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A267

Evaluation von Extrapolationsverfahren zum Zeitstandverhalten warmfester Stähle

(A267 S 24/10174/2010)

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     1. Januar 2011 – 31. Dezember 2013

  

Die Zeitstandfestigkeit ist von wesentlicher Bedeutung für die Auslegung von lang­fristig betriebenen Hochtemperaturkomponenten. Für Anwendungen aus dem Bereich der Energieerzeugung werden häufig Einsatzdauern von 200.000 h oder länger gefordert.

 

Diese Einsatzdauern übersteigen erheblich die Länge der Entwicklungs­zyklen für die verwendeten Werkstoffe. Daher ist es unumgänglich, aus den Ergebnissen von kürzerlaufenden Experimenten auf die Eigenschaften im Lang­zeit­bereich zu schließen. Für diese Extrapolation sind bereits seit mehreren Jahr­zehnten verschiedene Methoden im ingenieurmäßigen Gebrauch. Entsprechend dem allge­mei­n akzeptierten maximalen zeitlichen Extrapolations­verhältnis von 3:1 ist für die Absicherung der Gebrauchs­eigen­schaften bis 100.000 h eine experimentelle Absicherung bis etwa 4 Jahre erforderlich.

 

Die Verkürzung von Entwicklungszeiten ist eine aktuelle Forderung seitens der Industrie. In diesem Zusammenhang wurden der internationalen Fach­welt in den vergangenen Jahren neuartige Methoden zur Bewertung und Extra­polation der Hoch­temperatur­eigen­schaften vorgeschlagen. Diese Methoden bedürfen unter Berück­sichtigung eingeführter und insbesondere neuerer Werkstoffe einer kriti­schen Überprüfung, zumal die Not­wendig­keit von Langzeitversuchen in Frage gestellt wurde. Ausgehend von der Ent­wicklung moderner Werkstoffe mit ihren komplexen Herstel­lungs­prozessen und den sich zeitabhängig ändernden Schädigungs­mechanis­men ist hier Forschungsbedarf gegeben, um Werkstoff­herstellern, Herstellern von ther­mischen Maschinen und Anlagen und deren Betreibern sowie allgemein Ver­wendern von Hochtemperaturwerkstoffen einen zu­ver­lässigen und sicheren Pro­zess zur Extra­polation von zeitabhängigen Werkstoff­kenn­werten anbieten zu können.

 

Das Forschungsvorhaben hatte die Evaluation von Extrapolationsmethoden und die Entwicklung einer Technik für eine beschleunigte Durchführung von Zeitstandversuchen zum Gegen­stand. Die Untersuchung umfasste als typische Vertreter von Hoch­temperaturwerkstoffen 1%Cr- und 10%Cr-Stähle, sowie die Nickelbasislegierung Alloy 617.

 

Mit der entwickelten Methodik gestufter Kriechversuche steht jetzt ein Werkzeug zur Verfügung, welches auf der Basis vergleichsweise kurzlaufender Experimente eine Extra­polation der Zeitstandfestigkeit einer neuen Schmelze einer Stahlsorte mit bekann­ten Eigenschaften im Zeitbereich bis etwa 30.000 h erlaubt. Für die Absicherung der Lang­zeiteigenschaften wird auch weiterhin die Durchführung lang­laufender Ver­suche als unumgänglich angesehen, weil eventuell langfristig Veränderungen des Gefüges auftreten können, die bei den kurzzeitigen gestuften Versuche nicht relevant sein können. Im Rahmen der Werkstoffentwicklung untersuchte Testschmelzen mit modifi­zierter Legierungszusammensetzung oder veränderter Wärmebehandlung können aber bereits frühzeitig in Hinblick auf ihr Potential bewertet werden.

 

Im Vorhaben wurden an Datensätzen mit langzeitiger Abdeckung unterschiedliche Metho­den numerischer Extrapolations­verfahren bezüglich ihrer Vorhersagegüte unter­sucht. Zusam­men­fassend kann festgehalten werden, dass die bisher etablierten Extra­polations­methoden weiterhin anwendbar sind. Die neuartige Wilshire-Gleichung ist als zusätzliche Auswertungs­methode für bestimmte An­wendungsfälle zu sehen. Eine gene­relle Empfehlung für die vorzugsweise An­wendung einer der Extrapolations­metho­den kann nicht ausgesprochen werden. Wie erwartet, lässt sich bei allen Verfahren die Extra­polationsgüte verbessern, wenn werkstoffspezifische Kenntnisse vom Auswerter berück­sichtigt werden.

 

Zusätzlich wurden Methoden angewandt, die auf der Dehnungsentwicklung während der Kriechbeanspruchung basieren. Bei der LICON-Methode wird die Veränderung der Dehnungsentwicklung bei mehrachsiger Beanspruchung für die Extrapolation genutzt. Mit einer bezüglich der Parameterbestimmung vereinfachenden Modifikation der Metho­de konnten für den untersuchten 1%-Chromstahl sehr gute, für den 10%-Chromstahl aus­reichende Ergebnisse erzielt werden. Für die untersuchte Nickelbasislegierung konnte die Methode nicht mit zufriedenstellendem Ergebnis angewandt werden. Die für Rest­lebens­dauerabschätzungen angewandte Omega-Methode, die in der API 579 nieder­gelegt ist, ergab trotz der einfachen Parametrisierung der Zeitdehnlinien brauch­bare Ergeb­nisse und ist unter Einbeziehung von Versuchen an beanspruchtem Ma­terial gut für Rest­lebens­dauer­abschätzungen einsetzbar. 

 

Die an verschiedenen Werkstoffen durchgeführten metallografischen und elektronen­mikros­kopischen Untersuchungen zeigten im Vergleich von Ausgangszuständen, in den Stufen­ver­suchen (kurzzeitig) beanspruchten und langzeitig zeitstandgeprüften Proben aus kon­ventionellen Versuchen, dass mit den gestuften Versuchen die mikrostrukturelle Veränderung der Werkstoffe nicht wiedergegeben wird und dass sich bei allen untersuchten Werkstoffen deut­liche Änderungen in der Gefügestruktur ergeben. Das Gefüge in den Proben aus gestuften Versuchen hat die Merkmale, die dem jeweiligen Ausgangszustand bzw. den Zuständen aus kurzzeitigen, konventionellen Versuchen entsprechen. Der Schädi­gungs­zustand, der in Proben aus gestuften Versuchen vor­gefunden wurde, kann den Zuständen aus Warmzugversuchen zugeordnet werden. Dabei tritt eine Schädigung infolge plastischer Verformung auf. 

 

Die durchgeführten Finite-Elemente Analysen zeigen, dass eine signifikante Spannungs­erhöhung, die als Folge der Verringerung des Probenquerschnitts aufgrund der Proben­einschnürung zu erwarten ist, erst zu einem Zeitpunkt eintritt, der nahe am Bruch­zeitpunkt liegt. Somit ist mit der Beeinflussung der Zeitdehngrenzen (bis 1%) nicht zu rechnen. Inwiefern dabei die Bruchzeit beeinflusst wird, muss in weiteren Analysen geklärt werden.

 

Insgesamt konnten im Vorhaben wertvolle Erkenntnisse zur Extrapolation des Zeit­stand­verhaltens mithilfe numerischer Methoden und mit Unterstützung mikrostruktureller Befunde gewonnen werden.

Forschungsstelle 1:

Institut für Werkstoffkunde der TU Darmstadt (IfW)

www.mpa-ifw.tu-darmstadt.de

Forschungsleiter:                         

Prof. Dr.-Ing. Matthias Oechsner

Forschungsstelle 2:

Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart Otto-Graf-Institut (MPA)

www.mpa.uni-stuttgart.de

Forschungsleiter:                         

Prof. Dr.-Ing. habil Karl Maile

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V. (SET))

 

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF

20.08.2014