A188

Einflussgrößen auf den Elastizitätsmodul von Stählen für den Fahrzeugbau


(A188 S 24/10029/01)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2002 - 31. Dezember 2002

Ein Karosseriewerkstoff muss zwei Eigenschaften besitzen: eine hohe Festigkeit, um die Belastbarkeit zu gewährleisten und einen hohen E-Modul, damit die Karosserie eine große elastische Steifigkeit besitzt. Aus der Blechumformung resultiert ebenfalls die Forderung nach einem hohen und exakt vorhersagbaren Elastizitätsmodul, denn um eine hohe Maßgenauigkeit der Karosseriebauteile einzuhalten, soll die Rückfederung nach der Umformung möglichst gering sein und nur geringen Streuungen unterliegen. Das Ziel der vorliegenden Literaturstudie war es, die verschiedenen Einflussgrößen auf den Elastizitätsmodul von Stählen zusammenzufassen und Möglichkeiten aufzuzeigen, einen möglichst hohen E-Modul gezielt einzustellen.

Die Messmethoden zur E-Modul-Bestimmung sind eingeteilt in dynamische und statische Verfahren. Bei den meisten statischen Verfahren, zum Beispiel beim Zug- oder Biegeversuch, wird aus dem Zusammenhang zwischen Belastung und zugehöriger elastischer Verformung der Elastizitätsmodul errechnet. Zur Bestimmung des E-Moduls mit einem dynamischen Verfahren wird ein Probekörper zu oszillierenden elastischen Verformungen angeregt. Aus der experimentell bestimmten Eigenfrequenz kann dann der Elastizitätsmodul des Werkstoffs errechnet werden. Die dynamischen Verfahren zeigen eine geringere Streubreite und eine höhere Reproduzierbarkeit als die statischen, allerdings eignen sich die Ergebnisse der statischen Messverfahren besser als Eingangsdaten für die Modellierung von Umformvorgängen und Rückfederungen. Bei den genannten Prozessen wird die Realstruktur zum Beispiel durch eine Erhöhung der Versetzungsdichte oder durch das Erzeugen von anderen Gitterbaufehlern deutlich beeinflusst, und diese Beeinflussung wird vom statischen E-Modul besser abgebildet als vom dynamischen.

Der E-Modul ist abhängig von der kristallographischen Richtung, da auch der Atomabstand sich mit der kristallographischen Richtung verändert. Aus diesem Grund kann der Elastizitätsmodul von Stahl nicht als eine konstante skalare Werkstoffkonstante angesehen werden, sondern ist ein Tensor vierter Stufe. Da aber bei metallischen Werkstoffen die Eigenschaften über viele Kristalle gemittelt werden und bei regelloser Kristallanordnung ein „quasiisotropes“ Verhalten zeigen, ist es für die meisten Berechnungen zulässig, von einem mittleren E-Modul des Werkstoffs auszugehen. Abweichungen von der regellosen Kristallorientierung werden als ausgeprägte Texturen bezeichnet; diese führen zu richtungsabhängigen Eigenschaften.

Übertragen auf Stahlbleche bedeutet dies, dass durch das Einstellen einer bestimmten Textur in einigen Richtungen ein erhöhter und in anderen Richtungen ein verringerter E-Modul eingestellt werden kann. Allerdings erreicht man auch bei Stählen mit ausgeprägter Textur keinen maximalen E-Modul, der deutlich über 220 GPa liegt, und außerdem erzeugt man durch das Einstellen einer besonders scharfen Textur unerwünschte Anisotropien aller mechanischen Eigenschaften. Deshalb stellt die Texturbeeinflussung kein geeignetes Mittel dar, den Elastizitätsmodul von Karosseriestählen im gewünschten Maß zu steigern.

Gelöste Legierungselemente beeinflussen den E-Modul von Stählen nur gering. Die meisten Elemente, zu denen auch Kohlenstoff als wichtigstes Legierungselement von Stahl gehört, senken den Elastizitätsmodul mit steigendem Legierungsgehalt. Lediglich für die Elemente Re, Co und Cr wurde eine geringe Zunahme des E-Moduls mit steigendem Legierungsgehalt beobachtetet, die jedoch nur wenige GPa beträgt. Eine Veränderung des Anteils der gelösten Legierungselemente stellt demnach ebenfalls kein geeignetes Mittel dar, bei Stahl einen hohen E-Modul gezielt einzustellen.

Überschreitet der Legierungsanteil eines Elements die Sättigungskonzentration eines Werkstoffs, dann kommt es zur Bildung von Ausscheidungen. Einige davon, wie zum Beispiel TiB2, VC, AI2O3 oder Y2O3, besitzen einen besonders hohen Elastizitätsmodul, so dass durch Vergrößerung des Gehalts der jeweiligen Ausscheidung der E-Modul von Stahl deutlich gesteigert werden kann. Um einen Elastizitätsmodul von 290 GPa einzustellen, muss zum Beispiel der TiB2-Anteil des Werkstoffverbunds Stahl / TiB2 30% betragen. Ein solcher Werkstoffverbund eignet sich allerdings nicht für die Verwendung im Karosseriebereich, weil die Umformbarkeit infolge des hohen Ausscheidungsgehalts sehr stark beeinträchtigt wird.

Der E-Modul von Stahl sinkt mit steigender Temperatur progressiv. Während der Umwandlung der Kristallstruktur an der A3-Temperatur nimmt der E-Modul erkennbar zu, da die austenitischen Stähle mit der kfz-Kristallstruktur dichter gepackt sind als die ferritischen krz-Stähle. Aufgrund dieser Überlegung sollten die Austenite grundsätzlich einen höheren E-Modul als die Ferrite besitzen. Infolge des ferromagnetischen Charakters des krz-Eisens kommt es allerdings unterhalb der Curie-Temperatur zu einer Elektronenspinkopplung, die zu einer höheren Steifigkeit des Kristallgitters führt, so dass für kubisch raumzentrierte Stähle höhere Elastizitätsmodule gemessen werden.

Während der Produktion von Stahlblechen kommt es zu verschiedenen Formänderungsprozessen und technischen Wärmebehandlungen, die ebenfalls den E-Modul des Werkstoffs beeinflussen. Der E-Modul von Stählen wird vor allem durch plastische Verformung deutlich reduziert. Diese Verringerung des Elastizitätsmoduls kann je nach Stahl mehr als 10 % des ursprünglichen Werts betragen. Bei den meisten Stählen reichen schon geringe plastische Verformungen aus, um den E-Modul erheblich zu senken, allerdings beeinflusst eine weitergehende plastische Verformung den Elastizitätsmodul nicht mehr so stark. Für Karosserieteile bedeutet dies, dass nach der Blechumformung der Elastizitätsmodul des verwendeten Werkstoffs im Vergleich zum Ausgangszustand stark reduziert ist.

Durch eine geeignete Wärmebehandlung kann der durch Vorverformung abgesenkte E-Modul wieder angehoben werden. Bei den meisten Stählen kann dadurch jedoch nicht mehr der ursprüngliche Elastizitätsmodul eingestellt werden. Während der Herstellung von Stahlblechen wird so der E-Modul zunächst durch das Walzen verringert, erholt sich jedoch während der abschließenden Rekristallisationsglühung deutlich. Stark dressierte Bleche besitzen besonders niedrige E-Moduln. Bei der Blechumformung während der Herstellung von Karosserieteilen wird der E-Modul dann ein weiteres Mal gesenkt. Je nach Verwendungszweck werden die Bauteile später wieder einer Wärmebehandlung, zum Beispiel beim Lackeinbrennen, ausgesetzt, so dass sich der E-Modul wieder erholen kann.

Die vorliegende Literaturstudie zeigt, dass bislang keine Möglichkeiten bekannt sind, wie der E-Modul von Karosseriestählen deutlich gesteigert werden kann, ohne dass dadurch andere wichtige mechanische Eigenschaften beeinträchtigt werden. Hierzu zählen in erster Linie die Umformbarkeit und die Isotropie aller mechanischen Eigenschaften. Vielmehr zeigt sich, dass der Elastizitätsmodul von Stahl durch die meisten seiner Einflussgrößen verringert wird.
Da die meisten der aufgezeigten Einflussgrößen eine Abnahme des E-Moduls bewirken, wird den Maßnahmen zur Reduzierung der Streuung der E-Moduln eine besondere Bedeutung beigemessen. Eine Wärmebehandlung von bereits umgeformten Bauteilen zur Regenerierung des E-Moduls erscheint sinnvoll, da durch einen höheren E-Modul des verwendeten Werkstoffs die Karosseriesteifigkeit zunimmt.

Forschungsstelle 1:
Institut für Eisenhüttenkunde (IEHK) der RWTH Aachen
www.iehk.rwth-aachen.de
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. W. Bleck

(vorgelegt vom Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) für Forschungsvereinigung Automobiltechnik e.V. (FAT))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF