A123

Verhalten warmfester Stähle bei regelloser Zeitstandbeanspruchung


(A123 S24/05/97)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1998 – 31. Dezember 2000

Die Eigenschaften der in der Hochtemperatur- und Verfahrenstechnik verwendeten Werkstoffe sind für deren Wirtschaftlichkeit und Betriebssicherheit von entscheidender Bedeutung. So hängt die Wirtschaftlichkeit in besonderem Maße vom erreichten Wirkungsgrad und der Verfügbarkeit der Maschinen und Anlagen ab. Von besonderem Interesse für die Forschung ist daher nicht allein der Werkstoff, sondern sein spezifisches Verhalten unter veränderten Leistungsanforderungen infolge von An- und Abfahrvorgängen solcher Anlagen und den damit einhergehenden Temperaturen bzw. mechanischen Dehnungen oder Spannungen. In Verbindung mit einer fortlaufenden Erfassung dieser Beanspruchungsgrößen lässt sich mit den Erkenntnissen über das Werkstoffverhalten unter statischer und veränderlicher Beanspruchung der Lebensdauerverbrauch möglichst genau abschätzen.

Ziel der vorliegenden Arbeit war die Beschreibung des allgemeinen Falls veränderlicher Zeitstandbeanspruchung, nämlich der komplexen regellosen Zeitstandbeanspruchung von warmfesten Stählen der Kraftwerkstechnik und des Anlagenbaus.

Die vorliegende Arbeit ordnet sich in vorangegangene Forschungsarbeiten zur Beschreibung des veränderlichen Zeitdehn- und Zeitstandverhalten ein, die einen wesentlichen Beitrag zur Auslegung und Gewährleistung der Zuverlässigkeit von Bauteilen liefern. Zunächst wurde der reale Beanspruchungsverlauf durch einstufige, später durch mehrstufige Änderungen von Spannung und Temperatur angenähert. Durch die Entwicklung eines phänomenologischen Konzepts, dem Faktorenkonzept der modifizierten Lebensdaueranteilregel, zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens unter veränderlicher Beanspruchung wurde mit fortschreitendem Kenntnisstand schließlich versucht, Methoden zur Lebensdauervorhersage zu entwickeln, die direkt auf die betriebliche Beanspruchungsparameter angewendet werden können.

Die zur Entwicklung dieser Methoden erforderlichen experimentellen Untersuchungen wurden im Rahmen dieser Arbeit um acht warmfeste Stähle ergänzt und damit vervollständigt. Die wichtigste Voraussetzung für die Anwendung der modifizierten Lebensdaueranteilregel ist die Kenntnis der werkstoff- und beanspruchungsspezifischen relativen Lebensdauer. Im Falle der einstufig veränderlichen Zeitstandbeanspruchung erfolgt deren Bestimmung mithilfe des Faktorenkonzepts. Für den in dieser Arbeit neu zu berücksichtigenden Rohrleitungsstahl X10CrMoVNb9-1 war eine solche Beschreibung bisher nicht verfügbar, so dass diese nach Durchführung und Auswertung von zyklischen Einstufenversuchen vorgenommen werden konnte. Für den Stahl X3CrNiMo17-13 wurde die bestehende Beschreibung anhand von ergänzenden Versuchen modifiziert. Beide Untersuchungen führten zu einem statistisch besser abgesicherten Faktorenkonzept der modifizierten Lebensdaueranteilregel.
Die beiden vorgenannten Stähle, sowie der Wellenstahl X12CrNiMoWVNbN10-1-1 und der Gusswerkstoff G17CrMoV5-11 wurden darüber hinaus noch auf ihr Verhalten unter mehrstufiger Zeitstandbeanspruchung mit drei unterschiedlichen vierstufigen Zyklusformen untersucht. Es zeigte sich, dass die bisher nur an den Stählen 10CrMo9-10, 28CrMoNi4-9, X21CrMoV12-1 und X6CrNiMo17-13 verifizierte Schritthypothese des Faktorenkonzepts auch für die neu untersuchten Stähle zur Beschreibung des Zeitstandverhalten unter mehrstufiger Beanspruchung anwendbar ist.
Die Zerlegung von regellosen Zeitstandbeanspruchungsverläufen, wie sie aus Betriebsaufzeichnungen vorliegen, führt zu Teilfolgen, die zum größten Teil mit den bekannten Methoden beschrieben werden können. Aus ergänzenden experimentellen Untersuchungen zur Behandlung von gelegentlich auftretenden Phasen von Druckbeanspruchung ließen sich schließlich Druckfaktoren ableiten, mit denen sich der gesamte Bereich, der im Rahmen von regelloser Zeitstandbeanspruchung auftretenden Druckphase, mit der modifizierten Lebensdaueranteilregel behandeln lässt.

Zur Erweiterung der vorliegenden Erkenntnisse auf regellose Zeitstandbeanspruchung wurde die verallgemeinerte Schadensakkumulationshypothese als Überlagerung von modifizierter Lebensdaueranteilregel zur Beschreibung der überwiegend auftretenden Zeitstandschädigung und der Miner-Regel zur Berücksichtigung von Ermüdigungsschädigung eingeführt. Für die praktische Umsetzung dieser Hypothese und deren erarbeiteten Erkenntnisse zum regellosen Zeitstandverhalten wurde ein Lebensdauerzählprogramm LARA S entwickelt, mit dem sich die Lebensdauer für beliebig vorgebbare Beanspruchungsverläufe mit sich fortlaufend ändernden Beanspruchungen wie Spannungen und Temperaturen vorhersagen lässt. Zur Verifikation dieses Programms wurden dehnungsgeregelte regellose Zeitstandversuche mit gleitender Temperatur an den drei Stählen X21CrMoV12-1, 28CrMoNiV4-9 und X12CrMoWVNbN10-1-1 mit Versuchsdauern die Spannungen bis rd. 5400 h durchgeführt. Die zu Ende gelegten Beanspruchungsverläufe wurden aus Betriebsaufzeichungen abgeleitet wobei zur Erzielung prüfbarer Versuchsdauern werkstoffabhängige Faktoren und die Temperatur um einen Festwert erhöht wurden.

Aus dem direkten Vergleich von Experiment und Vorhersageergebnis lässt sich anhand der untersuchten drei Stähle die Anwendbarkeit des Lebensdauerzählerprogramms LARA S und der zugrunde gelegten verallgemeinerten Schadenakkumulationshypothese erkennen. Eine weitere Absicherung in Bezug auf andere Stähle mit anderen typischen Beanspruchungsverläufen ist eine wichtige zukünftige Aufgabe. Die getrennte Bewertung von Zeitstand- und Ermüdungsschadensanteilen ergab, dass letztere unter 20% blieben, also der Einfluss der Zeitstandschädigung dominiert. Von zukünftigem Interesse wird sein, ob die Konzepte zur Behandlung von regelloser Zeitstandbeanspruchung mit LARA S und langzeitiger Kriechermüdungsbeanspruchung mit SARA zu ähnlichen Vorhersageergebnissen führen. In diesem Fall wäre ein kontinuierlicher Übergang in der Beschreibung für beide Beanspruchungsfälle gegeben.

Forschungsstelle 1:
Institut für Werkstoffkunde der Technischen Universität Darmstadt (lfW)
www.tu-darmstadt.de/mpa-ifw
 
Forschungsleiter 1:

Frau Prof. Dr.-Ing. C. Berger
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. – VDMA für FKM)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF