A091

Beschreibung des Festigkeitsverhaltens von Komponenten im Kriechbereich unter An- und Abfahrbedingungen


(A091 S 24/20/94)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. April 1994 – 31. Dezember 1998

Die Belastung von Komponenten des allgemeinen Maschinen- und Anlagenbaus sowie des Kraftwerkbaus, die im Hochtemperaturbereich eingesetzt werden, kann charakterisiert werden durch eine Kombination der stationären betrieblichen Beanspruchung mit einer begrenzten Anzahl von An- und Abfahrbedingungen. Bei An- und Abfahrten - und im verminderten Maße auch während Leistungsänderungen - wird der durch die statische Belastung geprägte Spannungs- und Dehnungszustand im Bauteil einer zusätzlichen Änderung unterworfen, die durch Lastabfall bzw. Lastanstieg (Lastumkehr) und erneuter verstärkter Spannungs- bzw. Dehnungsumlagerung gekennzeichnet ist.

Die für rein statische Kriechbeanspruchung entwickelten Festigkeitshypothesen und die damit verbundenen Stoffgesetze berücksichtigen den Einfluß der Mehrachsigkeit auf das Versagensverhalten durch eine Kombination z.B. der v. Mises Hypothese mit einem Term, der die maximale Hauptspannung berücksichtigt. In den Stoffgesetzen werden die zeitabhängigen wahren Spannungen, die sich aus der geometrischen Formänderung bzw. Erhöhung der wahren Spannung infolge Kriechschädigung ergeben, berücksichtigt. Problematisch wird die Anwendung dieser Hypothesen, wenn die erwähnten Laständerungen die stetige Spannungsumverteilung nach einmaliger Lastaufbringung unterbrechen und damit zu erneuter Spannungsumverteilung und dadurch wegen der damit verbundenen Erhöhung der Beanspruchung, der Erhöhung der plastischen Mitteldehnung bzw. der veränderten Mehrachsigkeitsverhältnisse zu einem früheren Versagen führen können.

Um den sicheren und wirtschaftlichen Betrieb dieser Komponenten zu gewährleisten, sind Kenntnisse über die Auswirkungen der durch An- und Abfahrten ausgelösten zeitlich veränderten Mehrachsigkeitsverhältnisse auf das Verformungs- und Versagensverhalten von Bauteilen bzw. die Akkumulation von Verformungsinkrementen (Ratcheting) notwendig.

Die Zielsetzung des Vorhabens orientiert sich an der Praxisbeanspruchung von Komponenten des allgemeinen Maschinen- bzw. Anlagenbaus sowie des Kraftwerkbaus, die im Hochtemperaturbereich betrieben werden und einer vorwiegend statischen Beanspruchung mit einer vorgegebenen Anzahl von An- und Abfahrten ausgesetzt sind, so daß der hieraus resultierende Ermüdungsanteil keinen dominierenden Schädigungsmechanismus bildet. Die durch die An- und Abfahrten hervorgerufenen Auswirkungen auf die langzeitige Entwicklung des mehrachsigen Spannungs- und Dehungszustandes sollten deshalb experimentell ermittelt werden. Daneben sollte auf der Basis einachsig ermittelter Werkstoffdaten eine numerische Beschreibung entwickelt und angewandt werden, die die Möglichkeiten komplexer Stoffgesetze in Verbindung mit der Finite-Elemente-Methode nutzt.

Neben der Durchführung von LCF-Versuchen zur Ermittlung von Basiseigenschaften des Werkstoffes lag der Schwerpunkt der experimentellen Untersuchungen in der Durchführung von zyklischen Zeitstandsversuchen an Hohlzylinderproben. Ein aus dem praktischen Betrieb abgeleiteter Belastungszyklus wurde für die Versuche zugrundegelegt. Als Versuchswerkstoff wurde der schon im Vorhaben "Festigkeitshypothesen im Kriechgebiet" untersuchte bainitische Schmiedestahl 30 CrMoNiV 5 11 bei seiner oberen Anwendungstemperatur von 550o C herangezogen, für den umfangreiche Ergebnisse aus langzeitigen ein- und mehrachsigen Zeitstandversuchen vorliegen.

Finite-Elemente-Berechnungen wurden an ausgewählten Proben für jede Belastungsart durchgeführt. Ziel der FE-Berechnungen war es, die Vorgänge der Spannungsumlagerung bei Lastumkehr zu simulieren und ihre Auswirkungen auf das Spannungsniveau während der anschließenden Phase statischer Beanspruchung zu ermitteln. Zur Durchführung der theoretischen Untersuchungen wurde das FE-Programm ABAQUS verwendet. Zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens unter Kriechermüdungsbeanspruchung wurde das viskoplastische Modell nach Chaboche-Nouailhas herangezogen, das als User Subroutine UMAT in die FE-Rechnung implementiert wurde. Damit kann sowohl zeitabhängiges, viskoses Werkstoffverhalten (Kriechen, Relaxation) wie auch zeitunabhängiges Werkstoffverhalten (Plastizität, zyklische Ver- und Entfestigung) mit einem einheitlichen Modell beschrieben werden. Die Parameter für das Werkstoffmodell wurden an den 1 % CrMoV-Werkstoff angepaßt. Als Anpassungsdaten werden zur Verfügung stehende Werkstoffdaten aus Warmzug-, LCF- (mit und ohne Haltezeit), Zeitstand- und Relaxationsversuchen herangezogen. Um neben der zeitlichen Spannungs- und Dehnungsentwicklung auch das zeitliche Schädigungsverhalten beschreiben zu können, wurde ein einfaches Schädigungsmodell in Form einer modifizierten Festigkeitshypothese implementiert.

Hinsichtlich der Entwicklung der Dehnungen zeigten die Versuche, daß sich in Abhängigkeit von der Beanspruchungshöhe nach jedem Lastwechsel eine stärkere Dehnungszusage und damit insgesamt ein stärkerer Dehnungszuwachs als beim reinen Kriechversuch ergibt. Die Versuche mit hoher Wechselbelastung zeigten ein ausgeprägtes Ratchetingverhalten.

Das Werkstoff-Modell wurde mittels Nachrechnung einachsiger Versuche validiert und mit einer zusätzlich die Normalspannung berücksichtigenden Festigkeitshypothese modifiziert. Es konnte gezeigt werden, daß damit die Beschreibung zyklischer Plastizität  und Kriechen sowie deren Wechselwirkung  möglich ist und die Modellparameter auf der Basis von einachsigen Versuchen angepaßt werden können. Überwiegend befriedigende Übereinstimmungen zwischen Rechnung und Experiment zeigen sich bei Vergleichsdehnungen und den Dehnungen in Hauptbeanspruchungsrichtungen. Das ausgeprägte Ratcheting-Verhalten wird durch das Modell nicht befriedigend beschrieben.  Durch die Modifikation der Festigkeitshypothese konnte eine Verbesserung der Beschreibung erzielt werden.

Forschungsstelle 1:
Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart (MPA) Otto-Graf-Institut
www.mpa.uni-stuttgart.de
 
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. habil. E. Roos
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. – VDMA für FKM)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF