A140

Ermüdungsbeanspruchung geschraubter Ringflanschverbindungen bei Windenergieanlagen


(A140 S 24/15/99)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2000 – 31. Dezember 2001

Ringflanschverbindungen stellen die vorherrschende Verbindung beim Bau stählerner Türme von Windenergieanlagen dar. Bis heute ist die Ermittlung der Schraubenbeanspruchung in Abhängigkeit von der äußeren Belastung umstritten, so daß eine Unsicherheit beim Nachweis der Betriebsfestigkeit entsteht.

Windenergieanlagen werden durch horizontale Windlasten beansprucht. Der größte Belastungsanteil resultiert dabei aus der Anströmung des Rotors; für die statische Berechnung werden resultierende Schnittgrößen – Kräfte Fx, Fy und Fz sowie Biegemomente Mx, My und Mz  am Turmkopf wirkend angesetzt. Die Größe dieser Schnittgrößen wird durch spezielle Simulationsprogramme ermittelt, die das Anlagenverhalten im Zeitbereich berechnen. Neben den dynamischen Eigenschaften der Systemteile werden auch die aerodymisch veränderlichen Luftkräfte und – dämpfungen, das Verhalten der Steuerung, der Einfluß des Generators, usw. berücksichtigt. Ergebnis der Simulationsrechnungen sind ein- oder mehrdimensionale Lastkollektive, in denen die Häufigkeiten der auftretenden Belastungen während der Lebensdauer der Anlage aufgetragen sind. Zusätzlich wirkt die Windlast auf den Turm, so daß sich als statisches System ein Kragarm mit Einzelkräften und momenten am Turmkopf und einer veränderlichen Streckenlast über die Turmhöhe ergibt.

Wegen der großen Turmhöhen sind die maßgeblichen Schnittgrößen die Biegemomente in Windrichtung und, wegen der geringen Dämpfung des Systems, oftmals auch in Lateralrichtung. Die weiteren Schnittgrößen Normalkraft, Querkräfte und Torsionsmoment sind üblicherweise von untergeordneter Größenordnung und lediglich am Turmkopf relevant, da dort die Biegemomente klein sind. Aus dem resultierenden Biegemoment entstehen in der Turmschale gezogene und gedrückte Bereiche. Im Bereich der größten Druckspannungen sind die Stabilitätsnachweise für die Schale zu führen. Für die Ringflanschverbindungen ist dieser Bereich verhältnismäßig unkritisch, da die Spannung hier hauptsächlich über Druckkontakt übertragen wird und die Verbindung an sich kaum beansprucht wird. Im gezogenen Bereich ist hingegen eine genauere Betrachtung erforderlich.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden geschraubte Ringflanschverbindungen von Windenergieanlagen (WEA) experimentell und numerisch untersucht. Ziel der Untersuchungen war es, Grundlagen für eine sichere und wirtschaftliche Bemessung dieser Details unter der hohen Ermüdungsbeanspruchung in WEA zu schaffen.

Im experimentellen Teil wurden Labor- und Feldversuche durchgeführt. Die dazu entwickelte Meßmethodik mit drei DMS-Vollbrücken für die Ermittlung der Längsdehungen und einer DMS-Vollbrücke für die Ermittlung der Torsionsdehnungen hat sich im Labor- und Feldversuch sehr gut bewährt. Als Vorteile besonders hervorzuheben sind neben der Temperaturkompensation durch die Vollbrückenschaltung die vielfältigen Kontrollmöglichkeiten, die sich z.B. über die Ermittlung der Biegeebene und die Ermittlung von Reibbeiwerten aus der Torsion im Schraubenschaft ergeben. Für die Feldmessungen wurde zur Verringerung der aufgezeichneten Meßdatenmengen eine spezielle Steuerung der Meßrate vorgenommen.

Mit Hilfe der Laborversuche wurde ein FE-Modell eines Flanschsegmentes kalibriert, mit dem eine größere Anzahl von Berechnungen durchgeführt wurde. Daraus abgeleitet wurde eine Empfehlung für die Wahl des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Schraubenbeanspruchung, die Grundlage für den Ermüdungsfestigkeitsnachweis ist.

Die zur Führung des Ermüdungsfestigkeitsnachweises erforderliche Einstufung in eine Kerbgruppe wurde anhand einer statistischen Auswertung von Versuchsergebnissen aus der Literatur überprüft. Wie sich anhand zweier Auswertungen gezeigt hat, ist die zentrisch zugbeanspruchte Schraube in Kerbgruppe 50 nach Eurocode 3 einzuordnen. Für die infolge Normalkraft- und Biegespannungen kombiniert beanspruchte Schraube wurde ein Konzept für den Ermüdungsfestigkeitsnachweis vorgeschlagen, das gegenüber dem Nachweis mit der größten Randspannungsamplitude gegen Kerbgruppe 50 nach Eurocode 3 etwas günstigere Ergebnisse liefert.

Der Verlust an Vorspannkraft, der infolge Setzung der im Kraftfluß liegenden Kontaktfugen eintritt, wurde anhand der Feldversuche sowie ergänzender Laborversuche untersucht. Die ermittelten Setzbeträge wurden differenziert nach unbeschichteten und beschichteten Flanschen angegeben, wobei sich die Gültigkeit auf das untersuchte Beschichtungssystem beschränkt. In ergänzenden Studien wurde der Einfluß einer dynamischen Beanspruchung als untergeordnet für die Höhe der Setzverluste ermittelt sowie der erneute Setzverlust nach dem Nachspannen angegeben.

Durch die Feldversuche wurde analysiert, inwieweit sich Unterschiede zur Ermittlung der Beanspruchung im Laborversuch am (nahezu) perfekten Bauteilausschnitt ergeben. Durch zwei Meßkampagnen an unterschiedlichen Türmen wurde gezeigt, daß die Übereinstimmung bei relativ imperfektionsfreiem System ausreichend ist, sich bei Vorhandensein größerer Abweichungen in der Paßgenauigkeit aber sehr große Abweichungen von der Berechnung am perfekten System ergeben.

Die angewendeten numerischen Verfahren beschränken sich überwiegend auf das aus dem Gesamtsystem herausgeschnittene Segment bzw. das imperfektionsfrei ausgeführte Gesamtsystem. Im Hinblick auf zulässige Abweichungen von der Sollgeometrie steht bislang die Bewertung baupraktisch unvermeidlicher Imperfektionen noch aus. Hier ist durch zukünftige Forschungsarbeiten eine Angabe von zulässigen Werten wünschenswert, wobei nach verschiedenen Imperfektionsformen (z.B. Winkelklaffung oder Welligkeit) unterschieden werden muß. Ggf. kann für das Berechnungsverfahren von SEIDEL ein Ersatzimperfektionswinkel angegeben werden, mit dem die zulässigen Abweichungen abgedeckt werden. Zusätzlich sollte der Einfluß elastischer Dichtmassen, die ebenfalls eine Änderung des Tragverhaltens bewirken können, eingehender untersucht werden.

Zur Bewertung der Ermüdungsfestigkeit biegebeanspruchter Schrauben ist die Einordnung in eine Kerbfallklasse erforderlich. Durch Dauerschwingversuche an kombiniert beanspruchten Schrauben ist zudem die vorgeschlagene Interpolation zwischen Ermüdungsfestigkeitskurven für Normalkraft- und Biegebeanspruchung zu überprüfen und ggf. zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Schrauben großer Durchmesser (ab M30), für die bislang kaum Versuchsergebnisse vorliegen.

Im Bezug auf die vorhandene Vorspannkraft sind systematische Untersuchungen zur Höhe der unter realen Bedingungen eingebrachten Vorspannkraft wünschenswert, da im Feldversuch sehr niedrige Vorspannungen festgestellt wurden.

Forschungsstelle 1:
Institut für Stahlbau der Leibniz-Universität Hannover (ISB)
www.stahlbau.uni-hannover.de
 
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. Peter Schramm / Dr.-Ing. Seide
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. - VDMA für FKM)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF