A 314 -Kurzfassung des Schlussberichts

Robuste Bruchkennwert-Ermittlung zur Verwendung der Kriechduktilität innerhalb fortschrittlicher Lebensdauerbewertungskonzepte

Zusammenfassung des Abschlussberichtes zum Forschungsprojekt
Robuste Bruchkennwert-Ermittlung zur Verwendung der Kriechduktilität innerhalb fortschrittlicher Lebensdauerbewertungskonzepte

(Projekt A 314 / S0024/10257/19)

Laufzeit der Forschungsarbeiten:  01. Juli 2019 bis 30. Dezember 2022

Bruchverformungskennwerte wie bspw. die Bruchdehnung, Brucheinschnürung sowie die Gleichmaßdehnung repräsentieren experimentell ermittelbare Größen zur Interpretation des Verformungsvermögens / der Duktilität von Werkstoffen. Um eine hinreichende Duktilität selbst unter einer Hochtemperaturbeanspruchung über einen langen Betriebszeitraum sicherzustellen, ist eine Optimierung der Legierungszusammensetzung sowie der Wärmebehandlung bspw. eingesetzter hoch warmfester Stahllegierungen von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus kann die Duktilität als Eingangsparameter für Konzepte der Lebensdauer und Bruchmechanik dienen, um eine präzisere Beschreibung des vorliegenden Werkstoffs bzw. der vorliegenden Werkstoffschmelze zu ermöglichen.

Jedoch sind für diese Aufgabe die beiden Bewertungskenngrößen Bruchdehnung und Brucheinschnürung nur bedingt geeignet, da der Absolutwert dieser Parameter u.a. von der verwendeten Probenform abhängt. Beide Größen repräsentieren somit experimentell ermittelbare Vergleichsgrößen, aber keine Werkstoffparameter. Die Gleichmaßdehnung hingegen beschreibt eine probenformunabhängige Kenngröße und kann als tatsächlicher Werkstoffparameter verstanden werden. Nachteilig hierbei ist aktuell, dass diese Größe an gebrochenen Proben nur sehr schwer und manuell zu ermitteln ist und einer hohen Streuung und Subjektivität unterliegt. Demgegenüber steht ein großes Anwendungs-Potenzial in der Verwendung der Gleichmaßdehnung im Rahmen der Werkstoffqualifizierung sowie fortschrittlicher Lebensdauer- und Bruchmechanik-Ansätze zur Bauteilbewertung.

Aus diesem Grund war es Ziel des Vorhabens, ein optisches 3D-Scanner-System zu entwickeln, mit welchem ein hochpräzises, digitales Abbild von intakten und gebrochenen Zeitstandproben erstellt werden kann. Mit Hilfe des entwickelten Scanner-Systems sollten verschiedene Serien an gebrochenen Zeitstandproben digitalisiert und auf Basis verschiedener Varianten automatisiert und damit reproduzierbare Werte der Gleichmaßdehnung ermittelt werden. Ebenfalls sollten im Anschluss Lebensdauerbewertungsmethoden, welche die Werkstoffduktilität als Ein-gangsparameter benötigen, unter Verwendung des nun verfügbaren Werkstoffkennwertes Gleichmaßdehnung angewendet und diskutiert werden.

Daneben sollten umfangreiche fraktographische Untersuchungen an gebrochenen Zeitstandproben mittels REM und μCT-Messungen durchgeführt werden. Ziel hierbei war es, sowohl den Einfluss der Oxidschichtdicke bei der Bestimmung der Brucheinschnürung als auch die Rolle von Einschlüssen auf der Bruchfläche bei der Interpretation der Bruchverformbarkeit weiter und systematisch zu klären.

Mit dem im Forschungsprojekt geschaffenen Messsystem in Verbindung mit der entwickelten Software und umgesetzten Vorgehensweisen zur Bestimmung der Gleichmaßdehnung ist der Grundstein dafür gelegt, diesen für die Stahlanwendung wichtigen Kennwert für verschiedenste Labore, Probenformen und Werkstoffe zu bestimmen. Aktuell ist das Messsystem und die Software auf zylindrische Zeitstandproben des IfW Darmstadt beschränkt. Zur Messung der Probenverlängerung werden am IfW Darmstadt sog. keramische Messmarken verwendet. Neben weiteren Forschungsstellen betreiben deutschlandweit stahlherstellende und stahlnutzende Unternehmen ebenfalls eigene Zeitstand-labore. Diese Labore arbeiten mit alternativen Markersystemen zur Bestimmung bspw. der Bruchdehnung sowie der Ausgangslänge der Proben. Als alternative zu keramischen Messmarken fungieren hierbei Härteeindrücke oder Messschneiden. Die Erkennung solcher Features ist mit dem aktuellen Messsystem prinzipiell möglich aber noch nicht umgesetzt. Ebenso liegen manche Stahlwerkstoffe nur als Blecherzeugnisse mit vergleichsweise geringen Dicken vor. Für die Zeitstandprüfung solcher Werkstoffe hat sich die Flachprobenprüftechnik bewährt. Auch hier ist das Scanner-System prinzipiell in der Lage, Flachprobengeometrien zu verarbeiten. Die entsprechenden Algorithmen und Lösungen, die dies ermöglichen, existieren jedoch bisher noch nicht. Auch kompliziertere, lokale Bruchausprägungen, wie Mehrfachbrüche oder sich geometrisch einstellende Besonderheiten bei der Prüfung von Schweißnähten, können mit der aktuellen Software-Version noch nicht verarbeitet werden.

Weiterhin wurden mit den Projektergebnissen die Grundlage dafür geschaffen, bereits formulierte vielversprechende Ansätze zur Verbesserung der Bewertungsmethoden des Anriss- und Rissverhaltens mit der Information der Gleichmaßdehnung zu versorgen und damit präzisere Lebensdaueraus-sagen zu ermöglichen. Zu nennen ist hier insbesondere das im Projekt AVIF A252 entwickelte und in AVIF A277 weiter validierte Konzept der Grenzrisslänge. Dieses Konzept ist insbesondere zur Bewertung und Freigabe von Schmiede- und Gussteilen mit inneren Fehlstellen auf Basis von zfP-Befunden essentiell. Hier ist demnach ein direkter Mehrwert für Unternehmen gegeben. Da das Konzept in seiner aktuellen Formulierung auf einer händisch und mit großer inhärenter Unsicherheit bestimmten Gleichmaßdehnungsformulierung aufbaut, zeigt die Anwendung des Konzepts aktuell noch teils stark streuende bis in Grenzen inkonsistente Resultate. Da es sich bei der Gleichmaßdehnung um das Verformungsmaß handelt, welches sich potentiell und direkt auf Bauteilbewertungskonzepte übertragen lässt, würde eine automatisierte messtechnische Bestimmung auch weitere Potenziale in der Lebensdauer- und Rissbewertung eröffnen. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise eine auf Basis der Verwendung der Gleichmaßdehnung verbesserte Beschreibung des Kriechrisswachstumsmodells nach Nikbin, Smith und Webster sowie eine abgesicherte Anwendung der „Ductility-Exhaustion“-Methode zur Berechnung des Kriechschädigungsanteils.

Zusammenfassend bieten die Ergebnisse des Projektes eine hervorragende Ausgangsbasis, um den Anwendungsumfang des Scannersystems wesentlich zu erweitern und die Erkenntnisse in direkter Weise in künftigen Lebensdauerbewertungslösungen nutzen zu können.

Forschungsstellen:

Fachgebiet und Institut für Werkstoffkunde (IfW)
TU Darmstadt
https://www.mpa-ifw.tu-darmstadt.de 

Fachgebiet Graphische-Interaktive Systeme (GRIS)
TU Darmstadt
https://www.informatik.tu-darmstadt.de/gris/startseite_1/index.de.jsp

Materialprüfungsanstalt (MPA)
Universität Stuttgart
https://www.mpa.uni-stuttgart.de/

vorgelegt über:

FVV e. V., Frankfurt

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
FVV e.V. https://www.fvv-net.de/ 

Gerne können Sie sich auch an die Geschäftsstelle der AVIF wenden.

13.07.2023