A145

Untersuchung des langzeitigen Werkstoffverhaltens bei bauteilrelevanten Belastungskombinationen aus niederzyklischen Zugschwell- und hochzyklischer Wechselverformung unter Berücksichtigung der Kerbwirkung


(A145 S 24/17/99)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2000 - 31. Dezember 2002

Die bei An- und Abfahrvorgängen durch Fliehkräfte auftretende hohe Zugschwellbelastung und die durch Schaufelschwingungen induzierte hochfrequente Biegewechselbeanspruchung sind die maßgeblichen mechanischen Beanspruchungen an Laufschaufeln von Gasturbinen (hintere Stufe) und Dampfturbinen (Niederdruckstufe). Aufgrund der Schaufellänge trifft dies in besonderem Maß im Niederdruckbereich zu. Bei dieser Belastungskombination treten im Schaufelfuß die höchsten Spannungen bzw. Spannungsgradienten auf.

Zur Simulation dieser Betriebsbedingungen wurde im Rahmen des Projektes eine bauteil-ähnliche Probe (T-Probe) entworfen, mit der die Spannungsverhältnisse im Schaufelfuß ab-gebildet werden können. Für die Versuche an diesen T-Proben bei der relevanten kombinierten LCF-Zugschwell und HCF-Biegewechselbeanspruchung wurde eine den besonderen Anforderungen angepasste Versuchseinrichtung konzipiert.

Es wurde wird der in Dampfturbinen eingesetzte Werkstoff X10CrNiMoV12-2-2 bei Raum-temperatur und als Vertreter von Gasturbinenwerkstoffen die Nickelbasislegierung Rene 80 bei 400°C untersucht. In einem umfangreichen Versuchsprogramm wurden außer den Belastungsgrößen Zugschwell- und Biegewechselbelastung noch der Einfluss der Haltezeit, der Oberflächenverfestigung durch Kugelstrahlen für beide Werkstoffe und für den 12% Cr-Stahl der Einfluss der Formzahl und das Schleudern auf das Ermüdungs- und Anrissverhalten un-tersucht.

Bei beiden Werkstoffen führt die kombinierte Zugschwell- und Biegewechselbeanspruchung gegenüber der Biegewechselbeanspruchung bei konstanter Zugbelastung, insbesondere bei kleinen Biegeamplituden, zu einer erheblichen Reduzierung der Lebensdauer. Die Ver-suchsergebnisse mit einer zusätzlichen Haltezeit von 2 bis 3 Minuten bei einer hohen Zugschwellbeanspruchung zeigen keinen signifikanten Unterschied zu den Versuchen ohne Haltezeit. Es ist zu erwarten, dass bei Verlängerung der Haltezeit eine vergleichbare Lebens-dauer wie bei der konstanten Zugbelastung erreicht werden kann.

Das Kugelstrahlen bewirkt eine Erhöhung der ertragbaren Biegespannungsamplitude beim X10CrNiMoV12-2-2 um 20% und beim Rene 80 bei kleinen Amplituden bis zu 30%. Bei den mit einer einmaligen Zugbelastung beaufschlagten Proben des 12% Cr-Stahls (Simulation des Schleuderns) sind wie beim Kugelstrahlen vergleichbare Anrisslastspielzahlen zu erzie-len. Der positive Effekt durch die Plastifizierung im Kerbradius verliert sich allerdings mit zu-nehmender Biegeamplitude. Die Reduzierung der Zugschwellamplitude bzw. der Formzahl führt erwartungsgemäß zu einer Zunahme der Anrisslastspielzahl.

Begleitend zu den Versuchen an T-Proben wurden zur Charakterisierung der beiden Werkstoffe LCF- und HCF-Versuche an Rundproben durchgeführt. In dehnungskontrollierten Versuchen mit einem Dehnungsverhältnis von R å = -1 und R å = 0 wurde die zyklische Fließkurve, die Dehnungswöhlerlinie und das zyklische Festigkeitsverhalten der untersuchten Werk-stoffe ermittelt. Der Einfluss der Mitteldehnung bzw. der Mittelspannung wird durch den chädigungsparameter PSWT gut beschrieben. Die Ergebnisse der spannungskontrollierten Versuche bei verschiedenen Spannungsverhältnissen, die ebenfalls in das PSWT –Diagramm mit eingetragen sind, weisen dagegen eine größere Streuung auf.

Zur Simulation der Spannungs-Zeitverläufe im Kerbradius der T-Probe bei der kombinierten Zugschwell- und Biegewechselbeanspruchung wurden HCF/LCF-Versuche an Rundproben durchgeführt. Dazu wurde dem dreiecksförmigen Verlauf der Mittelspannung eine sinusför-mige Spannungsamplitude überlagert. Der Verlauf der maximalen Spannungen und Deh-nungen kann durch eine Hüllkurve in der Form einer Hystereseschleife beschrieben werden. Die überlagerte HCF-Beanspruchung führt zu einer zusätzlichen Schädigung (Reihenfolgeef-fekt), die mit den allgemein üblichen Konzepten, wie z.B. der Amplitudentransformation oder der Schadensakkumulationsrechnung nach Miner, nicht zu bewerten sind. Lediglich bei Hüll-kurvenspannungsamplituden unterhalb der zyklischen Streckgrenze der stabilisierten zyklischen Fließkurve konnte beim Werkstoff X10CrNiMoV12-2-2 eine näherungsweise Be-schreibung mit den üblichen Konzepten erfolgen. Bei gleicher Dehnungsamplitude ist die Schädigungswirkung jedes einzelnen HCF-Schwingspiels beim Durchlaufen der Hüllkurve deutlich größer als die Werkstoffschädigung einer Schwingung beim Einstufenversuch mit vergleichbarer Mittelspannung.

Auf Basis der ermittelten Ergebnisse der HCF/LCF-Versuche wird für die beiden unter-suchten Werkstoffe ein Schädigungsparameter PW in Anlehnung an die Dehnungswöhlerlinie vorgeschlagen, der diese überlagerte Wechselverformung beschreibt.

Zur Ermittlung der Spannungs- und Dehnungszustände im Kerbradius der T-Probe wurden elastische und inelastische FE-Rechnungen unter Verwendung der stabilisierten zyklischen Fließkurve durchgeführt. Unter Berücksichtigung des geometrischen Größeneinflusses durch die Stützzahl und des Randschichtfaktors für den Einfluss des Kugelstrahlens wurden die effektiv wirkenden Biegespannungs- und Dehnungsamplituden bzw. der Schädigungsparameter PSWT ermittelt.

Die Bewertung der Biegewechselversuche mit konstanter Zugbelastung erfolgte an Hand der PSWT –Schädigungslinie der HCF- und LCF-Versuchen an Rundproben. Bei beiden Werkstoffen ordnen sich die berechneten PSWT –Werte gut in das Gesamtbild der Basisversuche ein.

Das Versagensverhalten der bauteilähnlichen Probe bei der kombinierten Zugschwell- und Biegewechselbeanspruchung mit oder ohne Haltezeit konnte mit dem Schädigungsparameter PW, der bei den HCF/LCF-Versuchen an Rundproben erprobt wurde, beschrieben werden. Die Bewertung der kombinierten Versuche mit dem 12% Cr-Stahl, bei denen eine quasi linearelastische Hüllkurve vorliegt (die Spannungsamplitude der Hüllkurve ist kleiner als die zyklische Streckgrenze), erfolgt auf Basis der PSWT – Schädigungslinie und der Schadensak-kumulation nach der elementaren Form der Miner-Regel. Beim Rene 80 konnte bei dem geringen Stichprobenumfang kein Gültigkeitsbereich für den Schädigungsparameter PW definiert werden. Insgesamt gibt es eine gute Übereinstimmung mit den Basisversuchen. Die größten Abweichungen sind bei den Versuchspunkten zu beobachten, die die kleinsten Hystereseamplituden aufweisen.

Mit den beiden Schädigungsparametern PSWT und PW stehen Bewertungskonzepte zur Verfü-gung, mit denen die kombinierte Zug- bzw. Zugschwell- und Biegewechselbeanspruchung mit oder ohne Haltezeit beschrieben werden kann.

Forschungsstelle 1:

Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart (MPA) Otto-Graf-Institut
www.mpa.uni-stuttgart.de
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. habil. E. Roos

vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., (VDMA für FKM) , Frankfurt

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF