A127

Hochtemperaturrissverhalten der neuen 600 0C-Stähle für Wellen und Gehäuse von Dampfturbinen


(A127 S 24/08/97)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1998 – 31. Dezember 2001

Viele Komponenten des Kraftwerkbaus wie Wellen und Gehäuse von Dampfturbinen werden bei hohen Temperaturen von über 500 0C betrieben. Ihre Haltbarkeit hängt in vielen Fällen vom Werkstoffverhalten an konstruktiv nicht vermeidbaren Kerben, herstellungs- und funktionsbedingt nicht ausschließbaren rissartigen Fehlern oder anderen Ungänzen ab. Diese Stellen sind in der Regel durch erhöhte Spannungskonzentrationen geprägt. Infolge der hohen Betriebstemperaturen ist das Werkstoffverhalten zeit- und temperaturabhängig. Der Werkstoff wird im Kriechgebiet beansprucht, seine Festigkeit nimmt während Langzeitbelastung ab. Die Beanspruchungen der Komponenten sind im ungestörten Leistungsbetrieb primär statischer Art (Dampfdruck, Strömungs-, Flieh- und Gewichtskräfte, Leistungsmomente). Zusätzlich treten sekundäre zyklische bzw. schwellende Beanspruchungen auf. Bezogen auf die Lebensdauer eines Kraftwerkes sind diese Beanspruchungen in der Regel niederfrequenter Natur, der stationäre Betrieb wird abhängig von der Betriebsweise von Phasen mit Lastwechseln unterbrochen. Der Werkstoff unterliegt somit nicht nur den Gesetzen des reinen Kriechens bei statischer Beanspruchung, sondern denen einer Kriechermüdungsbeanspruchung als Kombination aus statischer und zyklischer Belastung.

Zur Absicherung der o.g. Spannungskonzentrationsstellen gegen Einleitung und Ausbreitung von Rissen werden zusätzlich zu den Auslegungsrechnungen auf Basis der temperatur- und zeitabhängigen Festigkeitskennwerte des Werkstoffes kriechbruchmechanische Methoden angewandt. Die Auslegung von Komponenten erfolgt meist gegen Kriechrisseinleitung. Die Beschreibung des Rissausbreitungsverhaltens, insbesondere der Risswachstumsgeschwindigkeit ist zur Abschätzung der Restlebensdauer und zur Festlegung von Serviceintervallen notwendig. Die kriechbruchmechanischen Langzeitdaten werden in der Regel mit Compact Tension (CT-) Proben der Größe CT20 und CT25 im Kriech- und Kriechermüdungsversuch ermittelt. Zur Überprüfung der Übertragbarkeit dieser Kleinprobenergebnisse auf Bauteile und in diesem Zusammenhang zur Untersuchung des Größen- und Geometrieeinflusses ist es derzeit noch erforderlich, Großproben zu prüfen.

Während das Risseinleitungs- und Risswachstumsverhalten an derzeit gebräuchlichen 1 und 12% Cr-Stählen bereits recht ausführlich in vorangegangenen Arbeiten untersucht wurde, liegen hinsichtlich der neuen 9-10% Cr-Stähle, insbesondere den verbesserten CrMoWVNbN-Stählen nur wenige Untersuchungen vor. Für diese Stähle besteht daher dringender Bedarf an der Bestimmung möglichst geometrieunabhängiger Bruchmechanikparameter zur Übertragung der Ergebnisse auf Bauteile. Dadurch wird eine wesentliche Sicherheitsgrundlage für Auslegung, Betrieb und Überwachung von Dampfturbinen aus diesen Stählen angestrebt. Zur Qualifizierung der 600 0C-Stähle werden die Ergebnisse mit denen der gebräuchlichen 1 und 12% Cr-Stähle verglichen.

Das vorliegende Vorhaben bildet mit anderen Projekten eine Einheit zur umfassenden Beschreibung und Charakterisierung der neuen 600 0C-Stähle für Wellen und Gehäuse, was die Grundlage für eine wirtschaftliche und sichere Auslegung bilden soll.

Ziel des Vorhabens war die Ermittlung und Beschreibung des Kriechriss- und Kriechermüdungsrissverhaltens zweier moderner 600 0C-Chrom-Hochleistungsstähle für Wellen und Gehäuse von Dampfturbinen. Hierzu wurden an je einem warmfesten Stahl der Typen X12CrMoWVNbN10-1-1 und GX12CrMoWVNbN10-1-1 aus praxisnaher Fertigung das Risseinleitungs- und Rissfortschrittsverhalten unter statischer und niederzyklischer Beanspruchung bei kennzeichnenden Temperaturen von 550 und 600 0C ermittelt. Die Untersuchungen wurden an Werkstoffen im Neuzustand und stichprobenartig auch nach langzeitiger Auslagerung durchgeführt, wobei die Beanspruchungen teilweise schon bei betriebsähnlichen niedrigen Beanspruchungen und praxisnahen Zyklen lagen, um praxisrelevante Aussagen zu erzielen. Die bei instationären Betriebsbedingungen auftretende Kriechermüdungsbeanspruchung wurde in Zugschwellversuchen unter Variation der Haltezeit und damit der Frequenz bei Versuchsdauern von ausreichender Langzeitigkeit untersucht. Im Hinblick auf einen möglichen Einfluss der Probenform wurden die Versuche nicht nur an Bruchmechanikproben des Typs CT, sondern auch an solchen des Typs DENT durchgeführt. Zusätzlich wurde ein möglicher Größeneinfluss durch Experimente an Kleinproben und an Großproben mit betrachtet. Weiterhin wurde ein möglicher Einfluss der Schärfe der Rissstartkerbe an Cs-Proben mit angeschwungenen und erodierten Rissstartkerben hinterfragt.

Die Kriechriss- und Kriechermüdungsrisseinleitungsdauer sowie Kriechriss- und Kriechermüdungsrissgeschwindigkeit lassen sich alternativ mit dem elastischen Parameter KI und dem inelastischen Parameter C* beschreiben, wobei der Parameter C* auf Grund der ermittelten Übergangszeiten zu bevorzugen ist. Weiterhin wurden die Kriech- und Kriechermüdungsrissergebnisse hinsichtlich ihrer Gültigkeit mit den üblichen und einem modifizierten Rissspitzenaufweitungskriterium für DENT-Proben überprüft. Die Kriechrisseinleitung wurde für eine proportionale und eine konstante Anrisslänge beschrieben. Neben dem Parameter C* wurde zur Beschreibung der Kriechrissleitung auch das auf den Parameter KI und die Nennspannung im Ligament bezogene Zweikriterienverfahren angewendet. Die Kriechermüdungsrisseinleitung lässt sich mit einem modifizierten Zweikriterienverfahren beschreiben. Der Rissfortschritt unter Ermüdungs- und Kriechermüdungsbeanspruchung wurde mit dem Parameter ?KI unter Berücksichtigung der Haltezeiten bzw. der Beanspruchungsfrequenzen beschrieben.

Für eine Risseinleitung im untersuchten Kriech- und Kriechermüdungsbereich wurde eine Größenabhängigkeit festgestellt, welche im Langzeitbereich vermutlich verloren geht. Eine von der Probengröße abhängiges Rissfortschrittsverhalten wurde nicht festgestellt. Ebenso konnte ein Einfluss der unterschiedlich hergestellten Rissstartkerben für die hier untersuchten Werkstoffe nicht festgestellt werden. Wird der Kriechermüdungsrissfortschritt über eine Akkumulation aus Ermüdungsanteilen in Abhängigkeit vom Parameter ?KI und Kriechrissanteilen in Abhängigkeit vom Parameter C* ermittelt, werden hinreichend gute Übereinstimmungen zwischen Mess- und Berechnungswerten erzielt, wenn zusätzlich die Kriechrisseinleitungsdauer in Abhängigkeit von C* berücksichtigt wird.

Der im Vorhaben stichprobenartig mit untersuchte Einfluss einer langzeitigen Auslagerung auf das Risseinleitungs- und Rissfortschrittsverhalten unter Kriech- bzw. Kriechermüdungsbeanspruchung ergab auf Grund der hohen Belastungen und damit kurzen Versuchsdauern bei der Risseinleitung tendenziell kürzere Anrissdauern, während sich für den Rissfortschritt kein signifikanter Unterschied zeigte.

Forschungsstelle 1:
Institut für Werkstoffkunde der Technischen Universität Darmstadt (lfW)
www.tu-darmstadt.de/mpa-ifw
 
Forschungsleiter 1:

Frau Prof. Dr.-Ing. C. Berger

Forschungsstelle 2:
Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart (MPA) Otto-Graf-Institut
www.mpa.uni-stuttgart.de
 
Forschungsleiter 2:
Prof. Dr.-Ing. K. Kußmaul
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. - VDMA für FKM)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF