgefüge, Härte- und Eigenspannungstiefenprofil, Bauteilgeometrie, Rissgefährdung und Ermüdungsfestigkeit. Im folgenden Abschnitt werden wesentliche Erkenntnisse dieser Untersuchungen zusammengefasst.

Beim gesinterten Werkstoff D11 werden Härte, Eigenspannungszustand und Gefüge der Randschicht sowohl durch die Bedingungen beim induktiven Aufheizen als auch beim folgenden Abschrecken beeinflusst. In Bauteilen der Legierung CrA werden diese Eigenschaften im Wesentlichen nicht von den genauen Bedingungen des Abschreckverfahrens beeinflusst, sondern eher durch das Aufheizen und die nachgelagerte Anlassbehandlung. Variationen des Kohlenstoffgehalts haben beim Werkstoff D11 zu signifikanten Änderungen der Rand- und Kernhärte geführt, hatten jedoch nur einen begrenzten Effekt auf die Einhärtetiefe. In allen untersuchten Bauteilen war der Effekt von Dichtevariationen zwischen 6,65 g/cm3 und 7,15 g/cm3 auf die Wärmebehandlungsergebnisse äußerst gering und ließ sich meistens nicht von den experimentellen Streuungen unterscheiden. Je nach Werkstoff und Bauteilgeometrie konnten ähnliche Randschichte mit und ohne Durchführung eines induktiven Vorheizens erreicht werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass das induktive Anlassen sich stärker auf die Härteprofile der Legierung CrA als beim Werkstoff D11 mit 0,58 Ma.-%C auswirkte. Im Rahmen von Zahnfußtragfähigkeitsuntersuchungen an induktiv randschichtgehärteten Sinterzahnrädern sind nur wenige Effekte der Wärmebehandlung auf die Langzeitfestigkeit festgestellt worden. Lediglich Zahnräder mit einem erhöhten Kohlenstoffgehalt von 0,85 Ma.-%C zeigten eine deutlich reduzierte Festigkeit, welche möglicherweise durch ungeeignete Anlassparameter beeinflusst wurde. Im Zeitfestigkeitsbereich zeigten Varianten aus dem vergleichsweise tief einhärtbaren Stahl CrA oder im Gasofen angelassenen D11-Zahnräder eine erhöhte Ergebnisstreuung. Bei Zahnrädern aus dem Werkstoff D11 mit 0,58 Ma.-%C konnte auf den induktiven Vorwärmeschritt verzichtet werden, ohne eine signifikante Abnahme der Zahnfußtragfähigkeit festzustellen. Einflussfaktoren auf die Rissempfindlichkeit konnten nicht ausführlich charakterisiert werden, da die ausgewählte Geometrie zu unkritisch bzgl. Härterissen war und es unter praxisüblichen Bedingungen zu keiner Rissbildung gekommen ist. Es zeigt sich jedoch, dass das Rissrisiko bei matrizengepressten Sinterbauteilen im Vorfeld schwer einzuschätzen ist. Unter geeigneten Prozesseinstellungen ist eine rissfreie induktive Wärmebehandlung mit guter Reproduzierbarkeit möglich. Dieses Potenzial wird jedoch sowohl im Stand der Technik als auch in der Industrie häufig unterschätzt. Durch eine begrenzte Anzahl an Versuchen unter besonders kritischen Bedingungen konnten Risse reproduzierbar verursacht werden. Einflussfaktoren waren dabei eine stark erhöhte Energieübertragung durch erhöhte Aufheizzeiten sowie, in geringeren Maßen, reduzierte Polymeranteile in der Abschrecklösung. In diesen Fällen rissen 100% der Bauteile, wobei sich dies auf Zahnräder aus dem Werkstoff CrA beschränkte. Es ist also ein eindeutiger Einfluss der Legierung zu erkennen und die Ergebnisse deuten auf eine höhere Rissempfindlichkeit der härteren und besser einhärtbaren Werkstoffe hin. Für diese Rissentstehung wird auf Basis der Bruchflächenanalyse ein gekoppelter Effekt zwischen Zugeigenspannungen und Wasserstoffversprödung vermutet, wobei die genauen Mechanismen genauer untersucht werden sollten.

Ergänzend zu den experimentellen Untersuchungen an randschichtgehärteten Bauteilen wurden die verschiedenen Werkstoffvariationen (Legierung, Dichte und Kohlenstoffgehalt) der gesinterten Stähle umfassend charakterisiert. Das Fließverhalten wurde in Abhängigkeit von der Temperatur und des vorliegenden Gefüges ermittelt. Thermophysikalische Kennwerte wie Temperaturleitfähigkeit und Wärmekapazität wurden bestimmt. Das elektrische und magnetische Verhalten wurde bei Raumtemperatur charakterisiert. Umfangreiche Untersuchungen wurden bzgl. der Dehnungs- und Gefügeentwicklung beim Aufheizen, Abschrecken und Anlassen unter variierenden thermischen Bedingungen durchgeführt. Aus diesen experimentellen Arbeiten entsteht nicht nur ein tieferes Verständnis zu den relevanten werkstoffkundlichen Mechanismen der induktiven Wärmebehandlungen für die untersuchten Stähle, sondern auch ein umfangreicher Datensatz, welcher in numerische Simulationsmodelle einfließen kann.

Durch die Kombination verschiedener Ansätze aus dem Stand der Technik mit den umfangreichen Werkstoffuntersuchungen wurde ein Modell entwickelt, um das Verhalten von Werkstoffen unter verschiedenen Aufheiz- und Abschreckbedingungen zu simulieren. Dieses Modell integriert verschiedene Aspekte, darunter die Entwicklung von Gefügen, Dehnungen, Spannungen und Härte bei induktiv randschichtgehärteten Sinterbauteilen. Es berücksichtigt die Fließeigenschaften unterschiedlicher Phasen und Werkstoffe, thermophysikalische Eigenschaften, elektromagnetische Kennwerte sowie das Umwandlungsverhalten beim Aufheizen und Abschrecken, einschließlich der Umwandlungsplastizität verschiedener Legierungen. Die Simulation auf Werkstoffebene konnte die experimentellen Ergebnisse erfolgreich reproduzieren. Die Simulation der Randschichthärteprozesse auf Bauteilebene erfordert eine geeignete softwaretechnische Lösung. Hierbei wird die Software CENOS Induction zur Bewältigung des thermisch-elektromagnetischen Problems eingesetzt. Die Simulationsergebnisse von CENOS Induction werden in die Randbedingungen für die FE-Berechnung mechanischer und metallurgischer Felder in Abaqus integriert, unter Verwendung selbstentwickelter Skripte und Subroutinen. Mit diesem Ansatz lassen sich die Temperaturen, Gefügeanteile und Eigenspannungen zeitlich und räumlich aufgelöst berechnen. Die Vorhersage von Härtetiefenverläufen und Härteprofilen wurde erfolgreich für eine Vielfalt von Werkstoff- und Prozessparametern validiert. Die Berechnungsmodelle erreichen insgesamt eine sehr zufriedenstellende Genauigkeit, obwohl in einzelnen Situationen Abweichungen zwischen Simulation und Experiment festzustellen sind. Insbesondere die Vorhersage der Eigenspannungen in randschichtgehärteten Bauteilen stellt eine Herausforderung dar. In vielen Fällen werden die experimentellen Messwerte qualitativ richtig abgebildet, jedoch liegen selbst bei vergleichsweise einfachen Bauteilgeometrien signifikante Abweichungen zwischen Vorhersage und Messergebnissen vor. Dies ist teilweise auf die benötigte Feinheit der FE-Modellvernetzung sowie auf Mess- und Präparationseinflüsse auf die experimentellen Eigenspannungsergebnisse zurückzuführen, wodurch die Modellvalidierung nicht vollständig erfolgen konnte. Trotz dieser Herausforderungen kann das Simulationsmodell als Werkzeug zur Abstimmung von Werkstoff- und Prozesseinstellungen dienen, um beispielsweise gezielte Einhärtetiefen in der Randschicht von einfachen oder komplexeren Bauteilen zu erreichen. Dies könnte dazu beitragen, den experimentellen Aufwand und die Kosten für zerstörende Prüfungen an Testbauteilen zu reduzieren und die Auslegungszyklen induktiver Wärmebehandlung zu beschleunigen.

Die Erreichung der Projektziele kann anhand von den folgenden Elementen beurteilt werden:

  • Eine umfassende Parameterstudie ermöglichte die Erfassung der Einflüsse auf Härte, Eigenspannungen und Randschichtgefüge sowohl qualitativ als auch quantitativ. Dabei blieben jedoch Einflüsse auf die Rissempfindlichkeit nur begrenzt zugänglich, da die ausgewählte Bauteilgeometrie nicht empfindlich genug zu Variationen der Haupteinflussgrößen ist.
  • Es konnten umfangreiche Erkenntnisse zum Werkstoffverhalten von zwei Legierungen mit Variationen von Kohlenstoff und Dichte gewonnen sowie detaillierte Werkstoffdaten gesammelt werden.
  • Ein Simulationsmodell wurde entwickelt, das Temperatur, Gefüge, Härte und Eigenspannungen in Abhängigkeit von Bauteilgeometrie, Prozessbedingungen und Werkstoffeigenschaften vorhersagen kann. Die Validierung erfolgte sowohl an einfachen als auch an praxisrelevanten Bauteilen. Die Vorhersagegenauigkeit ist allerdings begrenzt, insbesondere bei verzahnten Geometrien. Hier zeigten sich qualitative Übereinstimmungen mit experimentellen Ergebnissen, aber auch signifikante quantitative Abweichungen, insbesondere bei den Eigenspannungen. Mithilfe der FE-Berechnungsmodelle konnte bereits der Einfluss von Variationen der Prozess- und Werkstoffparameter auf die Randschichteigenschaften simuliert werden, welche komplexe Zusammenhänge aufzeigten und analytisch nicht ermittelbar sind.

Durch den gezielten Verständnisgewinn über die Zusammenhänge zwischen den Werkstoff- und Prozessgrößen beim Induktionshärten von Sinterstählen könnten robuste und industrietaugliche Prozessfenster identifiziert werden. Die Einflussfaktoren, die sich am stärksten auf die Rissgefährdung induktionsgehärteter Sinterbauteile auswirken, wurden identifiziert und deren Einfluss quantifiziert. Dies ermöglicht sicherere Prozessdurchführungen, die die Ausschussquote und somit die Wirtschaftlichkeit des Induktionshärtens verbessern. Insbesondere trägt das vertiefte Prozessverständnis dazu bei, das Induktionshärten zunehmend als lukratives Verfahren für hochbelastete Formteile aus Sinterstahl in Betracht zu ziehen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass sich mittelfristig der Marktanteil induktionsgehärteter Sinterstahlteile vergrößert. Durch die Möglichkeit, eine simulative Vorhersage der Bauteileigenschaften zu treffen, können außerdem weitere bisher unerforschte Kombinationen von Parametern in Betracht gezogen werden. Durch das Ausschöpfen optimaler Prozessbedingungen könnten somit die Gebrauchseigenschaften induktiv gehärteter Bauteile kontinuierlich verbessert werden. Darüber hinaus wurden durch das Projekt nicht nur Erkenntnisse über die Prozessfähigkeit induktiver Härteverfahren gewonnen, sondern auch wertvolle Hinweise über die Festigkeit im Betrieb, da die ermittelten Größen (wie z. B. die Eigenspannungen) auch für die Schwingfestigkeit entscheidend sind.

Zur Beurteilung und Minimierung der Rissempfindlichkeit von matrizengepressten Sinterbauteilen mit komplexer Geometrie ist es notwendig, die Mechanismen der Rissentstehung besser zu verstehen. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Wasserstoffversprödung zu den wesentlichen Rissbildungsfaktoren bei einer induktiven Randschichthärtung gehören könnte. Die Identifikation robuster Prozessfenster des Induktionshärtens von Sinterbauteilen setzt ein Verständnis der Zusammenhänge zwischen den wärmebehandlungsbedingten Zugeigenspannungen und der Werkstoffversprödung durch Wasserstoffatome voraus, welche in Zukunft mittels geeigneter numerischen und experimentellen Untersuchungen charakterisiert werden sollen.

Forschungsstelle:
Institut für Anwendungstechnik Pulvermetallurgie und Keramik an der RWTH Aachen e.V.
Augustinerbach 4
52062 Aachen
www.Iapk.de

vorgelegt über: Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM), Uerdinger Straße 58 , 40474 Düsseldorf www.wsm-net.de  

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Geprüft wurde das Forschungsvorhaben von einem Gutachtergremium der Forschungsvereinigung der Arbeitsgemeinschaft der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie e.V. (AVIF), das sich aus Sachverständigen der Stahl anwendenden Industrie und der Wissenschaft zusammensetzt. Begleitet wurde das Projekt von einem Arbeitskreis des Fachverbandes Pulvermetallurgie.

Bezugsquelle Schlussbericht: Bitte wenden Sie sich an die Geschäftsstelle der AVIF über infor@avif-forschung.de.

Weitere Veröffentlichungen im Internet:

https://publications.rwth-aachen.de/record/971631

https://www.publications.epma.com/product/development-of-a-robust-and-reliable-induction surface-hardening-process-for-sintered-steel-components/

22.07.2024