A 318 - Kurzfassung des Schlussberichts

Einsatz additiv gefertigter Schmiedegesenke mit konturangepasster Innenkühlung (SLM-Gesenke)

Zusammenfassung des Abschlussberichtes zum Forschungsprojekt "Einsatz additiv gefertigter Schmiedegesenke mit konturangepasster Innenkühlung (SLM-Gesenke)"
(Projekt A 318 / S0024/10263/20)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 01. Juli 2020 bis 31. März 2023

Das Gesenkschmieden zeichnet sich durch seine hohe Wirtschaftlichkeit in der Serienfertigung von Massivbauteilen aus. Die Werkzeugstandmenge ist dabei eine wirtschaftlich relevante Größe, die Rüst- und Maschinenstillstandzeiten signifikant beeinflusst und mit der die Effizienz der Prozesse bemessen wird. Bedingt durch die zyklisch auftretenden hohen Umformtemperaturen der Schmiederohteile von bis zu 1.250 °C und die hohen Umformkräfte wirkt auf das Schmiedewerkzeug ein komplexes Belastungskollektiv. Infolgedessen wird die Werkzeugrandzone thermisch entfestigt, wodurch Verschleiß begünstigt wird. Der Werkstückkontakt mit hoher Flächenpressung sorgt für einen erheblichen Wärmeeintrag in das Werkzeug, wodurch die Anlasstemperatur des Werkzeugwerkstoffes überschritten wird und die Fließspannung lokal in der Randschicht herabgesetzt wird. Eine herabgesetzte Härte sorgt grundsätzlich für reduzierten Widerstand gegen Abrasion. In Folge der mechanischen Beanspruchung und der Relativbewegung wird die Randschicht zusätzlich plastisch deformiert. Gerade in Kombination mit Rissbildung, welche durch die hohen thermischen Wechselbelastungen entstehen kann, wird die Randzone verdrängt und abgetragen.

Übergeordnetes Ziel des Forschungsprojektes war die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit von Prozessen der Warmmassivumformung, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schmiede-
industrie zu steigern. Insbesondere sollte das Verschleißverhalten von Schmiedegesenken verbessert werden. Die daraus resultierenden höheren Standmengen reduzieren die Werkzeugkosten, welche einen signifikanten Kostenfaktor darstellen. Neben den geringeren Material- und Fertigungskosten können auch Maschinenrüstzeiten durch eine verringerte Anzahl an Werkzeugwechseln verkürzt werden. Zusätzlich wurden neuartige Konzepte zur Erwärmung von Schmiedegesenken mit dem Ziel untersucht, die Werkzeuggrundtemperatur schneller zu erreichen und somit die Maschinenstillstandzeiten zu reduzieren. Zum Erreichen dieser Ziele sind additive Fertigungsverfahren notwendig, welche mit konventionellen Verfahren zur Werkzeugherstellung kombiniert werden. Daher wurde im Rahmen des Projektes auch ein Beitrag zur additiven Verarbeitung von Warmarbeitsstählen geleistet, wodurch für die herstellende und verarbeitende Stahlindustrie neue Absatzmärkte erschlossen werden können.

Zu Projektbeginn wurde ein Werkzeugkonzept entwickelt, mit dem eine innere Temperierung von Schmiedegesenken ermöglicht wird. Die konturangepassten inneren Werkzeugkanäle sind mit konventionellen Fertigungsverfahren nicht herstellbar, sodass das selektive Laserschmelzen (SLM) als additives Fertigungsverfahren ausgewählt wurde. Da das selektive Laserschmelzen mit hohen Kosten verbunden ist, wurde ein hybrides Werkzeugkonzept unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte entwickelt. Dementsprechend wurden lediglich die thermisch hochbeanspruchten Werkzeugbereiche mittels additiver Fertigungsverfahren hergestellt. Die Wirtschaftlichkeit von hybriden Schmiedegesenken wird zusätzlich durch den möglichen Austausch verschlissener Werkzeugkomponenten erhöht. Im nächsten Schritt wurden die inneren Kühlkanäle entwickelt und konstruiert. Anhand der CAD-Daten wurden numerische Belastungsanalysen auf Grundlage der Finite Elemente Methode (FEM) durchgeführt. Dadurch konnten geeignete Kanaldurchmesser, Abstände zur Oberfläche, Kanalformen und Rotationsachsenabstände ermittelt werden. Im Rahmen einer SLM-Prozessparameterstudie wurden würfelförmige Proben gefertigt und geeignete Parameter zur additiven Verarbeitung des Warmarbeitsstahls 1.2365 identifiziert. Zur Bewertung der Prozessparameter wurde die Dichte der würfelförmigen Proben ermittelt, wobei ein sehr geringer Porenanteil festgestellt wurde.

Anschließend wurden die Proben zertrennt und metallographisch präpariert, um eine Defektanalyse durchzuführen. Bei ungeeigneten SLM-Prozessparametern waren Risse erkennbar, die insbesondere durch eine erhöhte Vorwärmtemperatur des Pulverbettes reduziert werden konnten. Zusätzlich wurden verschiedene Wärmebehandlungen untersucht. Bei passenden Vergütungsparametern wurde eine vergleichbare Härte zu dem konventionell verarbeiteten Werkstoff erzielt.

Weiterhin wurde eine Materialcharakterisierung des im SLM-Verfahren verarbeiteten Warmarbeitsstahls durchgeführt, wobei die mechanischen Kennwerte als Eingangsgröße für die zuvor erwähnten Simulationen verwendet wurden.

Zusammenfassend konnten gegenüber dem konventionell verarbeiteten Warmarbeitsstahl vergleichbare Materialeigenschaften bspw. Bezüglich der Zugfestigkeit und der Bruchdehnung festgestellt werden, sodass von einem sehr großen Anwendungspotential für die stahlverarbeitende Industrie auszugehen ist.

Anschließend wurden die hybriden Schmiedegesenke erfolgreich gefertigt und in eine Exzenterpresse eingebaut. Zunächst wurde das Erwärmungs- und Abkühlungsverhalten charakterisiert. Dazu wurden die Schmiedegesenke mittels Heizpatronen bzw. einem Wassertemperiergerät erwärmt. Im Vergleich zu der üblichen Erwärmung über die Heizpatronen konnte die Werkzeuggrundtemperatur von 180 °C deutlich schneller mit der Wassertemperierung in verschleißkritischen Werkzeugbereichen erreicht werden. Dementsprechend wurden die Maschinenstillstandzeiten deutlich reduziert und die Ausbringungsmenge an Schmiedeteilen signifikant erhöht. Anschließend wurden die Werkzeuge in Serienschmiedeversuchen eingesetzt. Mittels geeigneter Methoden der Verschleißanalytik wurde festgestellt, dass das abrasive Verschleißverhalten durch eine Werkzeuginnenkühlung signifikant verbessert werden kann.

Weiterhin wirkt sich die innere Kühlung positiv auf das thermomechanische Rissverhalten aus, da ein flacherer Temperaturgradient vorliegt. Daraus resultiert eine erhebliche Steigerung der Werkzeugstandmengen und eine erhöhte Wirtschaftlichkeit des Serienschmiedeprozesses. Als einziger Nachteil der inneren Werkzeugkühlung stellte sich die Begünstigung von Adhäsion heraus. Infolge der reduzierten Oberflächentemperatur verdampft der Wasseranteil des Graphitgemisches nicht vollständig, wodurch ein verringerter Graphitanteil auf dem Werkzeug verbleibt. Es konnte gezeigt werden, dass diese Problematik über angepasste Schmierstoffkonzepte zu beheben ist. Bei derselben Graphitmenge und einem verringerten Wasseranteil wurden die Materialanhaftungen nahezu vollständig beseitigt und auch der abrasive Verschleiß wurde durch die innere Werkzeugkühlung deutlich reduziert. Dementsprechend kann über die inneren Kanäle eine erhebliche Wärmeabfuhr aus Schmiedegesenken erzielt werden. Weiterhin wurde die Adhäsion durch eine intensive Nitrierung verringert, weil die Verbindungsschicht den Materialanhaftungen entgegenwirkt und diese infolge der Innenkühlung nur geringfügig abgetragen werden. Zusätzlich weist die Verbindungsschicht eine höhere Härte als die Diffusionsschicht auf, sodass aus dem verzögerten Abtrag ein zusätzlicher Schutz vor Abrasion resultiert.

Auch variable Temperierungskonzepte haben zu praxisrelevanten Ergebnissen geführt. Mithilfe der inneren Werkzeugtemperierung kann die Entstehung von Abrasion und Adhäsion gezielt beeinflusst werden, sodass sich der Materialauftrag und -abtrag in einem erheblichen Ausmaß gegenseitig aufhebt. Anschließend wurden die Werkzeuge zertrennt und metallographischen Analysen unterzogen. Dabei wurde eine schädigungsfreie Fügezone zwischen dem konventionell und dem im SLM-Verfahren verarbeiteten Werkstoff nachgewiesen. Zusätzlich waren ein äußerst geringer Porenanteil und keine Rissbildung festzustellen. Weiterhin wurde eine vergleichbare Härte der unterschiedlich verarbeiteten Werkstoffe in geringfügig beanspruchten Bereichen ermittelt. Dementsprechend sind die im Forschungsprojekt ermittelten SLM-Prozessparameter und Wärmebehandlungen sehr gut zur Verarbeitung des pulverförmigen Warmarbeitsstahls 1.2365 geeignet.  In thermisch hochbeanspruchten Werkzeugbereichen wurde der thermischen Entfestigung mittels innerer Werkzeugkühlung erfolgreich entgegengewirkt. Dies wurde anhand von Härtetiefenprofilen nach dem Verfahren von Vickers nachgewiesen.

Im letzten Schritt wurden die Erkenntnisse auf Industrieprozesse übertragen. Dazu wurde zunächst das Verschleißverhalten im Serienzustand charakterisiert. Insgesamt wurden zwei verschiedene Industrieprozesse bei den Teilnehmern des projektbegleitenden Arbeitskreises betrachtet. Beim Gesenkschmiedeprozess der Hammerwerk Fridingen GmbH stellen der abrasive Verschleiß und die Materialausbrüche das Hauptausfallkriterium dar, wohingegen beim Prozess der Linamar Plettenberg GmbH primär Ermüdungsrisse zum Werkzeugausfall führen. Die Lage der Kanäle zur inneren Werkzeugtemperierung wurde auf Grundlage der Verschleißanalysen und numerischen Belastungsanalysen festgelegt. Bei der additiven Verarbeitung und der abschließenden Abkühlung sind Risse in der Fügezone von den Industriegesenken entstanden, die mit dem großem Druckvolumen in Verbindung gebracht wurden. Dementsprechend ist der Einsatz von hybriden Schmiedegesenken aktuell durch die Werkzeuggröße limitiert. Alternative Fügekonzepte und eine veränderte Abkühlung der im SLM-Verfahren hergestellten Werkzeugbereiche sind erfolgversprechende Lösungsansätze, welche das weiterführende Forschungspotential aufzeigen. Zusammenfassend wurde das beste Ergebnis mit einem intensiv nitrierten Werkzeug und innerer Werkzeugkühlung erreicht, sodass im Vergleich zu konventionell hergestellten und nicht von innen gekühlten Schmiedegesenken eine deutliche Verbesserung des Verschleißverhaltens erzielt wurde.

Das Anwendungspotential der hybriden Schmiedegesenke für die Praxis ist äußerst vielfältig. Sofern der abrasive Verschleiß die Hauptausfallursache darstellt, kann eine innere Werkzeugkühlung für eine erhöhte Standmenge zur Anwendung kommen. Zusätzlich kann die Rissbildung deutlich reduziert werden, die zum Werkzeugversagen führen kann. Weiterhin bieten die Ergebnisse der SLM-Prozessparameterstudie einen Anhaltspunkt zur Verarbeitung weiterer Warmarbeitsstähle im SLM-Verfahren. Dementsprechend wurden alle Ziele des Projektes erreicht und die Wirtschaftlichkeit von Prozessen der Warmmassivumformung signifikant gesteigert.

Forschungsstellen:

  1. Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen der Leibniz Universität Hannover, An der Universität 2, 30823 Garbsen, Prof. Dr.-Ing. Bernd-Arno Behrens
    https://www.ifum.uni-hannover.de/de/
     
  2. Fachhochschule Oberösterreich Forschungs & Entwicklungs GmbH, Stelzhamerstr. 23, AT-4600 Wels/Austria, FH-Prof. Dr.-Ing. Aziz Huskic
    https://www.fh-ooe.at/

vorgelegt über:  Wirtschaftsverband Stahl und Metallverarbeitung e.V., Düsseldorf, für Forschungsgesellschaft Stahlverformung e.V., Hagen.

Begleitet wurde das Projekt von einem Arbeitskreis des Industrieverbandes Massivumformung e.V. (IMU).

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
Bitte wenden Sie sich an die Geschäftsstelle der Forschungsgesellschaft Stahlverformung e.V. beim Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung, Goldene Pforte 1, 58093 Hagen. https://www.fsv-hagen.de/

 

Weitere Informationen im Internet: https://doi.org/10.3390/met12071063

 

25.01.2024