A134

Einfluss des Anlassens auf Bauteil- und Bearbeitungseigenschaften einsatzgehärteter Bauteile


(A134 S 24/05/98)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1999 - 31. März 2001

Einsatzgehärtete Bauteile werden in der Regel angelassen, um die Duktilität des Randgefüges, die Zähigkeit des Bauteils, die Maßstabilität und die Schleifbarkeit zu verbessern, obwohl die Schwing- und Wälzfestigkeit und der Widerstand gegen abrasiven Verschleißangriff durch Anlassen verringert werden. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, unter welchen Beanspruchungsbedingungen nicht angelassene einsatzgehärtete Gefüge verwendet werden können und inwieweit der klassische Ablauf mit Härten und Anlassen durch Abschrecken im Warmbad ersetzt werden kann. Der Untersuchungsumfang umfasste die Einsatzstähle 16MnCr5 und 17CrNiMo6, die 0,5mm und 1,0mm tief auf Randkohlenstoffgehalte von 0,65-0,75% aufgekohlt und in Öl mit 60 0C oder im Warmbad mit 160 0C abgeschreckt wurden. Schwerpunkt der Werkstoffprüfung waren Umlaufbiegeversuche mit gekerbten Proben bis zu einer Grenzschwingspielzahl von 107 sowie Biege- und Kerbschlagbiegeversuche. Weiterhin wurden der Einfluss des Anlassens gehärteter und im Warmbad abgeschreckter Gefüge auf das Maßänderungsverhalten und in einem begrenzten Umfang die Schleifbarkeit untersucht.

Werkstoffauswahl und Wärmebehandlung ergaben kennzeichnende, der industriellen Anwendung entsprechende Gefüge, alle daran ermittelten Eigenschaften sind damit repräsentativ und können grundsätzlich auf Bauteile übertragen werden; bei quantitativer Übertragung muss der Größeneinfluss berücksichtigt werden. Die höhere Härtbarkeit des Stahls 17CrNiMo6 hat die Härtewerte nur bei der Oberflächenhärte der im Warmbad abgeschreckten Gefüge beeinflusst, ansonsten sind die gehärteten und die im Warmbad abgeschreckten Gefüge gleichwertig. Anlassen vermindert zwangsläufig die Oberflächenhärte und verschiebt die Härteverlaufskurven zu niedrigeren Härtewerten.

Die Duktilität wurde durch die Biegeanrissspannungen aus dem quasistatischen Biegeversuch beschrieben. Die Ergebnisse sind bei beiden Werkstoffen vergleichbar. Anlassen verbessert die Duktilität des einsatzgehärteten Randgefüges, die Wirkung des Anlassens und die absolute Größe der Biegeanrissspannungen sind bei dem höherlegierten Stahl 17 CrNiMo6 erwartungsgemäß größer. Die Werte der Biegeanrissspannungen der gehärteten und der im Warmbad abgeschreckten Gefüge sind etwa gleich groß, d.h. die Wärmebehandlung im Warmbad verbessert die Duktilität der einsatzgehärteten Gefüge nicht. Die Biegeanrissspannungen als Eigenschaft des Randgefüges ist von der Einsatz- härtungstiefe unanhängig.

Die Zähigkeit des Verbunds aus hartem Randgefüge und weicherem Kerngefüge wurde mit der verbrauchten Schlagarbeit aus dem Kerbschlagbiegeversuch bei Raumtemperatur ermittelt. Anlassen verbessert Zähigkeit der einsatzgehärteten Gefüge, die Wirkung ist beim Stahl 16MnCr5 größer, allerdings bei absolut kleineren Werten. Zunehmende Einsatz-härtungstiefen ergeben kleinere Werte der Schlagarbeit. Die Abschreckung im Warmbad verbessert die Zähigkeit gegenüber den gehärteten Gefügen nicht.

Die Schwingfestigkeit wurde in Umlaufbiegeversuchen mit gekerbten Proben ermittelt: 7 Lastspannungen wurden mit jeweils 7 Proben belegt, die Grenzschwingspielzahl war 5x107. Die Bruchwahrscheinlichkeiten wurden nach dem arcsin ?P-Verfahren berechnet. Das Zeitfestigkeitsverhalten kann eindeutig beurteilt werden, beim Dauerfestigkeitsverhalten sind eindeutige Linien mit jeweils singulären Ausnahmen zu erkennen. Das Zeitfestigkeits-verhalten der angelassenen Gefüge ist bei beiden Werkstoffen gravierend schlechter als das praktisch gleiche Zeitfestigkeitsverhalten der gehärteten und der im Warmbad abgeschreckten Gefüge. Die im Warmbad abgeschreckten Gefüge haben die besten Dauerfestigkeitswerte, ausgenommen die P=95%-Werte des 0,5mm tief einsatzgehärteten Stahls 17 CrNiMo6. Der Stahl 17CrNiMo6 hat insgesamt höhere Dauerfestigkeitswerte als der Stahl 16MnCr5 zudem ist der Streubereich der Ergebnisse beim Stahl 17CrNiMo6 kleiner. Die Einsatzhärtungstiefe beeinflusst das Dauerfestigkeitsverhalten nachrangig, da die auf den Querschnitt bezogenen Einsatzhärtungstiefen mit 15% und 30% im optimalen Bereich liegen. Die angelassenen Gefüge haben bei einer Grenzschwingspielzahl von 107 bereits einen stabilen Zustand erreicht, während bei den gehärteten und den im Warmbad abgeschreckten Gefügen zwischen der (hier willkürlich angenommenen) Grenzschwingspielzahl 107 und der in den Untersuchungen verwendeten Grenzschwingspielzahl 5x107 noch Proben brechen und die tatsächlichen, auf 5x107 bezogenen Dauerfestigkeitswerte um bis zu 100 N/mm2 verringert werden.

Zur Untersuchung des Einflusses des Anlassens auf die Maßstabilität wurde eine spezielle Probe verwendet, mit der Maß- und Formänderungen verfolgt werden konnten. Aus den Ergebnissen kann abgeleitet werden, dass hinsichtlich des Maßänderungsverhaltens beim Stahl 16MnCr5 im Warmbad abgeschreckte Gefüge am stabilsten sind, während beim Stahl 17CrNiMo6 die gehärteten Gefüge stabiler sind.

Der Einfluss des Anlassens auf das Schleifverhalten wurde beim 1.0mm tief einsatzgehärteten Stahl 17CrNiMo6 anhand eines technologischen Ansatzes abgeschätzt, bei dem Härteänderungen im wärmebeaufschlagten Gefüge als Kriterium für die Schleifbarkeit verwendet wurden. Die Ergebnisse bestätigen den Kenntnisstand, dass bei gleichen Schleifbedingungen (und harten Gefügezuständen) angelassene Gefüge besser schleifbar sind als gehärtete Gefüge. Im Warmbad abgeschreckte Gefüge sind tendenziell besser schleifbar als gehärtete Gefüge, was den höheren Härtewerten der gehärteten Gefüge entspricht. Der Versuchsansatz ist für eine übertragbare Aussage jedoch zu schmal.

Das Schwingfestigkeitsverhalten der im Warmbad abgeschreckten und der gehärteten Gefüge ist in dieser Reihung besser als das Schwingfestigkeitsverhalten angelassener Gefüge, die wiederum bessere Duktilitäts- und Zähigkeitseigenschaften haben. Die Unterschiede zwischen gehärteten und im Warmbad abgeschreckten Gefügen sind dabei vergleichsweise gering. Nicht angelassene Gefüge oder – praktisch gleichwertig – im Warmbad abgeschreckte Gefüge sind angelassenen demnach vorzuziehen, wenn die Schwingfestigkeit im Vordergrund der Beanspruchungen steht und sichergestellt ist, dass die niedrigeren Werte der Duktilität und der Zähigkeit den Beanspruchungen genügen.

Forschungsstelle 1:
Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der Technischen Universität Berlin, Fachgebiet Werkstofftechnik (FGWT)
http://www.tu-berlin.de/fak_3/institut_fuer_werkstoffwissenschaften_und_-technologien/werkstofftechnik/menue/werkstofftechnik/
 
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing J. Grosch
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., Frankfurt (VDMA für FVA)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF