A 297

Fortschrittliche Methoden zur gesicherten Bestimmung und Auswertung von Zeitdehn- und Zeitstandbruchkennwerten

Zusammenfassung des Abschlussberichtes zum Forschungsprojekt

 

Fortschrittliche Methoden zur gesicherten Bestimmung und Auswertung von Zeitdehn- und Zeitstandbruchkennwerten

 

(A 297 / S 0024/10223/15)

 

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     01. Juli 2015 bis 31. März 2019

  

Zeitstandfestigkeit und Zeitdehnfestigkeit sind von wesentlicher Bedeutung für die Auslegung von Komponenten unter Hochtemperaturbeanspruchung. Für hochtemperaturbeanspruchte Komponenten in der Kraftwerkstechnik (z.B. Schaufeln, Gehäuse, Rohre) werden anwenderseitig an die Werkstoffe Zeitstanddauern zwischen 100.000 und 200.000 Stunden in der Auslegung gefordert. Im Zuge der Energiewende ergeben sich z.B. für Dampfturbinenanwendungen ferner zusätzliche erhöhte Flexibilitäts- und Effizienzanforderungen, sodass der konkrete Bedarf einer Modifizierung bzw. Weiterentwicklung bestehender Werkstoffschmelzen besteht.

Die prüftechnische Absicherung der auslegungsrelevanten Zeitstand-Beanspruchungsdauer von 100.000 Stunden erfordert eine Zeitspanne von mindestens 12 Jahren. Daher sind Extrapolationsmethoden unumgänglich. In der Ingenieurspraxis werden bereits empirische Extrapolationsmethoden verwendet. Aktuelle Normen und Richtlinien empfehlen jedoch bei der Extrapolation von Zeitstand- und Zeitdehndaten einen Extrapolationsfaktor von 3 nicht zu übersteigen, was immer noch mindestens Versuchslaufzeiten von 4 Jahren bedeutet und somit insbesondere bei der Entwicklung neuer oder optimierter Werkstoffe lange Entwicklungszyklen erforderlich macht. Die zu erwartenden neuen Marktanforderungen führen ferner zu der Forderung, die Entwicklungszyklen für Werkstoffe und Komponenten zu reduzieren. 

Somit besteht akuter Bedarf für eine zuverlässige qualitative und / oder quantitative Extrapolation, welche eine Erweiterung des Extrapolationsfaktors über einen Faktor von 3 hinaus ermöglicht. Bisher fehlten jedoch systematische Betrachtungen der Extrapolation zu dieser Thematik, welche eine Identifikation von wesentlichen Einflussgrößen und damit verbundenen Unsicherheiten beinhalten. Eine Kenntnis der wesentlichen Einflussgrößen und Unsicherheiten würden ggf. dem Werkstofffachmann eine individuelle Extrapolation mit Faktoren deutlich über den Wert 3 ermöglichen statt wie bisher, einen Extrapolationsfaktor aus konventionellen Auslegungsregeln zu verwenden.

Daher wurden im Zuge dieses Forschungsvorhabens für die für Dampfturbinenkomponenten typischen Werkstoffklassen der warmfesten Stähle (1% Chrom Stahl) und hochwarmfesten Stähle (9% sowie 10% Chrom-Stähle) systematische Untersuchungen durchgeführt. Dabei konnte auf eine langzeitig abgesicherte Datenbasis zurückgegriffen werden. Diese Untersuchungen wurden hinsichtlich der Bruchzeitextrapolation im Vorgänger-Forschungsvorhaben „Extrapolation I“ bereits begonnen und nun auf die empirische Extrapolation von Zeitdehngrenzen sowie der minimalen Kriechgeschwindigkeit, als weitere wichtige Auslegungskennwerte, ausgeweitet. Darüber hinaus wurde das Potential einer kombinierten Extrapolation von Bruchzeiten und Zeitdehngrenzen durch die Verwendung von Meisterkurvenfamilien untersucht.

Als weitere Extrapolationsmöglichkeit werden in der Literatur ferner verschiedene Versuchsmethoden für die Durchführung abgekürzter Versuche und darauf basierende prüftechnische Extrapolationen vorgeschlagen. Diese finden jedoch in der Ingenieurspraxis bisher kaum Anwendung, da für diese Versuchsmethoden bisher systematische Untersuchungen hinsichtlich ihrer Einflussgrößen und der daraus resultierenden Unsicherheiten fehlen. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde die bereits im vorangegangenen Vorhaben „Extrapolation I“ untersuchte Prüfmethode auf Basis sog. gestufter Kriechversuche nun für eine qualitative Extrapolation mit einem Faktor bis zu 10 erweitert, um eine 100.000h-Zeitstandfestigkeit nach 10.000h Versuchszeit fundiert abschätzen zu können. In diesem Zusammenhang wurden ferner für die Versuchsmethode der gestuften Kriechversuche die wesentlichen Einflussgrößen identifiziert, resultierende Unsicherheiten abgeleitet und Anwendungsgrenzen definiert und auch auf gezielt thermisch vorgealterte Werkstoffzustände erweitert. Die Versuchsmethodik wurde hinsichtlich ihrer Eignung zur prüftechnischen Extrapolation evaluiert. Durch eine kombinierte Verwendung verschiedener Prüf- und Auswertungsmethoden ist es gelungen, eine weitere Verbesserung der Extrapolationsgüte zu erzielen. 

Ferner wurde mithilfe von Experimenten und nummerischen Simulationen der mögliche Einfluss überlagerter Biegung im Zeitstandversuch auf die Versuchsergebnisse untersucht. Wesentliche Erkenntnis dieser Betrachtungen ist, dass die Bestimmung der im Zeitstandversuch ermittelten Zeitdehngrenzen bei Vorliegen großer überlagerter Biegedehnungen in Kombination mit hohen Prüfspannungen beeinflusst werden kann. Die Bruchzeit als Kennwert des Zeitstandversuchs wird jedoch erst bei Einbringung stark überhöhter überlagerter Biegedehnung beeinflusst, welche betragsmäßig bei einem regulären Zeitstandversuch jedoch nicht auftreten kann. 

Insgesamt konnten somit im Vorhaben wesentliche Erkenntnisse zur empirischen sowie prüftechnischen Extrapolation des Zeitstand- und Zeitdehnverhaltens gewonnen werden, die dem Werkstofffachmann auch mit kürzeren Prüfzeiten eine Abschätzung von Auslegungskennwerten ermöglichen können und somit potenziell Entwicklungszeiten verringern.

 

Forschungsstellen:

 

Technische Universität Darmstadt, Fachgebiet und Institut für Werkstoffkunde (IfW)

Materialprüfungsanstalt Universität Stuttgart (MPA)

 

Forschungsleiter:                         

Dr.-Ing. Christian Kontermann

Dr.-Ing. Andreas Klenk

 

vorgelegt von: Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V. (SET)

 

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

 

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF

06.01.2021