A 301

Ermüdungsfestigkeit von Schweißverbindungen bei Minusgraden

Zusammenfassung des Abschlussberichtes zum Forschungsprojekt

 

Ermüdungsfestigkeit von Schweißverbindungen bei Minusgraden (A 301/  S 24/10231/15)

 

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     1. Januar 2016 – 30. September 2019

Seit Jahren werden Seefahrtsrouten für die Handelsschifffahrt gen Norden in arktischen Gebieten verlegt, sowie Ölplattformen und Windenergieanlagen in Gebieten errichtet, in denen saisonal Minusgrade herrschen. Diese Strukturen und ihre Werkstoffe müssen entsprechend gestaltet sein, damit sie den extremen Umweltanforderungen genügen. Hierfür soll die Anwendbarkeit von höherfestem Stahl, aufgrund seiner nachzuweisenden Eigenschaften unter Minusgraden, aufgezeigt werden. 

Obwohl bekannt ist, dass sich mit sinkenden Temperaturen die Werkstoffeigenschaften von Stahl und deren Schweißverbindungen ändern, sind die dabei auftretenden Effekte bisher nur wenig erforscht, weswegen große Teile maritimer Strukturen oftmals noch aus normalfestem Stahl gefertigt werden. Bei sorgfältiger Beachtung der Einsatzkriterien, der Fertigungsabläufe sowie der Weiterentwicklung bestehender Bauvorschriften für maritime Strukturen könnte die Anwendung höherfester Stähle erheb­liche Vorteile bieten.

Ziel dieses Forschungsvorhabens war, die Anwendbarkeit von höherfestem Stahl in ermüdungsfestigkeitsrelevanten Bereichen nachzuweisen und somit dessen Streckgrenze konstruktiv besser ausschöpfen zu können. Hierfür sollte das Verhalten von Grundwerkstoffen und üblichen Schweißverbindungen an höherfesten Stählen bis minus 50°C inklusive der Ermittlung von Wöhlerkennlinien experimentell und rechnergestützt ermittelt werden. Anhand dessen sollten Auslegungskonzepte von betriebsfest zu bemessenden Schweißverbindungen für Schiffbau- und Offshore-Strukturen entstehen.

 Um das Gesamtziel zu erreichen, wurden folgende Teilaufgaben bearbeitet:

1.     Ermittlung des statischen und dynamischen Werkstoffverhaltens bei unterschiedlichen Temperaturen von Raumtemperatur bis -50°C für verschiedene Stahlfestigkeiten 

2.     Rechnerische Ermittlung des Werkstoffverhaltens auf Basis der Versuche

3.     Überprüfung und Erweiterung aktueller Auslegungskonzepte von Schweißverbindungen für Minusgrade. 

Diese Teilaufgaben bilden die Grundlagen zur Ermittlung und Bewertung des Werkstoffverhaltens bei Minusgraden. Der Erkenntnisgewinn über das Ermüdungsverhalten von geschweißten Strukturen verschiedener Stahlfestigkeiten unter extremer Kälteeinwirkung ist maßgeblich sowohl für deren vermehrten Einsatz als auch für zukünftige Entwicklungen neuer Stähle unter Minusgraden. Nach Abschluss des Vorhabens soll, in Absprache mit der beteiligten Klassifikationsgesellschaft, die Basis für die Zulassung von Stählen und Verbindungen unter extremen Bedingungen erweitert werden. Dies betrifft Details entsprechender Betriebsfestigkeitsklassen wie auch die Auslegungskonzepte im Allgemeinen für schiffbauliche Konstruktionen. Darüber hinaus ist der Erkenntnisgewinn in alle konstruktiven Bereiche transferierbar.

 

Obwohl kritische Schweißdetails in großen Schweißkonstruktionen meistens Kehlnähte sind, konzentrieren sich die meisten veröffentlichten Studien auf die Ermittlung von Ermüdungsrisswachstumsraten mittels aus Stumpfstoßschweißverbindungen entnommen Proben. Insbesondere Daten wie Wöhlerlinien bei Temperaturen bei Minusgraden sind rar. Neben Stumpfschweißverbindungen wurden im Rahmen dieser Studie auch Proben mit Kehlnähten bei -20 °C und -50 °C gegen Kontrollen bei Raumtemperatur getestet. Eine signifikant höhere Schwingfestigkeit, selbst bei Temperaturen, die weit unter der zulässigen Betriebstemperatur, basierend auf den Ergebnissen aus Bruchzähigkeitstests, liegen, wurde im Vergleich zu empirischen Formeln aus internationalen Standards ermittelt.

Zusammenfassend wurde ein hoher Anstieg der Dauerfestigkeit bei -50 °C für Kreuzstoßproben festgestellt, mit einem Anstieg von etwa 20% für die normalfesten S235J2+N und 25% für den hochfesten Stahl S500G1+M im Vergleich zu den Ergebnissen bei Raumtemperatur. Im Gegensatz dazu zeigten die Quersteifenproben bei dieser Temperatur einen Anstieg von etwa 12% für den S235J2+N und 6% für den S500G1+M Stahl. Die Zunahme der mittleren Schwingfestigkeit der Stumpfschweißverbindungen hängt maßgeblich vom gewählten Anstieg zur Bestimmung der Wöhlerlinie ab und liegt je nach Stahlsorte und  Anstieg von k = 3 und k = 5 zwischen 2% und 11%. Es ist jedoch anzumerken, dass die Schwingfestigkeit der Stumpfstöße bereits bei Raumtemperatur die Bemessungswerte deutlich überschreitet und aufgrund der größeren Streuung der Testergebnisse eine Schätzung der erhöhten Schwingfestigkeit für dieses Schweißdetail schwieriger ist. Die S500G1+M Stumpfstöße überschreiten die Entwurfskurve bereits bei Raumtemperatur um ca. 100% und bei -50 °C um ca. 150%.

Bei der Bewertung aller durch die entsprechenden Bemessungskurven normalisierten Schwingfestigkeitsversuche, wird bei allen Prüftemperaturen eine deutlich höhere Schwingfestigkeit im Vergleich zu Bemessungswerten beobachtet. Die Erhöhung der Schwingfestigkeit der getesteten Schweißdetails liegt für beide Stähle, mit Ausnahme der S500G1+M Stumpfstöße, in der gleichen Größenordnung. Hervorzuheben ist, dass für den normalfesten Stahl mit einer nominalen niedrigsten Auslegungstemperatur von -20 °C selbst bei einer Prüftemperatur von -50 °C keine Abnahme der Schwingfestigkeit festgestellt wurde. Folglich wird angenommen, dass Schweißverbindungen aus normalfestem Stahl auch bei Temperaturen von bis zu -50 °C aus Schwingfestigkeitssicht sicher sind. 

Basierend auf  Kerbschlagbiege- und Bruchzähigkeitversuchen wird für das geschweißte Material der S235J2+N -Stumpfstöße ein Übergang zum Sprödbruchverhalten bei einer Ermüdungsprüftemperatur von – 50 °C erwartet. Dies scheint das Schwingfestigkeitsverhalten unterhalb der gemessenen Übergangstemperatur zwischen duktil und spröde jedoch nicht zu beeinflussen. Im Allgemeinen weisen Schweißverbindungen, die durch Lichtbogenschweißen mit Fülldraht hergestellt werden, eine geringe Bruchzähigkeit in der Mitte der Schweißzone auf. Ermüdungsrisse treten jedoch normalerweise in der Wärmeeinflusszone und nicht im Schweißgut auf, so dass im Schwingfestigkeitsversuch keine Verringerung der Ermüdungsfestigkeit erwartet wird. Bei großen geschweißten Strukturen kann dies jedoch zu einem Sprödbruch der Struktur führen, wenn der Riss entlang einer Schweißnaht durch das Schweißgut verläuft. Durch die Auswahl geeigneter Materialien und Schweißverfahren werden bessere Ermüdungs- und Bruchzähigkeitseigenschaften als erforderlich erzielt, was die Sicherheit von Schiffen und Offshore-Strukturen gegen Sprödbruch und Ermüdungsversagen erhöht.

Um die Schwingfestigkeitsbewertung von Schweißverbindungen für Umgebungen mit Minusgraden zu ermöglichen, wurden sechs verschiedene Methoden analysiert. Mit Ausnahme des Spannungsmittelungsansatzes, der voraussichtlich Temperatureffekte auf die Schwingfestigkeit über die Mikrostützwirkung des Materials abdecken kann, müssen alle anderen Methoden auf Korrekturfaktoren für Temperaturen zurückgreifen. Gegenwärtig ist die Anwendung des Spannungsmittelungsansatzes oder anderer effektiver Spannungsmethoden zur allgemeinen Beurteilung von Schweißverbindungen bei Minusgraden aufgrund einiger allgemeiner Fragen zur Vergleichbarkeit verschiedener effektiver Spannungsmethoden und aufgrund der Tatsache, dass Probleme der Bewertung schwach gekerbter Schweißdetails auftreten, noch nicht geeignet. Das größte Hindernis ist jedoch die erforderliche große Anzahl von Testdaten, um die Methode für bestimmte Anwendungsfälle zu kalibrieren.

Im Allgemeinen wird für die meisten lokalen spannungsbasierten Nachweiskonzepte der Schwingfestigkeit, mit Ausnahme der Spannungsextrapolation im Falle eines Versagens der Schweißnahtwurzel, eine gute Übereinstimmung zwischen der experimentellen und prognostizierten Lebensdauer erzielt, während für das Nennspannungskonzept eine signifikant höhere Abweichung ermittelt wurde. Interessanterweise wird auch bei der Methode der gemittelten Formänderungsenergiedichte bei Rissen am Nahtübergang eine hohe Abweichung festgestellt.

 

Forschungsstellen:

Technische Universität Hamburg-Harburg, AB 3-06 Schiffstechnische Konstruktionen und Berechnungen (TUHH)

Center of Maritime Technologies e.V. (CMT), Hamburg

 

Forschungsleiter:                                          

M. Sc. Moritz Braun

Matthias Krause

 

vorgelegt von: Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V. (VSM), Hamburg

 

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

 

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF

03.11.2020