A273

Entwicklung einer wirtschaftlichen Verfahrensvariante des UP-Schweißens in Querposition (PC) an großen Blechdicken für die Anwendung an Off-Shore Strukturen und im Schiffbau

(A273 S 24/10189/2012)

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     1. Februar 2012 – 31. Januar 2014


Ziel des Projektes war die Entwicklung einer wirtschaftlichen Technologie für das einseitige UP-Schweißen in Querposition an Blechdicken von 13 mm bis zu 80 mm.
Dabei sollten insbesondere durch die Entwicklung oder Anpassung einer geeigneten, einfach zu handhabenden Geräte- und Geräteführungstechnik an die zu betrachtenden Einsatzfälle und durch die Entwicklung einer Mehrdraht-Technologie die vom Schweißen in Wannenposition (PA) bekannten wirtschaftlichen Vorteile des UP-Schweißens auf das Schweißen in Querposition (PC) übertragen werden.
Die Einsatzfälle umfassten das Szenario „Schiffbau“ mit langen Quernähten und dem Ziel einer möglichst geringen Lagenanzahl beim Einseitenschweißen auf der Werft. Innerhalb des Einsatzszenarios „Offshore“ sollte die Anwendbarkeit für die Fertigung von Gründungsstrukturen für die Offshore-Windenergieerzeugung überprüft und angewendet werden. Bezeichnend für diese Aufgabe sind große Rundnähte mit Blechstärken bis 80mm. Dabei mussten die strengen Anforderungen der Normen und Klassifikationsgesellschaften für Offshore-Strukturen erfüllt werden, welche besonderes Augenmerk auf die Schlagzähigkeit der hergestellten Naht sowie auf die Bewertung der Nahtoberfläche im Sinne der dynamischen Belastbarkeit legen.
Ein effizienter Lagenaufbau, eine den Anforderungen genügende Gestaltung der Decklage sowie die zielführende Gestaltung technologischer Randbedingungen wie der Pulverzufuhr in tiefe Fugen oder Wurzelbadsicherung für verschiedene hochproduktive Mehrdrahtvarianten sollte für beide Szenarien entwickelt werden. Die Einhaltung der geforderten mechanisch-technologischen Eigenschaften sollte in beiden Einsatzfällen nach der jeweiligen Anwendungsnorm sichergestellt werden.
Innerhalb der Anlagenentwicklung sowie der Führungstechnik sollte ein flexibles und leicht zu installierendes System entwickelt und erprobt werden, welches ohne Heftschweißungen oder Einhängevorrichtungen an der jeweiligen Schweißstelle montiert werden kann und durch Leichtbauansätze ein sicheres Schweißen der entsprechenden Schweißaufgabe ermöglicht.

Dafür wurde eine umfassende Analyse der zu lösenden Schweißaufgaben mit anschließender Definition der zu entwickelnden Gerätetechnik und Anlagenperipherie erstellt.
Die Anlagenführung erfolgt an zwei flexiblen Aluminiumschienen, die mittels schaltbarer Magneten an der Schweißstelle positioniert und fixiert werden. Dabei hat sich die Positionierung beider Schienen oberhalb der Fuge aus Gründen der vereinfachten Einrichtung als am vorteilhaftesten erwiesen. Um eine ausreichende Haltekraft aufbringen zu können, wurden die Magnetpaare experimentell und numerisch entsprechend dimensioniert.
Zur Berücksichtigung realer Fertigungsbedingungen wurden Halteversuche an beschichteten, korrodierten und verschmutzten Metalloberflächen durchgeführt. Als Resultat ergibt sich eine noch mehr als ausreichende Haltekraft bei einem effektivem Luftspalt von 1mm zwischen Magnet und Oberfläche für die Konstruktion.
In Absprache mit den beteiligten Industrieunternehmen wurde die Bedienbarkeit und Zugänglichkeit anwenderfreundlich gestaltet. Die Konstruktion umfasst neben dem Führungssystem, der Schweißeinrichtung, diverser Steuerungsmöglichkeiten und Vorschübe die Pulverzuführung und Vorrichtungen für das Mitführen von bis zu vier Drahtspulen. Damit können die Verfahrensvarianten Eindraht-, Twin-, Tandem- sowie Tandem-Twin-Schweißen eingesetzt werden. Die konzipierte Anlage wurde in Form eines Demonstrators gebaut und im Rahmen mehrerer Veranstaltungen der Öffentlichkeit vorgeführt. Eine Verfahrensprüfung wurde erfolgreich an einer Arbeitsprobe mit einer Blechdicke von 60mm im Tandem-Twin-Prozess mit vier Drähten absolviert.
Die Problematik der Pulverzuführung und der stetigen Pulvernachführung wurde mit der Konzeption und Entwicklung eines regelbaren Fördersystems auf Basis einer Förderschnecke gelöst. Dadurch konnte eine ausreichende Pulverabdeckung im Prozess auch bei sehr tiefen und engen Fugen gewährleistet werden. Die als Sonderanfertigung hergestellte Förderspirale wird über einen kompakten Drehstrom-Synchronmotor bis zu einer maximalen Drehzahl von 2000 Umdrehungen pro Minute angetrieben und mittels einer eigens entworfenen und umgesetzten SPS sowie Handbedienung stufenlos angesteuert. Mit dem System, das über die konventionelle Schwerkraftschüttung mit dem Pulverkreislauf verbunden ist, können Fördervolumenströme von bis zu 8 Kilogramm pro Stunde realisiert werden. Damit ist auch das Quernahtschweißen von sehr tiefen und engen Fugen bis über 100mm mit Mehrdrahtprozessen problemlos durchführbar.
Zur Verifizierung der schweißtechnologischen Rahmenbedingungen wurden umfangreiche Parameterstudien durchgeführt. Dabei wurden Schiffbaubleche der Güte A36 in der Dicke 15mm und 20mm sowie Off-shore-Bleche der Güte S355 G10+M in der Dicke 60mm verwendet. Die Nahtvorbereitung entsprach den Vorgaben der anwendenden Industriepartner mit Öffnungswinkeln zwischen 45° und 35° in HV-Fugen. Als UP-Verfahrensvarianten kamen neben dem Eindrahtschweißen der Twin-, Tandem- sowie Tandem-Twin Prozess mit maximal vier abschmelzenden Elektroden zum Einsatz. Es wurden verschiedene Methoden des Lagenaufbaus eruiert mit besonderem Blick auf die Wurzel- und Decklagengestaltung. Speziell dazu wurden umfangreiche Parameterstudien mit variierenden Schweißparametern und Verfahrensvarianten in tiefen Fugen für eine optimierte Wurzelgestaltung sowie Auftragsraupen an senkrechten Blechen zur Abschätzung des Fließverhaltens in der Decklage durchgeführt.
Dadurch konnte das Auftreten von Nahtfehlern und fest anhaftender Schlacke im Wurzelbereich sowie verlaufendes Schweißgut und Einbrandkerben in der Decklage minimiert werden.
Zusätzlich fanden Untersuchungen für einen zweckmäßigen Wurzelschutz im Rahmen des für die Schiffbauanwendung angestrebten Einseitenschweißens in Querposition statt. Dazu wurden verschiedene Formen der MSG-Wurzellage, keramische Badsicherungen sowie Pulverbadsicherungen experimentell überprüft. Die beste Eignung zeigte sich bei der manuell gelegten MSG-Wurzel, die zum einen das Durchbrechen der UP-Stützlage am besten verhindert und gleichzeitig eine einheitliche Anbindung bei ungleichmäßigen Wurzelspalten realisieren kann, was beim vollautomatisierten UP-Schweißen ohne Sensor- und Regeltechnik problematisch ist.
Aufbauend auf diesen erfolgreichen Parameterstudien wurden nach festgelegtem Versuchsplan Verbindungsschweißungen mit den beschriebenen Grundwerkstoffen und Verfahrensvarianten unter Verwendung verschiedener Draht-Pulver-Kombinationen durchgeführt. Im Rahmen der durchgeführten mechanisch-technologischen Prüfungen konnten die Anforderungen der jeweiligen Anwendungsnormen (GL Shipbuilding Rules, GL Wind) sicher erfüllt werden.
Innerhalb der schiffbaulichen Versuche traten teilweise unzulässige Aufhärtungen an der Oberkante der geschärften Kante im Decklagenbereich durch örtliche Martensitbildung auf. Dies ist auf den erhöhten Kohlenstoffgehalt des Grundwerkstoffes sowie auf die fugengeometriebedingte rasche Abkühlgeschwindigkeit in Verbindung mit der höheren Schweißgeschwindigkeit im Decklagenbereich zurückzuführen. Durch Geschwindigkeitsreduktion in der Decklage kann die Aufhärtung auf einen zulässigen Wert reduziert werden.
Im Rahmen der UP-Quernahtschweißungen für das schiffbauliche Szenario konnten minimale Raupenanzahlen von drei (15mm Bleche) bzw. vier (20mm Bleche) bei rechnerischen Abschmelzleistungen von bis zu 20kg/h erzielt werden. Es stellte sich heraus, dass zwischen den jeweiligen UP-Verfahrensvarianten untereinander keine großen Produktivitätsunterschiede realisiert werden konnten. Maßgeblich dafür ist der, bedingt durch die geringere Blechdicke, kleine Anteil des Fülllagenbereiches an der Gesamtschweißung. Innerhalb dieses Bereichs kann in der Regel mit sehr hohen Abschmelzleistungen gearbeitet werden. Die Bereiche der Wurzel- und Decklage hingegen verlangen eine sehr exakte Wärmeführung zur Vermeidung von Schweißnahtunregelmäßigkeiten. Es hat sich außerdem als zweckmäßig erwiesen, die Streckenenergie auf unter 25kJ/cm zu begrenzen, da oberhalb dieses Bereiches regelmäßig metallurgische Unregelmäßigkeiten wie Heißrisse und Aufhärtungen auftraten, was überwiegend auf die Qualität der verwendeten Grund- und Zusatzmaterialien zurückzuführen ist.
Eine der größten Herausforderungen innerhalb der Versuchsschweißungen für das Offshore-Szenario war die sichere Pulverzuführung zum Wurzelpunkt in die tiefe Fuge, was durch das Förderschneckensystem gelöst wurde. Im Laufe des Projektes ist es gelungen, Parametersätze für die fehlerfreie Schweißung von Wurzel-, Fülllagen und Decklagenbereich zu finden, so dass der optische Befund wie auch die strengen mechanisch-technologischen Anforderungen für Offshore-Strukturen erfüllt werden konnten. Durch geeigneten Lagenaufbau und optimierte Wärmeführung konnten auch noch mit unlegierten Zusatzwerkstoffen vom Typ S3Si die Anforderungen an die aufnehmbare Kerbschlagarbeit in allen Bereichen der Schweißnaht, Schmelzlinie und WEZ nachgewiesen werden. Bei den Versuchen zeigte sich ein erheblicher Produktivitätsanstieg bei Verwendung von UP-Mehrdrahtvarianten, was im Gegensatz zu den schiffbaulichen Versuchen durch den hohen Anteil des Fülllagenbereiches an der gesamten Schweißung zu erklären ist (Blechdicke = 60mm). Es konnten Abschmelzleistungen von über 20kg/h bei einer minimalen Raupenanzahl von 36 sicher erzielt werden. Zur Erfüllung der mechanisch-technologischen Anforderungen sollte bei dem hauptsächlich verwendeten Draht S3Si in Verbindung mit fluorid-basischem Pulver die Streckenenergie 32kJ/cm nicht übersteigen, da sonst aufgrund der Ausbildung ungünstiger Gefügemorphologien die aufnehmbaren Kerbschlagarbeiten den Anforderungen nicht immer genügen können.

Mit Konstruktion, Bau und Erprobung eines durch Magnetschienen flexibel einsetzbaren Prototyps einer UP-Quernahtschweißanlage inklusive Anlagenperipherie sowie der erfolgreichen Absolvierung einer Verfahrensprüfung können in Verbindung mit den praktisch ermittelten Parametern und notwendigen Rahmenbedingungen die gewonnenen Erfahrungen aus dem Projekt sofort bei interessierten Unternehmen umgesetzt werden. Für den wirtschaftlich relevanten Blechdickenbereich ab 15mm liegen umfangreiche und abgesicherte Ergebnisse vor, die detailliert im Abschlussbericht dargelegt werden. Aufgrund der guten und häufigen Resonanz aus der Industrie (z.B. Anlagenhersteller, Anwender) zu dem Projekt kann von einer praktischen Umsetzung ausgegangen werden.


Forschungsstelle 1:
Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Mecklenburg-Vorpommern GmbH (SLV)
http://www.slv-rostock.de

Forschungsleiter:
Jan Hoffmann

Forschungsstelle 2:
Fraunhofer Anwendungszentrum Großstrukturen in der Produktionstechnik – AGP
www.hro.ipa.fraunhofer.de

Forschungsleiter:
Prof. Dr.-Ing. Martin-Christoph Wanner


(vorgelegt vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V. (VSM))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF




01.12.2014