A242

Fortschrittliche Methoden zur Parameteridentifizierung und sequentiellen Extrapolation zur Anwendung bei konstitutiven Materialmodellen für Kriech- und Kriechermüdungsbeanspruchung


(A242 S 24/10125/2006)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2007 - 31. März 2010

In thermischen Maschinen und Anlagen führen An- und Abfahrvorgänge sowie Leistungsänderungen zu zyklischen Beanspruchungsänderungen in Hochtemperaturbauteilen.

Bei einer Kriechermüdungsbeanspruchung der beheizten Oberfläche massiver Bauteile können überelastische Verformungen in Verbindung mit einer in Haltephasen auftretenden Relaxation zu einer kritischen Beanspruchung führen, die die Anrisslebensdauer mehraxial beanspruchter Bauteile bestimmt. Konventionelle Werkstoffbeschreibungen können den zeitlichen Ablauf der Beanspruchungen vielfach nur unvollkommen berücksichtigen. Einen entscheidenden Fortschritt bilden konstitutive Werkstoffbeschreibungen. Sie erlauben die parallele Evolution von Verformung und von zum Versagen führender Schädigung für eine beliebige Beanspruchungsgeschichte. Ein Vorteil ist außerdem die direkte Kopplung mit der Finite-Elemente-Methode zur Nachbildung komplexer Strukturen. Diese Beschreibungen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten bis an die Schwelle der Anwendungsreife entwickelt. Ihre Erstellung und Anwendung ist aber wegen der Vielzahl der zu bestimmenden Werkstoffmodellparameter und des hohen Rechenaufwandes noch auf besonders wichtige Fälle beschränkt. In dem vorliegenden Forschungsvorhaben wurde ein vorhandenes konstitutives Materialmodell vom Typ Chaboche um zwei wesentliche Aspekte erweitert.

Die vorliegende Arbeit befasste sich zum einen mit der Entwicklung einer Extrapolationsmethode zur Beschleunigung der Berechnung der Verformung und Lebensdauer für Kriech- und Kriechermüdungsbeanspruchung auf der Basis eines konstitutiven Materialmodels, und zum anderen mit der Entwicklung fortschrittlicher rechnergestützter Methoden zur Parameteridentifizierung des Materialmodells auf der Basis  künstlicher neuronaler Netze.

Es wurde die praktische Anwendbarkeit und Zuverlässigkeit eines vorhandenen Materialmodells vom Typ Chaboche um die oben genannten zwei wesentlichen Aspekte erweitert. Die entwickelte Extrapolationsmethode für innere Variablen des Materialmodells lässt sich in die gängigen Finite-Elemente-Programme wie ABAQUS und ANSYS vorteilhaft integrieren und verringert den Rechenaufwand für die Bauteilberechnung unter zyklischen Beanspruchungen deutlich. Eine reproduzierbare Vorgehensweise zur Parameteridentifizierung auf Basis künstlicher neuronaler Netze wurde entwickelt und deren Anwendbarkeit auf unterschiedlicher Datenbasis bewertet.

Zur Validierung des Materialmodells wurden mehraxiale Kriechermüdungsexperimente am Turbinenwellenstahl X12CrMoWVNbN 10-1-1 an Kerb- und Kreuzproben mit Laufzeiten von rd. 8000 h durchgeführt. Zusätzlich konnten Daten aus Validierungsexperimenten anderer Arbeiten herangezogen werden. Neben ein- und dreistufigen Experimenten liegen zur Validierung auch Daten aus Versuchen mit veränderlichem Temperaturverlauf vor.

Bei der für die Bestimmung der Materialparameter zugrunde liegenden Datenbasis handelt es sich um Ermüdungs- und Kriechdaten im Temperaturbereich von 300 bis 600 °C. Die auf dieser Basis bestimmten Materialparameter (Route 1) führen zu einer Nachrechnung der Validierungsversuche in einem Streuband vom Faktor 2. Dagegen ergab sich bei der Nachrechnung zweier Kerbfälle mit komplexer dreistufiger Beanspruchung ein relativ konservatives Vorhersageergebnis. Dies wird auf das ausgeprägte Relaxationsverhalten sowie den nur für einaxiale Beanspruchung zugrunde gelegten Schädigungsgrenzwert zurückgeführt.

Alternativ wurde in dieser Arbeit die Parameterbestimmung auf Basis eines Datensatzes abgekürzter Versuche vorgenommen. Dabei handelt es sich um spezielle Experimente mit gestuften Abläufen in Kraft- bzw. Dehnungsregelung. Letztere wiesen zur Überlagerung von Ermüden und Kriechen eine längere Haltezeit auf. Dieser als Route 2 bezeichnete Weg führte zu einer Vorhersage der Anrisswechselzahl beschränkt auf isotherme Kriechermüdungsbeanspruchung auf die sichere Seite gegenüber Experimenten und Vorhersage gemäß Route 1.

Folgende Ergebnisse wurden erzielt:

- Die Berechnung der Verformung und der Anrisslebensdauer lässt sich mit der entwickel-ten Extrapolationsmethode deutlich beschleunigen, größer eine Zehnerpotenz.

- Zur Parameteridentifizierung wurde eine rechnergestützte Routine entwickelt, die die Vielzahl der Parameter für Verformung und Schädigung effizient und reproduzierbar bestimmt.

- Um eine Aussage über den notwendigen Umfang der zugrundeliegenden Datenbasis zu treffen wurden zwei Parametersätze jeweils aus Standardversuchen für die Werkstoffqualifizierung und aus „abgekürzten“ Versuchen ermittelt. Bei der Verformung zeigten die beiden Vorgehensweisen gleich gute Ergebnisse.

- Aus der Nachrechnung der Validierungsversuche ließ sich die Treffsicherheit des Mat-rialmodells und der neu entwickelten Extrapolationsmethode zeigen.

- Verbesserungspotential ergibt sich insbesondere in den Evolutionsgleichungen für die Schädigung für Kriechen, Ermüdung und deren komplexer Überlagerung bei thermomechanischer und mehraxialer Beanspruchung.

- Die im Vorhaben entwickelten Methoden sind in Anwenderroutinen für das FEM-Programm ABAQUS und ANSYS implementiert und stehen zur direkten Nutzung bei den Industriefirmen zur Verfügung.

- Programme für die Parameterbestimmung mit künstlichen neuronalen Netzen (Neuro-Ident) sowie Hilfsprogramme für die Darstellung von Simulationsergebnissen (mmplot) und zur vereinfachten Eingabe von Zyklusdaten (zykGen) wurde entwickelt und den Industriepartnern für die Erprobung an den Stählen 10%CrMoVNbN und 2%CrMoNiWV zur Verfügung gestellt.

Forschungsstelle 1:
Institut für Werkstoffkunde der Technischen Universität Darmstadt (lfW)
www.tu-darmstadt.de/mpa-ifw
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. Christina Berger
 
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) für Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V..

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF