A143

Auswirkung eines dreiachsigen Spannungszustandes auf das Verformungsverhalten und das Rissinitiierungsverhalten von Gruppenfehlstellen


(A143 S 24/16/99)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2000 - 30. Juni 2002

Während des Erstarrungsprozesses von Schmiedeblöcken für große Schmiedestücke ist die Entstehung von natürlichen Fehlstellen (nichtmetallische Einschlüsse) und Inhomogenitäten nicht vollständig vermeidbar. Daher ist es erforderlich, Kriterien zur Beurteilung der Zulässigkeit von natürlichen Fehlstellen zu erarbeiten. Zum Auffinden und zur Größenbestimmung der Fehlergrößen im Inneren der Schmiedestücke wird die Ultraschallprüfung angewandt. Zur Ermittlung von Oberflächenfehlern dient die Magnetpulverrissprüfung. Das Ziel des Vorhabens war die Untersuchung von Gruppenfehlstellen hinsichtlich ihrer gegenseitigen Beeinflussung in Abhängigkeit der jeweiligen Fehlstellengrößen und des Fehlstellenabstandes, sowie die Erstellung eines Wechselwirkungskriteriums zur Charakterisierung und Bewertung der Fehlstellen.

Zunächst wurden drei bereits einachsig geprüfte fehlerbehaftete glatte Kleinproben (30mm Schaftdurchmesser) aus 2%NiCrMoV- und 3,5%NiCrMoV-Stählen aus Ausschussschmiedestücken der siebziger Jahre sowohl rasterelektronenmikroskopisch nachausgewertet als auch bruchmechanisch analysiert. Neben der Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren wurde das im Rasterelektronenmikroskop gemessene Risswachstum mit dem nach dem Gesetz von Paris bestimmten Risswachstum verglichen. Dabei zeigte sich, dass die im Rasterelektronenmikroskop gemessenen Risswachstumsraten häufig oberhalb der Paris-Geraden lagen. Wie auch an Bruchmechanikproben ermittelt, wurde bei diesen Auswertungen kein Unterschied im Risswachstumsverhalten zwischen Oberflächen- und Innenfehlern festgestellt. Im Weiteren konnten die Versagensprozesse der Proben beschrieben und erklärt werden.

Neben der Nachauswertung der Kleinproben (30mm Schaftdurchmesser) wurden experimentelle Untersuchungen an Großproben (70mm Schaftdurchmesser) der Stähle 26NiCrMoV14-5 und 30CrMoNiV5-11 mit Gruppenanzeigen durchgeführt. Die Proben stammten von Ausschussschmiedestücken, die mittels moderner Erschmelzungstechnologie in den neunziger Jahren hergestellt wurden. Die Proben wurden einachsig und eine Probe mehrachsig (Schleuderprobe) beansprucht. Parallel zu den Versuchen erfolgten zerstörungsfreie Prüfungen, die Aussagen über die Lage der Fehlstellen und den Beginn des Risswachstums ermöglichten. Nach Erreichen von signifikanten zerstörungsfreien Prüfsignalen wurden die Proben kalt (spröde) aufgebrochen und die Fehlstellen rasterelektronenmikroskopisch untersucht. Wesentliche Schwerpunkte bildeten dabei die Untersuchung der Fehlstellen hinsichtlich ihrer gegenseitigen Beeinflussung sowie die Planimetrierung der Fehlstellengrößen und deren Risswachstum. Weiterhin wurden bruchmechanische Analysen durchgeführt und die durch Fehlstellen verursachten Versagensvorgänge beschrieben. Die Untersuchungen an den Proben der Ausschussschmiedestücke der neunziger Jahre führten zu Ergebnissen, die sich deutlich von den Ergebnissen der untersuchten Schmiedestücke der siebziger unterscheiden. Auffallend war vor allem der höhere Reinheitsgrad im Restquerschnitt der Zugschwellproben und die deutlich höhere Belastbarkeit im Zugschwellversuch. Die an diesen Großproben durchgeführten zerstörungsfreien, metallographischen und bruchmechanischen Untersuchungen sind von großer Bedeutung für die Bewertung der Ultraschallanzeigen von Schmiedestücken moderner Fertigungstechnologie.

Parallel zu den experimentellen Arbeiten wurden umfangreiche numerische Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurden zunächst eine einachsig beanspruchte fehlstellenbehaftete Probe dreidimensional sowohl linearelastisch als auch mit dem Kriechgesetz von Norton-Bailey nachgerechnet und die Ergebnisse dargestellt. Die Fehlstellen wurden elliptisch angenähert. Zur Verifizierung dieser Näherung wurde in Anlehnung an eine bereits experimentell untersuchte Probe die wahre Fehlergeometrie modelliert. Der Vergleich beider Rechnungen zeigte eine gute Übereinstimmung zwischen der wahren Fehlerform und der elliptischen Näherung. Daher wurden die folgenden Rechnungen mit der elliptischen Geometrie durchgeführt.

Zur Untersuchung des Einflusses des Fehlstellenabstandes wurden verschiedene dreidimensionale Rechnungen mit gleichen Fehlergrößen simuliert, wobei der Abstand zwischen den Fehlstellen variiert wurde. Hierzu war es erforderlich, für jede Rechnung ein neues Netz zu generieren. Da diese Rechnungen sehr aufwändig sind, wurden zweidimensionale Rechnungen durchgeführt. Es zeigte sich, dass die 3D-Rechnungen zu ähnlichen Ergebnissen wie die 2D-Rechnungen führen. Basierend auf diesem Resultat wurden weitere 2D-Rechnungen mit unterschiedlichen Fehlstellengrößen und –abständen simuliert.

Neben der Nachrechnung von fehlerbehafteten einachsig beanspruchten Proben, wurden auch mehrachsig-beanspruchte fehlerfreie und fehlerbehaftete Proben untersucht. Die Fehleranordnung basierte auf Ergebnissen der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung einer Schleuderprobe. Bei der Auswertung der linearelastischen und der nach dem Kriechgesetz von Norton-Bailey simulierten Rechnungen wurden vorwiegend die Spannungs- und Dehnungsverteilungen betrachtet. Es zeigte sich für die modellierte Fehlstellenkonfiguration mit dem Fehlerabstand von d=2,6mm bei der Nachrechnung des Raumtemperaturversuchs eine gute Übereinstimmung zwischen den unter dreiachsiger Beanspruchung ermittelten Spannungsintensitäten und den analytisch unter einachsiger Beanspruchung bestimmten Spannungsintensitäten. Eine Wechselwirkung der Fehlstellen konnte in der numerischen Simulation nicht identifiziert werden. Dieses Ergebnis wurde durch den Schleuderversuch bestätigt.

Die Untersuchung des Einflusses der Mehrachsigkeit wurde basierend auf dem Mehrachsigkeitsquotienten q durchgeführt. Dabei zeigte sich insbesondere bei den Kriechrechnungen sowohl bei einachsiger als auch bei mehrachsiger Beanspruchung im Bereich der Fehlstellenränder eine signifikante Zunahme der Mehrachsigkeit. Während das Risseinleitungsverhalten bei Sprödbruch von dem Mehrachsigkeitsquotienten unabhängig ist, wird dieser bei spontaner Risserweiterung beeinflusst.

Ausgehend von diesen numerischen Analysen wurde eine Wechselwirkungsfunktion f(d/2a1,a1/a2) erstellt, welche den Grad der gegenseitigen Beeinflussung zwischen zwei benachbarten Fehlstellen beschreibt. Die Wechselwirkungsfunktion ist dabei von dem Fehlergrößenverhältnis und dem auf die größere Fehlerachse bezogenen Abstand abhängig. Durch Einbeziehung der experimentellen Ergebnisse konnte ein Wechselwirkungsbereich definiert werden. Innerhalb dieses Bereichs ist mit einer gegenseitigen Beeinflussung zwischen zwei in einer Ebene liegenden Fehlstellen zu rechnen. Im Weiteren wurde die Wechselwirkungsfunktion auf die Bruchmechanik übertragen, so dass der zwischen den Fehlstellen auftretende Spannungsintensitätsfaktor abgeschätzt werden kann.

Weiterhin wurden die zur Anwendung des Wechselwirkungskriteriums an die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung gestellten Anforderungen erläutert. Aus den experimentellen und numerischen Finite-Elemente-Untersuchungen wurden Schlussfolgerungen gezogen.

Abschließend wurde eine Handlungsempfehlung zur Bewertung der aus der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung ermittelten Anzeigentypen aufgestellt. Dabei wurden neben den in dieser Arbeit gewonnenen Ergebnissen auch die bisherigen industriellen Erfahrungen einbezogen.

In früheren Forschungsvorhaben wurde eine Vielzahl von Proben unter einachsiger Zugschwellbeanspruchung (R=0,1) vorwiegend bei Raumtemperatur und vereinzelt bei erhöhter Temperatur geprüft. Für eine Absicherung des in dieser Arbeit erstellten Wechselwirkungskriteriums (f(d/2a1,a1/a2)) ist es daher erforderlich, weitere mit Gruppenfehlstellen behaftete Proben bei hoher Temperatur sowohl unter einachsiger als auch unter mehrachsiger Beanspruchung zu untersuchen.

Forschungsstelle 1:
Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart (MPA) Otto-Graf-Institut
www.mpa.uni-stuttgart.de
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. habil. E. Roos

vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., VDMA für FKM), Frankfurt

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF