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A 310

Quantifizierung von Stützwirkungseffekten für Bauteile aus Stahlguss vor dem Hintergrund flexiblerer Betriebsweisen

Zusammenfassung des Abschlussberichtes zum Forschungsprojekt

Quantifizierung von Stützwirkungseffekten für Bauteile aus Stahlguss vor dem Hintergrund flexiblerer Betriebsweisen

(A 310 / S 0024/10247/17)

 

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     01. Januar 2018 bis 31. Dezember 2020

 

Ziel des Vorhabens war es, vor dem Hintergrund flexiblerer Betriebsweisen die Stützwirkung verschiedener Kerbgeometrien unter Ermüdungs- und Kriechbeanspruchung von Komponenten aus Stahlguss zu quantifizieren. 

In diesem Kontext konnten zahlreiche unterschiedliche Beanspruchungssituationen, sowohl modelltheoretisch als auch experimentell, anhand verschiedener Geometrien untersucht werden. Die Werkstoffe, verschiedene Varianten eines 9%-Cr Stahlguss und ein 1%-Cr Stahlguss, kommen im Bereich thermischer Turbomaschinen für Bauteile mit komplexen Geometrien und vielen konstruktionsbedingten Kerben zum Einsatz. Dabei erfahren sie bei hohen Temperaturen von typischerweise 600 °C bzw. 550 °C eine Ermüdungs- und Kriechbeanspruchung. Vor diesem Hintergrund wurden Untersuchungen an gekerbten Rundproben, Hohlzylinderproben, Kreuzproben und Corner Crack Proben durchgeführt.

Die Ergebnisse an gekerbten Rundproben und dehnungsgeregelter Beanspruchung repräsentieren den typischen Anwendungsfall einer Sekundärbeanspruchung. Neben der Kerbgeometrie wurde systematisch der Einfluss einer dreiminütigen Haltezeit in Zug und Druck untersucht. Je nach Geometrie und Beanspruchungsniveau ergaben sich Stützzahlen bis zu einem Faktor von 7. Dies bedeutet, dass nach der im Rahmen des Vorhabens getroffenen Definition die Zyklenzahl bis zum Erreichen von 1mm Risstiefe bei gleicher örtlicher Beanspruchung im gekerbten um das Siebenfache größer als im ungekerbten Fall ist. Es wurden zwei verschiedene Kerbgeometrien im Fall der Rundproben für überwiegend drei unterschiedliche Dehnungsniveaus mit und ohne Haltezeit untersucht. Die Stützwirkung für die schärfere Kerbe ist über alle Versuche größer als für die mildere Kerbgeometrie. Hinsichtlich des Beanspruchungsniveaus und dem Vorliegen einer Haltezeit zeigten sich für die milde Kerbe kaum Unterschiede. Hingegen konnte für die scharfe Kerbe am 9%-Cr Stahlguss BDE ein Absinken der Stützzahlen im Szenario mit Haltezeit beobachtet werden. Im Fall des 1%-Cr Stahlguss ist ein gegensätzlicher Trend erkennbar. Dieser konnte auf den Einfluss des Umgebungsmediums bei hoher Temperatur in Form von Oxidation zurückgeführt werden. Hinsichtlich der Weiterentwicklung des bruchmechanischen Modells FNA wurde in einzelnen Fällen erstmals der Einfluss von oxidinduziertem Rissschließen berücksichtigt. Parallel wurde der Ansatz basierend auf einem konstitutiven Materialmodell CONST(a) weiterentwickelt, sodass nun ebenfalls eine Berechnung des Rissfortschritts möglich ist. Es konnte gezeigt werden, dass beide Modelle FNA und CONST(a) untereinander konsistente Ergebnisse liefern. Ein weiterer bruchmechanischer Ansatz EA basierend auf einer analytischen Rissschließbeziehung lieferte in den Szenarien ohne Haltezeit ebenfalls valide Ergebnisse. Der Einfluss der Haltezeit auf das Rissschließen ist nicht trivial. Es wurde beobachtet, dass die effektive Rissspitzenbeanspruchung im Be- und Entlastungshalbast des Zyklus verschieden ist. Dies ist ein Grund, weshalb solche Szenarien mit bisherigen analytischen Rissschließansätzen nicht beschreibbar sind. Im Fall der scharf gekerbten Rundproben aus 1%-Cr Stahlguss ohne Haltezeit zeigte sich, dass beide bruchmechanischen Ansätze das Rissfortschrittsverhalten nicht abbilden konnten. Dies ist vermutlich auf einen zusätzlichen Mechanismus, hervorgerufen durch die Oxidation, zurückzuführen.

Neben der Sekundärbeanspruchung wurde mittels kraftgeregelter Versuche am 1%-Cr Stahlguss gezeigt, dass die Modelle in der Lage sind, die Stützzahlen unter Primärbeanspruchung nachzubilden. Auch für diese Art der Beanspruchung wurde systematisch der Einfluss einer dreiminütigen Haltezeit untersucht und eine Reduktion der Stützzahl festgestellt. Schließlich wurden mittels der gekerbten Rundproben betriebsähnliche Beanspruchungszyklen untersucht und die Modelle weiterentwickelt, sodass auch diese Form der Beanspruchung bewertet werden kann.

Zusätzlich zu den grundlegenden Erkenntnissen über die Stützwirkung auf Basis der gekerbten Rundproben wurden Untersuchungen an einer Hohlzylinderprobe mit und ohne Kerbe durchgeführt. Durch den betriebsähnlichen Beanspruchungszyklus und das Vorliegen eines Innendrucks konnte mit dieser Geometrie ein anwendungsnahes Szenario untersucht werden. Eine weitere Variation stellten die eingesetzten Kreuzproben mit zentraler Bohrung dar. Mittels FNA und EA konnte der Rissfortschritt unter variierender Mehrachsigkeit im Fernfeld ermittelt werden. Bei gleicher örtlicher Beanspruchung bewirkten die untersuchten Achsverhältnisse unterschiedliche Kerbformzahlen und Spannungsgradienten und dadurch beeinflusste Stützzahlen. Die Ergebnisse ordnen sich in die an gekerbten Rundproben ermittelten Zusammenhänge ein und konnten experimentell validiert werden.

Mit einer weiteren Ersatzstruktur, der Corner Crack Probe, wurden Untersuchungen zur zweidimensionalen Rissausbreitung durchgeführt. Verschiedene Modellierungsstrategien führten zu ersten Ergebnissen, die die Berechnung der lokal entlang der Rissfront veränderlichen effektiven Rissspitzenbeanspruchung ermöglichten. Die global ermittelten Ergebnisse konnten zusätzlich zur Absicherung vorhandener Rissfortschrittsgesetze für ähnliche Stahlgusswerkstoffe verwendet werden.

Abschließend wurde der FNA auf ein Anwendungsbeispiel einer Bohrung in einem dickwandigen Gehäuse angewendet. An diesem praktischen Beispiel konnte die Berücksichtigung der Stützwirkung in der Lebensdauerbewertung von Bauteilen demonstriert werden. Die Aufbereitung der Ergebnisse in Form von berechneten Anrisskennlinien, die den Effekt der Stützwirkung beinhalten, zeigt einen möglichen Weg auf, wie die Ergebnisse in der Praxis verwendet werden können.

Damit ist das Ziel des Forschungsvorhabens erreicht worden.

 

Forschungsstellen:

Institut für Werkstoffkunde (IfW), Technische Universität Darmstadt; Leiter: Prof. Dr.-Ing. Matthias Oechsner 

Materialprüfungsanstalt (MPA), Universität Stuttgart; Leiter: Prof. Dr.-Ing. Stefan Weihe

 

vorgelegt über: Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV), Frankfurt am Main

 

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

 

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF

09.12.2021