A244

Experimentelle Untersuchung und numerische Simulation des Relaxationsverhaltens von Tellerfedern


(A244 24/10130/2007)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2007 - 31. August 2010

Tellerfedern werden als elastische Bauteile in vielfältigen Anwendungen eingesetzt, wobei sie überwiegend hohe Kräfte bei vergleichsweise kleinen Federwegen aufweisen. Wichtig für die Funktionssicherheit der Federn ist die Aufrechterhaltung der Federkennlinie über ihre gesamte Lebensdauer. Dies wird jedoch, wie bei allen hoch vorgespannten Bauteilen auch, infolge von Relaxations- und Kriechvorgängen unter Temperatur- und Lasteinwirkung erheblich beeinträchtigt.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung war das Relaxationsverhalten von Tellerfedern nur wenig erforscht, das Wissen darüber beschränkte sich auf punktuelle Erfahrungswerte von Herstellern und zum Teil von Verbrauchern. Es fehlten die Datenbasis sowie Berechnungsmöglichkeiten zur einfachen Ermittlung der Relaxationswerte für die gängigen Tellerfederabmessungen und -werkstoffe bei den entsprechenden Betriebsbedingungen.
Das Gesamtziel des Forschungsvorhabens war die experimentelle Untersuchung und numerische Abbildung des Langzeitverhaltens von gängigen Tellerfederwerkstoffen und -abmessungen unter statischer Beanspruchung bei praxisnahen Randbedingungen. Das erste Teilziel beinhaltet die experimentelle Ermittlung von Relaxationswerten unter Berücksichtigung der Einflussfaktoren Werkstoff, Größe, Festigkeit, Eigenspannung, Betriebstemperatur, Belastungshöhe und Belastungsdauer.
Das zweite Teilziel umfasst die numerische Berechnung der Relaxation mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode für ausgesuchte Tellerfedervarianten. Um eine möglichst gute Genauigkeit des numerischen Modells zu gewährleisten, sollten die maßgeblichen Eigenspannungen vom Herstellungsprozess berücksichtigt werden. Hierbei sollte im ersten Berechnungsschritt das Kalt- bzw. Warmvorsetzen simuliert und anschließend die Relaxationsberechnung durchgeführt werden.
Das dritte Teilziel war die empirische Ableitung einer Berechnungsformel zur Relaxationsvorhersage. Anhand der umfassenden experimentellen Ergebnisse sollten Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten abgeleitet und in eine Berechnungsformel überführt werden.
Einen wesentlichen Teil der Projektergebnisse bilden die zahlreichen experimentell ermittelten Relaxationswerte für gängige Tellerfederwerkstoffe und betriebsrelevante Temperatur-, Zeit- und Beanspruchungsbedingungen. Dabei ist die Relaxation das Maß für den Vorspannkraftve-lust der Feder, der sich aus der Differenz der Federkraft vor und nach den Relaxationsversu-chen ergibt, bezogen auf die Ausgangskraft.
Den umfangreichsten Datensatz bilden die Relaxationsergebnisse für die Tellerfedern aus dem Vergütungsstahl 51CrV4. Diese liefern Aufschlüsse über den Einfluss der Wärmebehandlungsparameter und der besonderen Fertigungsschritte (Vorsetzten, Warmvorsetzen, Kugelstrahlen) auf das Relaxationsverhalten. Die Relaxationsversuche wurden bei Raumtemperatur, 80, 120 und 200°C durchgeführt. Es zeigte sich, dass das Warmvorsetzen gegenüber dem Kaltvorsetzen zu einer Verminderung der Relaxation führt. Das Kugelstrahlen führt hingegen zu höheren Relaxationswerten. In der Regel weisen kalt vorgesetzte und kugelgestrahlte Tellerfedern den größten und warm vorgesetzte und nicht kugelgestrahlte Tellerfeder den kleinsten Vorspannkraftverlust auf. Eine Verbesserung des Langzeitverhaltens der Tellerfedern unter statischer Last kann durch eine niedrigere Werkstofffestigkeit bzw. Härte erzielt werden. Der Vorspannkraftverlust bei 80°C und 120°C ist für die Tellerfedern mit 2 mm und 3 mm Wanddicke für die niedrigste (42 HRC) und mittlere (47 HRC) Härteklasse annähernd gleich. Für alle anderen Varianten nimmt die Verminderung der Federvorspannkraft mit steigender Temperatur annähernd linear zu. Alle untersuchten Tellerfedervarianten zeigen einen hohen Vorspannkraftverlust bei Temperaturen von 200°C, was für die Funktionssicherheit der Tellerfedern unter Umständen kritisch sein kann.
Die Relaxationsergebnisse für den austenitischen Federstahl X7CrNiAl17-7 bestätigen wiederum, dass die kugelgestrahlten Tellerfedern einen höheren Vorspannkraftverlust (in dem Fall zwischen 1 und 5 %) als die nicht gestrahlten Federn verzeichnen. Untersucht wurde die Relaxation bei Raumtemperatur, bei 200, 250 und 300°C. Es zeigte sich, dass mit zunehmender Temperatur die Relaxation bei den Federn der mittleren Wanddicke (2 mm) fast linear, bei den dicksten Federn (3 mm) leicht progressiv und bei den dünnsten Federn (1,25 mm) stark progressiv ansteigt.
Für beide Werkstoffe (51CrV4 und X7CrNiAl17-7) ist die Relaxation bei Raumtemperatur vernachlässigbar klein. Selbst bei der höchsten Belastungsstufe bleibt der Vorspannkraftverlust nach 1.000 h unter 3 %.
Die Relaxationsergebnisse der Tellerfedern des Werkstoffes X22CrMoV12-1 zeigen, dass alle drei Tellerfederabmessungen (3, 2 und 1,5 mm Wanddicke) fast gleich viel an Vorspannkraft verlieren, was - gleiches zeitabhängigen Verhalten vorausgesetzt - auf eine annähernd gleiche Beanspruchung in den Tellerfedern deutet. Der Temperatureinfluss (geprüft wurde bei 200, 250 und 300°C) auf die Relaxation ist bei den Tellerfedern der mittleren und kleinsten Dicke sowie teilweise bei denen mit der größten Wanddicke recht gering. Hier liegen die Relaxationskurven für die unterschiedlichen Temperaturniveaus mit zum Teil weniger als 1 % Unterschied dicht beieinander.
Die Versuche an den Tellerfedern aus der Nickel-Basis-Legierung Inconel 718 wurden bei 300, 500, 600 und 650°C durchgeführt. Für alle Versuchsvarianten (3, 2 und 1,25 mm Wanddicke) ist die Relaxation bei 300°C mit einem Maximalwert von etwa 1,5 % nach 1000 h Auslagerungsdauer vernachlässigbar klein. Auch bei 500°C ist der Vorspankraftverlust noch sehr gering und erreicht nach 1.000 h Belastungsdauer Maximalwerte von 5 %. Alle drei Versuchsreihen zeigen in etwa das gleiche Relaxationsverhalten bei Temperaturen von 300 und 500°C. Bei 600 und 650°C relaxieren die Tellerfedern mit 3 mm Wanddicke am wenigsten von allen geprüften Federgeometrien und die Relaxation bleibt bei allen Belastungsstufen in etwa konstant. Auslagerungstemperaturen von 600 und 650°C sind für die Federn der mittleren und kleinsten Wanddicke besonders kritisch.
Für alle untersuchten Tellerfederwerkstoffe und -abmessungen gilt, dass mit steigender Temperatur, Zeitdauer und Belastungshöhe die Relaxation zunimmt.
Die für die numerische Simulation der Tellerfederrelaxation benötigten Werkstoffkennwerte zur Materialmodellierung wurden aus Zugversuchen, Warmzugversuchen und zeitabhängigen Versuchen ermittelt.
Begleitend zu den Versuchen wurden Finite-Elemente-Modelle zur Berechnung der Tellerfe-derrelaxation unter Berücksichtigung der fertigungsbedingten Eigenspannungen entwickelt. Die Verifikation der Simulationsergebnisse für den Vorsetzvorgang erfolget anhand von Eigenspan-nungen und anhand von Federkräften bei der entsprechenden Einfederung. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die numerische Simulation den Vorsetzvorgang und die daraus resultierenden Eigenspannungen gut abbildet. Die numerisch berechnete Relaxation zeigt hin-gegen teilweise (Tellerfedern aus 51CrV4, 2 mm, 52 HRC) große Abweichungen von den experimentell ermittelten Werten. Ergänzende Versuche und Analysen deuten darauf hin, dass in diesem Fall aus den Versuchen an Flachproben kein für das Bauteilverhalten (Tellerfedern) zutreffendes Materialmodell abgeleitet werden kann.
Für das bessere Verständnis der experimentellen und numerischen Relaxationsergebnisse wurden ergänzende Relaxationsversuche an eigenspannungsfreien und eigenspannungsbehafteten (vorgebogenen) Blechstreifen des Werkstoffes 51CrV4 und der Härte 47 HRC durchgeführt. Die Proben wurden auf Vier-Punkt-Biegung belastet und für 1.000 Stunden bei 200°C im Ofen ausgelagert. Die Versuche wurden begleitend numerisch simuliert. Die experimentellen Ergebnisse zeigen, dass die eigenspannungsbehafteten Proben weniger relaxieren und dass erwartungsgemäß mit steigender Belastung die Relaxation zunimmt. Die FE-Berechnung der Relaxation zeigt eine sehr gute Übereinstimmung mit den experimentellen Werten.
Für die Ableitung einer empirischen Formel zur Berechnung der Tellerfederrelaxation wu-den die Ergebnisse der Relaxationsversuche nach verschiedenen Kriterien analysiert und ausgewertet sowie sinnvoll erscheinende Korrelationen überprüft. Leider ergaben diese Auswertungen, dass das Erstellen einer Gleichung, die das Relaxationsverhalten von Tellerfedern auch nur annähernd beschreiben kann, nicht möglich ist.
Die in systematischen Relaxationsversuchen anwendungsnah ermittelten Ergebnisse für die gängigen Tellerfederabmessungen und -werkstoffe dienen dazu, eine zuverlässige Bauteilauslegung ohne kostenintensive Überdimensionierung sicherzustellen und sind somit direkt in der industriellen Praxis umsetzbar. Ein weiterer Aspekt dieses Projektes ist die Einbindung der numerischen Berechnungsmethoden zur Vorhersage des Relaxationsverhaltens von Tellerfedern. Dieses Berechnungswerkzeug ermöglicht zeit- und kostenaufwändige Relaxationsversuche zu reduzieren und die Produktionsabläufe zu optimieren. Die hierfür ermittelten Werkstoffkennwerte und Materialmodelle bilden eine große Datenbasis zur Werkstoffmodellierung, die für die Unternehmen vom großen Nutzen ist.

Forschungsstelle 1:
Institut für Werkstoffkunde der Technischen Universität Darmstadt (lfW)
www.tu-darmstadt.de/mpa-ifw
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. Christina Berger (vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM) für Verband der Deutschen Federnindustrie e.V. (VDFI))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIFInternet:
www.mpa-ifw.tu-darmstadt.de unter dem Link "Forschung", dann "Bauteilfestigkeit"