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A256

Untersuchung der Einflüsse der Verfahrenstechnologie und der Werkstoffprüfung auf den Duktilitätskennwert Agt von Betonstahl

(A256 S 24/10156/2008)

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     1. Juli 2008 - 31. Dezember 2010

 

Der Verformbarkeitskennwert „Gesamtdehnung bei Höchstkraft (Agt“) findet seit einer Änderung der maßgebenden Norm DIN 1045-1 im Jahre 2001 indirekt Eingang in die Bemessung von Tragwerken aus Stahlbeton. Ferner wurden die Qualitätsanforderungen an die Verformungseigenschaften verschärft und die Duktilitätsklassen A, B und C der Betonstähle eingeführt. Insbesondere für alle in einem Kaltumformungsprozess hergestellten Betonstähle stellte dies unmittelbar ein Problem dar, da mit der herkömmlichen Produktionstechnik die Mindestanforderungen an die Gesamtdehnung bei Höchstkraft der Klasse A erreicht wurden, die Mindestanforderungen an den Wert Agt der Klasse B, u.a. infolge der Kennwertstreuung, jedoch nicht sicher erreicht werden.

 

Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Untersuchung der Einflüsse der Verfahrenstechnologie und der Werkstoffprüfung auf den Duktilitätskennwert Agt von Betonstahl“ sollten die übergeordneten Einflussgrößen aus der Verfahrenstechnologie, hier insbesondere der technischen Oberfläche, und aus der Werkstoffprüfung auf die Streuung des Leistungsmerkmals „Gesamtdehnung bei Höchstkraft Agt“ bei Betonstahl identifiziert und quantifiziert werden. 

 

Hierzu wurden Zugversuche an glatten und gerippten Probenstäben aus kaltgewalztem B500A und warmgewalztem B500B durchgeführt. Die Proben jedes Werkstoffs entstammten jeweils einer Charge. Die gerippten Probenstäbe wurden mit einer neuen und mit einer verschlissenen Rippenwalze gerippt, um den Einfluss der Walzenstandzeit auf die Kennwerte des Zugversuchs zu untersuchen. Die Prüftemperatur und die Prüfgeschwindigkeit wurden innerhalb der laut DIN EN ISO 6892-1:2009 für den Zugversuch bei Raumtemperatur zulässigen Grenzen variiert. Den Zugversuchen wurde die Analyse der vorhandenen technischen Oberflächen, insbesondere der Geometrie der gerippten Betonstähle mittels mikroskopischer Untersuchung und Oberflächen­profilometrie vorangestellt, um eventuelle Zusammenhänge zwischen Oberflächenmerkmalen und der Streuung des Kennwertes Agt aufzudecken. Zur Charakterisierung des Versuchsmaterials vor und nach den Zugversuchen erfolgten begleitende metallographische und fraktographische Untersuchungen. Auch die Auswertemethodik der Zugversuche wurde variiert, um möglichen Einflüssen auf die Streuung von Agt nachzugehen. Zur Ermittlung des Einflusses des Prüfverfahrens ’Zugversuch an Betonstahl’ auf die Streuung des Kennwertes Agt von Betonstählen wurden die relevanten Unsicherheitsquellen identifiziert, analysiert sowie quantifiziert und eine erweiterte Messunsicherheit für die im Zugversuch ermittelten Prüfgrößen bestimmt. Aus den Ergebnissen des Forschungsvorhabens wurden Maßnahmen zur Minimierung der Streuungen in der Massenproduktion abgeleitet und Ansätze für die Weiterentwicklung hin zu höherfesten und zugleich ausreichend duktilen Betonstählen aufgezeigt.

 

Im Rahmen des Forschungsvorhabens konnte gezeigt werden, dass bestimmte werkstoff- und probenspezifische Einflussgrößen (technische Oberfläche, Duktilitätsklasse des Werkstoffs, Homogenität des Gefüges), werkstoffunabhängige Einflussgrößen (Messunsicherheiten der zu ermittelten Prüfgrößen) und verfahrensbedingte Einflussgrößen (Prüftemperatur, Prüfgeschwindigkeit, Versuchsauswertung) die Kennwerte aus dem Zugversuch signifikant beeinflussen. 

 

Der warmgewalzte Betonstahl B500B erreicht gegenüber den Lieferformen des kaltgewalzten B500A ein höheres Niveau der Festigkeits- und Duktilitätskennwerte. Die Rippung der Oberfläche des Betonstahls führt unabhängig von der Duktilitätsklasse zu höheren Festigkeitskennwerten, aber geringeren Duktilitätskennwerten. Mit zunehmender Standzeit der Rippwalze steigt die Festigkeit der untersuchten Betonstahlprobenstäbe an, die Duktilitätskennwerte Agt zeigen eine leicht abfallende Tendenz. Trotz Verwendung von Werkstoffen aus jeweils einer Charge tritt bei der Ermittlung von Agtunabhängig von der technischen Oberfläche und der Duktilitätsklasse des Werkstoffs eine erhebliche Streuung der Ergebniswerte auf.

 

Die Variation der Prüftemperatur innerhalb der laut DIN EN ISO 6892-1:2009 für den Zugversuch bei Raumtemperatur zulässigen Grenzen (10 bis 35 °C) zeigte einen signifikanten Einfluss auf das Niveau der Kennwerte, nicht aber auf deren Streuung. Unabhängig von der Duktilitätsklasse sinkt mit zunehmender Prüftemperatur das Niveau der Kennwerte Rp0,2, Rm und auch Agt.

 

Die Variation der Prüfgeschwindigkeit innerhalb der laut DIN EN ISO 6892-1:2009 für den Zugversuch bei Raumtemperatur zulässigen Grenzen (0,00007 s-1bis 0,0067 s-1 ± 20 %) zeigte einen signifikanten Einfluss auf das Niveau der Kennwerte Rp0,2, Rm, Rm/Rp0,2 und Agt, nicht aber auf deren Streuung. Unabhängig von der technischen Oberfläche und der Duktilitätsklasse des Werkstoffs wurde festgestellt, dass sich mit zunehmender Prüfgeschwindigkeit die Kennwerte Rp0,2, Rm, Rm/Rp0,2 und Agt erhöhen. Die Abhängigkeit von der Prüfgeschwindigkeit nimmt in der Reihenfolge Rp0,2 à Rm à Agt zu. Wie stark die Kennwerte bei der Erhöhung der Prüfgeschwindigkeit zunehmen, ist von der Lieferform und der Duktilitätsklasse abhängig. 

 

Die Parameter technische Oberfläche, Duktilitätsklasse, Prüftemperatur und Prüfgeschwindigkeit beeinflussen im Wesentlichen nur das Niveau des Agt-Wertes, nicht aber dessen Streuung. Einfluss auf das Niveau und die Streuung der Kennwerte Rp0,2, Rm und insbesondere Agt hat die Auswertemethodik im Zugversuch, wie z.B. bei der Festlegung der Höchstkraft Fm (über ein Polynom 3. Grades) oder bei der Bestimmung des Agt-Wertes (Extensometer oder manuelles Verfahren). Den Untersuchungen in diesem Forschungsprojekt zufolge geht der größte Einfluss auf die Streuung des Agt-Wertes aber vom Werkstoff bzw. dessen Gefüge selbst aus.

 

Aus den Untersuchungsergebnissen des Forschungsvorhabens werden folgende Empfehlungen für die Minimierung der Streuungen des Kennwertes Agt, die Optimierung der Prüfmethodik von Betonstahl sowie zur Weiterentwicklung der Betonstähle abgeleitet:

 

Ø     Wahl geeigneter Prüfparameter des Zugversuches im Rahmen der Normgrenzen 
     (Einfluss auf Agt-Niveau)

Ø     Abstimmung der Prüfbedingungen zwischen Lieferant und Kunde zwecks 
     stärkeren Differenzierung der Prüfaufgabe (Einfluss auf Agt-Niveau)

Ø     Festlegung und reproduzierbare Umsetzung der ausgewählten Prüfparameter im 
     jeweiligen Prüflabor z.B. mittels Arbeitsanweisung (Einfluss auf Agt-Niveau)

Ø     Hinweis zum Einfluss der Prüfparameter auf Agt in die DIN EN ISO 15630 aufnehmen 
     und gegebenenfalls die Normgrenzen stärker reglementieren (Einfluss auf Agt-
     Niveau)

Ø     Vermeidung einer zu hohen Standzeit der Rippwalzen (Einfluss auf Agt-Niveau)

Ø     Erhöhung der Homogenität und des Reinheitsgrades des Werkstoffgefüges
     (Einfluss auf Agt-Niveau und Streuung)

Ø     Qualitätssicherung in den Prüflaboren der Hersteller durch Teilnahme an 
     Eignungsprüfungen zum Zugversuch (Einfluss auf Agt-Niveau und Streuung)

Eine Minimierung der Streuung des Agt-Wertes im Betonstahl durch die Umsetzung der o.g. Maßnahmen, wäre ein wichtiger Schritt hin zu einem Produkt, das die derzeit existierenden Normvorgaben sicher erfüllt und dem sich dadurch neue Anwendungsgebiete erschließen.

 

Forschungsstelle:
Bundesanstalt für Materialforschung und prüfung (BAM), Berlin
www.bam.de

Forschungsleiter:
Prof. Dr.-Ing. Pedro Dolabella Portella                                          

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM) für Institut für Stahlbetonbewehrung e.V. (ISB))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF

01.09.2011