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A238

Untersuchung der zeitabhängigen Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Überhitzerrohrwerkstoffen nach Kaltverformung

(A238 S 24/10124/2006)

 

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     1. Juli 2007 – 31. Dezember 2010

 

Ziel des vorliegenden Projektes war es, praxisnahe Aussagen zur Zulässigkeit des langzeitigen Hochtemperatureinsatzes kaltverfestigter Bauteile zu gewinnen. Das Kaltbiegen stellt ein außerordentlich rationelles Verfahren zur Herstellung von Rohrbiegungen für Überhitzer moderner Hochleistungskessel dar. Die hohe Arbeitsproduktivität der Kaltbiegung ist aber nur dann von Vorteil, wenn auf eine anschließende Wärmebehandlung verzichtet werden kann. Bei kaltgebogenen zeitstandbeanspruchten Rohren ist die gleiche Lebensdauer erwünscht, wie sie bei geraden Rohren mit gleicher Nennwanddicke erwartet wird.

Bei der Kaltverformung erfährt der Werkstoff in Abhängigkeit vom Umformgrad eine Verfestigung und einen Zähigkeitsrückgang. Im kraftwerkstypischen Langzeitbereich geht die Zeitstandfestigkeit mit der Zeit und Temperatur zurück. Dabei kann die Zeitstandfestigkeit im Bereich der Erholung und Rekristallisation unter den Ausgangswert der Kaltverformung fallen, was ein kritischer Punkt für die Haltbarkeit kaltverformter Teile darstellt. Ebenfalls kritisch kann der Zähigkeitsrückgang sein.

Als Werkstoffe werden nach den ferritischen und martensitischen Stählen heute zunehmend austenitische Stähle und Nickellegierungen mit erhöhten Einsatztemperaturen interessant. Das Zusammenwirken von Kaltverfestigung und zeittemperaturabhängiger Entfestigung im Langzeitbereich ist trotz gemeinsamer Grundzüge im Verhalten der verschiedenartigen Werkstoffe im Einzelfall nicht aus beobachtbaren Gefügeänderungen oder Änderungen der Kurzzeitwerte vorhersagbar. Neben der Betriebserfahrung mit kaltverformten Teilen sind daher insbesondere bei Einführung neuer Werkstoffe ausreichend langzeitige Versuche zur Ermittlung der Wirkung typischer Kaltverformungsgrade auf das Zeitstandverhalten sehr wichtig.

An aktuellen austenitischen Stählen und Nickellegierungen des thermischen Maschinen- und Anlagenbaus wurde der Einfluss einer Kaltverformung auf das zeit- und temperaturabhängige Verformungs- und Festigkeitsverhalten untersucht. Hintergrund war die Ermittlung von zulässigen Kaltverformungsgraden bei diesen Werkstoffen. Die Untersuchungen wurden im anwendungsrelevanten Temperaturbereich bei teilweise betriebsrelevanten niedrigen Spannungen durchgeführt. Die Versuchswerkstoffe lagen als Rohr- bzw. als Blechwerkstoffe vor. 

An den Werkstoffen wurden Kaltverformungsgrade von bis zu 30 % eingestellt. Die anschließenden Untersuchungen befassten sich einerseits mit dem eher kurzzeitigen Verhalten auf Basis von Zugversuchen und andererseits mit dem Langzeitverhalten anhand von Zeitstandversuchen. Bei diesen Versuchen wurden während des Vorhabens längste Laufzeiten von bis zu 30 000 h erreicht. Zusätzlich wurden das Relaxationsverhalten nach einer Kaltverformung und weiterhin ein möglicher Einfluss der Beanspruchungsrichtung nach einer Kaltverformung untersucht.

Aus den Kurzzeitversuchen konnten Hinweise zum Einfluss einer Kaltverformung auf das Werkstoffverhalten ermittelt werden. Danach zeigen sich an Proben mit Kaltverformung höhere Festigkeitswerte und kleinere Verformungswerte gegenüber Proben ohne Kaltverformung. In welchem Maße die Festigkeits- und Verformungskennwerte durch eine Kaltverformung beeinflusst werden ist jedoch werkstoffspezifisch. 

Aus Zugversuchen mit konstanter Belastungsgeschwindigkeit ließ sich das jeweilige Duktilitätsminimum ermitteln. Für die untersuchten Werkstoffe bzw. Werkstoffzustände liegt dieses im Temperaturbereich 650 °C bis 700 °C.

Die Zeitstanduntersuchungen zeigen, dass das Werkstoffverhalten nach einer Kaltverformung werkstoffspezifisch zu beurteilen ist. Besonderes Augenmerk ist bei der genannten Wirkung einer Kaltverformung auf die Zeitstandfestigkeit jedoch dem werkstoffabhängigen, teilweise deutlichen Rückgang der Verformungsfähigkeit zu schenken. 

Das Relaxationsverhalten nach einer Kaltverformung ist an den eingestellten Werkstoffzuständen und untersuchtem Parameterbereich durch typische Spannungsverläufe geprägt. Im Gefüge konnten nach Abschluss der Relaxationsversuche keine Trennungen an Korngrenzen sowie Relaxationsrisse gefunden werden. Weitere Änderungen im Gefüge wurden nicht näher untersucht.

Aus den Versuchsergebnissen ließen sich Vorschläge für die maximal zulässigen Verformungsgrade und Einsatztemperaturen ableiten, die ohne zusätzliche Wärmebehandlung verwendet werden können. 

Insgesamt ließen sich aus diesen systematisch durchgeführten Arbeiten wichtige Erkenntnisse gewinnen, die einem Einsatz von kaltverformten Bauteilen nicht widersprechen. Beim Einsatz kaltverformter Bauteile ist jedoch der Rückgang der zeitabhängigen Bruchverformungskennwerte zu beachten und in Überwachungskonzepte mit einzubeziehen.

An den untersuchten Werkstoffen lassen sich Kaltverformungsgrade von bis zu 30 % realisieren, wie sie für zukünftige Dampferzeugeranlagen benötigt werden. Die vom Grad der Kaltverformung abhängigen Kennwerte für Zeitstandfestigkeit und Verformung lassen eine kompakte Bauweise zu und führen daher zu einer deutlichen Senkung der Herstellungskosten.

Forschungsstelle:
Institut für Werkstoffkunde (IfWD), Darmstadt
www.tu-darmstadt.de/mpa-ifw

Forschungsleiter:                         
Prof. Dr.-Ing. Christina Berger

                                                  

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V., Düsseldorf (SET) für Fachverband Dampfkessel-, Behälter- und Rohrleitungsbau e.V. (FDBR))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

 

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF

01.09.2011