A100

Einfluss des Anlassens auf Bauteil- und Bearbeitungseigenschaften randschichtgehärteter Gefüge


(A100 S 24/13/1995)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. September 1995 – 30. September 1997

In der vorliegenden Arbeit wurde der Frage nachgegangen, unter welchen Beanspruchungsbedingungen auf das zeitaufwendige Anlassen randschichtgehärteter Bauteile verzichtet oder zumindest durch induktives Schnellanlassen bzw. durch Anlassen aus der Restwärme sicher ersetzt werden kann.

Dazu wurden Biege- und Schlagbiegeversuche sowie Untersuchungen zum Schleifverhalten und zur Maßstabilität an induktiv randschichtgehärteter Proben aus Ck 45, Cf 53, Ck 67, 42 CrMo 4, 50 CrMo 4 und 100 Cr 6 durchgeführt. Induktives Schnellanlassen und Anlassen aus der Restwärme wurden in einem gemeinsamen Versuchsansatz simuliert, in dem die Proben mit einer Aufheizgeschwindigkeit von etwa 50 K/s auf eine Spitzentemperatur von 2500 C erwärmt und nachfolgend an Luft abgekühlt wurden. Das konventionelle Anlassen erfolgte als zweistündige Behandlung bei1800 C im Luftumwälzofen mit nachfolgender Luftabkühlung. Zum Vergleich wurden daneben auch nicht angelassene Proben in die Untersuchungen einbezogen. Kennzeichnender Versuchsparameter war neben der Härte des martensitischen Randgefüges dessen Anteil am Bauteilquerschnitt.

Nachfolgend sind die wichtigsten Untersuchungsergebnisse zusammengefaßt. Es sei jedoch ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Aussagen zum induktiven Anlassen ausschließlich für die hier gewählten Randbedingungen gelten.

Die Oberflächenhärte als Maß für die Verschleißbeständigkeit der randschichtgehärteten Stähle wird durch konventionelles und induktives Anlassen gleichermaßen verringert.

Das Anlassen bewirkt im Falle der Stähle mit mittlerem Kohlenstoffgehalt eine deutliche Erhöhung des Widerstandes gegen Anriß bei statischer Biegebeanspruchung, wobei sich dieser Effekt mit zunehmender Randhärtetiefe verstärkt. Bei den beiden Stählen Ck 67 und 100 Cr 6 ist die Anhebung der Biegerißspannung durch Anlassung weit weniger ausgeprägt. Unterschiede zwischen den beiden verglichenen Anlaßverfahren sind in keinem Fall festzustellen.

Bei schlagartiger Biegebeanspruchung zeigen die Stähle mittleren Kohlenstoffgehaltes einen erheblich höheren Widerstand gegen Bruch, wenn sie nach der Randschichthärtung angelassen wurden. Mit zunehmender Randhärtetiefe tritt dieser Befund um so ausgeprägter auf. Dem gegenüber ist für Ck 67 und 100 Cr 6 – auch bei größeren Einhärtungstiefen – eine nur geringfügige Anhebung der verbrauchten Schlagarbeit durch Anlassen zu konstatieren. Grundsätzlich führen aber auch hier konventionelles und induktives Anlassen zu gleichartigen Ergebnissen.

Anlassen verbessert unabhängig vom gewählten Anlaßverfahren die Maßhaltigkeit.

Das Anlassen der randschichtgehärteten Stähle bewirkt generell eine Abnahme der Schleifrißempfindlichkeit. So werden im Fall der angelassenen Proben nach dem Schleifen weniger hohe Zugeigenspannungen mit überdies geringerer Tiefenwirkung ermittelt. In der Tendenz weisen aber hier die konventionell angelassenen Proben geringere und weniger tief unter die geschliffene Oberfläche reichende Zugeigenspannungen auf als die induktiv angelassenen. Als Ursache dafür wird angenommen, daß die zweimalige, rasche Erwärmung des Randbereiches zum einen beim induktiven Anlassen selbst und zum anderen beim Schleifen  im Resultat auch höhere Zugeigenspannungen nach dem Schleifen verursacht.

Zusammenfassend ist nach den vorliegenden Ergebnissen festzustellen, daß bei Stählen mit mittlerem Kohlenstoffgehalt auf das Anlassen nach der Randschichthärtung nicht verzichtet werden kann. Das zeitaufwendige Anlassen im Ofen kann jedoch durch induktives Schnellanlassen oder Anlassen aus der Restwärme ersetzt werden, da bei beiden Anlaßvarianten Oberflächenhärte und Härteverlaufskurven, Verhalten bei langsamer und schlagartiger Biegung sowie Maßhaltigkeit vergleichbar verändert werden. Bei den Stählen Ck 67 und 100 Cr 6 werden die hier untersuchten Eigenschaften durch Anlassen bei niedrigen Temperaturen, unabhängig von der gewählten Variante, nur so wenig verändert, daß auf das Anlassen insgesamt verzichtet werden könnte.

Darüber hinaus ist bei allen untersuchten Stählen nicht auszuschließen, daß das induktive Anlassen bzw. das Anlassen aus der Restwärme unter den hier gewählten Randbedingungen tendenziell zu einer größeren Schleifrißempfindlichkeit führt als die zweistündige Behandlung bei 1800 C.

Prinzipiell sind die Bedingungen und Auswirkungen des induktiven Anlassens und des Anlassens aus der Restwärme in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen.

Forschungsstelle 1:
Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der Technischen Universität Berlin, Fachgebiet Werkstofftechnik (FGWT)
http://www.tu-berlin.de/fak_3/institut_fuer_werkstoffwissenschaften_und_-technologien/werkstofftechnik/menue/werkstofftechnik/
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. J. Grosch
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. - VDMA für FVA)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF