A309

Bewertung des Einflusses realer Bauteilgeometrien auf die Beanspruchbarkeit von Tellerfedern anhand numerischer Simulation

Zusammenfassung des Abschlussberichtes zum Forschungsprojekt

Bewertung des Einflusses realer Bauteilgeometrien auf die Beanspruchbarkeit von Tellerfedern anhand numerischer Simulation (AVIF A309 / S0024/10246/17)

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     01. Januar 2018 bis 30. September 2021

 

Die Lebensdauer von Tellerfedern wird gemäß der gültigen Normen anhand analytischer Spannungen in den Kanten II und III (die begrenzenden Kanten der Unterseite, von der Tellerfederbrüche in aller Regel ausgehen) ausgelegt. Dabei wird nur die Spannung in derjenigen Kante berücksichtigt, in der das höhere Schädigungsmaß berechnet wird. Diese Auslegungspraxis basiert auf der Annahme, dass die Feder ausgehend von der höchstbelasteten Stelle bricht. In vorangehenden Forschungsarbeiten wurden jedoch vorwiegend Bruchausgänge von der Fläche zwischen den Kanten II und III anstatt direkt an Kante II oder Kante III beobachtet, das Versagen ging also in aller Regel nicht von den rechnerisch höchstbelasteten Stellen aus. Das weist auf Optimierungspotential in der Beschreibung der Lebensdauer hin. Gesamtziel des Forschungsprojektes war es, dieses Optimierungspotential zu nutzen und die Beschreibung der Lebensdauer zu verbessern.

 

Im Forschungsprojekt wurden Methoden zur Beschreibung der Lebensdauer von Tellerfedern unter schwingender Belastung erforscht. Dazu wurden unterschiedliche Tellerfedern experimentell und numerisch untersucht. Die numerischen Untersuchungen wurden durch weitere Experimente unterstützt. So wurden kugelgestrahlte und nicht kugelgestrahlte, phosphatierte und nicht phosphatierte sowie gedrehte und nicht gedrehte Tellerfedern aus warm gewalztem und kalt gewalztem 51CrV4 mit unterschiedlichen Geometrien untersucht. Ergänzend wurden Versuche an zugehörigen Halbzeugen durchgeführt. Die Ergebnisse gelten also für eine breite Klasse an Tellerfedern.

Die Lebensdauer hängt von verschiedenen Einflussgrößen ab, die im Folgenden mit Blick auf die erzielten Fortschritte in ihrer Bewertung dargelegt werden.

Tellerfedern werden in den relevanten Normen als achsensymmetrische Bauteile mit rechteckigem Querschnitt beschrieben; die normativ vorgegebenen Formeln zur Berechnung der Kennlinien und der Lastspannungen wurden unter Annahme dieser Geometrie hergeleitet. Reale Tellerfedern sind aber nicht perfekt symmetrisch und ihr Querschnitt ist nur in grober Näherung ein Rechteck. Die Finite Elemente Methode wurde gemeinsam mit der optischen 3D-Metrologie eingesetzt, um die Abbildung des mechanischen Verhaltens signifikant zu verbessern. Durch die detailgenaue Aufzeichnung der Geometrie konnte gezeigt werden, dass die anfängliche Progressivität in den Kennlinien von Tellerfedern durch leicht asymmetrische Geometrien bedingt ist.

Dabei zeigte sich, dass Tellerfedern auch unter Berücksichtigung der dreidimensional vermessenen Geometrie weniger steif wirken als dies rein elastische Rechnungen unter Verwendung des im Zugversuch ermittelten Elastizitätsmoduls vorhersagen. Durch Versuche an aus Tellerfedern entnommenen Proben wurde gezeigt, dass dieses an Federn aus 51CrV4 beobachtete Verhalten nicht durch eine Verringerung des wirksamen Elastizitätsmoduls zu erklären ist. Durch elastisch-plastische Finite Elemente Analysen wurde gezeigt, dass das beobachtete Verhalten eine Folge des Zusammenspiels von geometrischen Nichtlinearitäten und Eigenspannungen ist. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde ebenfalls gezeigt, dass die Superposition von Eigenspannungen in Gegenwart geometrischer Nichtlinearitäten nicht zulässig ist. Zur Berechnung des Spannungszustands wurde ein Verfahren entwickelt, das die Berechnung der Gesamtspannungen in belasteten Federn erlaubt.

Beim Vergleich der Lebensdauer in Schwingversuchen mit numerisch ermittelten Schädigungsmaßen zeigte sich, dass die Beschreibung des mechanischen Verhaltens mit Finite Elemente Modellen gegenüber der Beschreibung mit analytischen Formeln zu geringeren Streuungen führt. Das geht hauptsächlich auf die genauere Beschreibung des Querschnitts und auf die korrekte Abbildung der Progressivität der Kennlinie in der Nähe der Planlage zurück.

Der Einfluss der Mehrachsigkeit des Spannungszustands auf die Lebensdauer wurde untersucht. Uniaxiale Modelle (Normalspannungshypothese) beschreiben das Versagensverhalten von Tellerfedern ähnlich gut wie geeignete mehrachsige Modelle (Gestaltänderungsenergiehypothese). Aufgrund des nichtproportionalen Spannungszustands – die radiale Spannung ist nicht proportional zur tangentialen Spannung – beschreiben naive mehrachsige Modelle das Versagensverhalten weniger gut.

Zu Beginn des Projekts war nicht bekannt, warum Tellerfedern an den Stellen brechen, an denen sie brechen, denn die Rissausgangsorte liegen in aller Regel nicht in der laut Berechnung höchstbelasteten Stelle. Im Rahmen dieses Projekts wurde gezeigt, dass der Rissausgang nicht nur von den makroskopischen Spannungen, sondern auch von der lokalen Defektgröße (je nach Typ des Rissausgangs Größe eines mechanischen Defekts, Oberflächenrauheit, Austenitkorngröße oder Einschluss) abhängig ist: Da der Spannungsgradient auf der auf Zug belasteten Unterseite der Tellerfeder in radialer und tangentialer Richtung sehr niedrig ist, können Defekte auch relativ weit vom Ort der höchsten berechneten Schädigung entfernt als Rissausgangsorte wirken. Dieses Verhalten wird mithilfe des statistischen Größeneinflusses quantitativ berücksichtigt. Der statistische Größeneinfluss wird mithilfe eines Weibull-Modells abgebildet, es ergeben sich ähnliche Weibullexponenten wie in der FKM-Richtlinie Federn und Federelemente. So wird die Prädiktivität des Modells weiter verbessert.

Bisher wurde die sogenannte Referenzspannung als Schädigungsmaß für Tellerfedern herangezogen. Im Rahmen dieses Projekts wurde die bis dahin nur uniaxial verfügbare Referenzspannung verallgemeinert (Mehrachsigkeit mit Mises-Vergleichsspannungen sowie Mittelspannungen und Spannungsamplituden nach Manson-McKnight) und mit der Walker-Schädigung als alternatives Schädigungsmaß verglichen. Die Walker-Schädigung eignet sich aus phänomenologischer Sicht ähnlich gut zur Vorhersage der Lebensdauer wie die verallgemeinerte Form der Referenzspannung. Beide Schädigungsmaße eignen sich besser als die bisher verwendete Referenzspannung. Die verallgemeinerte Referenzspannung liefert bei Berücksichtigung stabiler Eigenspannungen schlechtere Vorhersagen als bei Nichtberücksichtigung derselben, obwohl das Gegenteil zu erwarten wäre. Daher ist aus werkstoffkundlicher Sicht die Walker-Schädigung vorzuziehen.

Am Ende des Projekts existieren somit Lebensdauermodelle, die deutlich genauere Vorhersagen treffen als die zu Beginn des Projekts bekannten Modelle. Das Verständnis der Kennlinien von Tellerfedern wurde verbessert. Die entwickelten Modelle können von den Federherstellern verwendet werden, um ihre Federn effizienter auszulegen. So können sie für eine gegebene Charge Tellerfedern bei beibehaltener Konservativität eine höhere Lebensdauervorhersage als bisher treffen. So wird Leichtbaupotential besser ausgeschöpft und Ressourcen geschont sowie ein Beitrag zur CO2-Reduktion geleistet. Außerdem wird das Risiko von unerwarteten Ausfällen von Tellerfedern und damit Unfällen mit großen Folgeschäden reduziert.

Die Ergebnisse zum statistischen Größeneinfluss und der Verteilung der Rissausgänge, zur Mehrachsigkeit, zu den Schädigungsmaßen sowie zum Einfluss der Eigenspannungen und der Geometrie können zur Optimierung der Fertigungsketten eingesetzt werden. So können weiterentwickelte Tellerfedern die heute an Tellerfedern gestellten Anforderungen mit reduziertem Materialaufwand erfüllen. Dadurch wird nicht nur Material beim Hersteller eingespart, sondern auch Leichtbaupotential noch weiter ausgeschöpft.

Die Ergebnisse sind unmittelbar zwar nur für Tellerfedern anwendbar, mit einer entsprechenden Anpassung können sie jedoch auch auf andere biegebeanspruchte Federelemente angewendet werden. Durch das breite Anwendungsspektrum von Tellerfedern profitieren zahlreiche deutsche Industriezweige indirekt von den Ergebnissen.

Forschungsstelle:
Institut für Werkstoffkunde (IfW), Technische Universität Darmstadt;
Leiter: Prof. Dr.-Ing. Matthias Oechsner,

 

vorgelegt über: Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM), Düsseldorf für Verband der Deutschen Federnindustrie e.V. (VDFI), Hagen

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht: bitte wenden Sie sich an die AVIF 

Weitere Informationen im Internet:

https://www.mpa-ifw.tu-darmstadt.de/forschung_mpaifw/forschungsprojekte_mpaifw/bauteilfestigkeit/standardseite_176.de.jsp