A228

Neue Werkstoffe und angepasste Prozessketten für höherfeste Stahlwerkstoffe in geschmiedeten Strukturbauteilen


(A228 S 24/10104/2005)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2006 - 31. Dezember 2009

Der Werkstoff Stahl sieht sich in den letzten Jahren einer zunehmenden Konkurrenzsituation mit anderen Werkstoffgruppen im Bereich der Schmiedeanwendungen ausgesetzt. Die Ursache dafür sind in erster Linie steigende Forderungen nach einer Gewichts- und Kostenreduzierung im Bereich des Automobilbaus. Eine Gewichtsreduzierung wird in erster Linie durch eine Reduzierung des Querschnitts strukturtragender Bauteile erreicht. Dies wiederum erfordert innovative Stahlwerkstoffe, z.B. höherfeste Güten mit verbesserten Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften.

Ziel des Vorhabens war die Entwicklung eines verbesserten Stahlwerkstoffs und Prozessketten für massivumgeformte Strukturbauteile. Die Entwicklung betrachtete alle Elemente einer wirtschaftlichen Prozesskette von der Stahlherstellung und Vergießbarkeit im Strang bis zur Bau-teilfertigung und einer anschließenden spanenden Bearbeitung – z.B. gesteuerte Abkühlung, integrierte Wärmebehandlung –, ohne dass für den zu entwickelnden Werkstoff ein zusätzlicher konditionierender Prozessschritt (z.B. Vergüten) erforderlich wird. Der neu zu entwickelnde Werkstoff sollte gegenüber den heute verfügbaren Werkstoffen eine höhere statische und dy-namische Festigkeit bei mindestens konstantem Zähigkeitsverhalten aufweisen.

Ausgehend von einer Analyse des Standes der Technik durch eine Parameterstudie an Bautei-len aus handelsüblichen AFP-Stählen, bei welchen Mikrostruktur und mechanische Eigenschaften untersucht wurden, erfolgte die Legierungsentwicklung anhand von sieben Laborschmelzen mit variierenden Mikrolegierungselementgehalten. Anhand dieser Schmelzen erfolgte die Bewertung des Potentials der Werkstoffe bezüglich der mechanischen Eigenschaften sowie des Einflusses variierender Prozessparameter auf die Entwicklung der Mikrostruktur. Nach der Identifizierung von geeigneten chemischen Zusammensetzungen wurden diese in industriellen Versuchsschmelzen hergestellt und anschließend zu Bauteilen verschmiedet, anhand derer ein direkter Vergleich zum Stand der Technik ermöglicht wurde.

Das Forschungsziel konnte durch die Entwicklung eines höher mikrolegierten ausscheidungshärtenden ferritisch/perlitischen Stahls (AFP-M) realisiert werden. Durch den gezielten Einsatz der Mikrolegierungselemente Niob, Titan und Vanadium konnten Festigkeiten eingestellt werden, die nahe denen der Vergütungsstähle sind, jedoch den Prozessschritt des Anlassens einsparen. Die Zähigkeit konnte jedoch nicht von dem niedrigen Niveau der bereits eingesetzten AFP-Stähle angehoben werden.

Zum Vergleich der mechanischen Eigenschaften wurden verschiedene Referenzbauteile sowohl mit ihren Serienwerkstoffen als auch mit dem neu entwickelten mikrolegierten AFP-Stahl geschmiedet. Diese Referenzbauteile sind ein NFZ-Achsschenkel und eine Kurbelwelle, welche serienmäßig aus dem Stahl 38MnVS6 gefertigt werden, sowie eine Spurstange, welche serienmäßig aus dem Stahl 27MnSiVS6 hergestellt wird. Aus dem neu entwickelten AFP-M – Stahl wurde zusätzlich ein PKW-Radträger gefertigt.

Ein Vergleich der mechanischen Eigenschaften zwischen den Referenzwerkstoffen und dem neu entwickelten Stahl zeigt, dass durch das angepasste Legierungskonzept deutliche Verbesserungen im Festigkeitsbereich sowie im Streckgrenzenverhältnis durch Ausscheidungshärtung, Ferritanteilreduzierung und geringem Perlitlamellenabstand erzielt werden können. Die Zähigkeitseigenschaften liegen allerdings weiterhin auf einem niedrigen Niveau.

Der Einsatz der neuen Variante AFP-M mit optimierter Abstimmung der Gehalte an Nb, Ti, V und N gekoppelt mit einer angepassten Abkühlstrategie ermöglicht somit die Ausnutzung der ausscheidungshärtenden Effekte bei der Herstellung von Schmiedeprodukten. Durch eine kontrollierte aber dabei einfache Abkühlstrategie kann ein AFP-Gefüge mit verbesserten Festigkeitswerten durch Reduktion des Ferritanteils und geringem Perlitlamellenabstand eingestellt werden. Hierdurch kann eine Erweiterung der Produktpalette bzw. eine Querschnittsreduzierung bei bereits bestehenden Anwendungen ermöglicht werden.

In dem Projekt wurde eine wirtschaftlich attraktive Legierung entwickelt, die in Folge einer ein-fachen Abkühlstrategie in der Lage ist, ein hochfestes AFP-Gefüge einzustellen. Mit Hilfe von diesem Gefüge konnten in Pilotbauteilen mit der Prozessroute der Serienbauteile Streckgren-zen von über 800 MPa und Zugfestigkeiten von über 1100 MPa bei einer Bruchdehnung von über 10% erreicht werden. Aufgrund des entstehenden Gefüges nach der gesteuerten Abkühlung an Luft kann eine kostenintensive weitere Wärmebehandlung eingespart werden. Des Weiteren sind aufgrund der einfachen Prozessführung keine Anpassungen in vorhandenen Umformverfahren notwendig.

Durch die verbesserten Eigenschaften des entwickelten Stahles steht damit ein Mittel zur Wettbewerbssteigerung zur Verfügung. Es wird darüber hinaus ein Beitrag dazu geleistet, das Leichtbaupotenzial des Werkstoffs Stahl für den Automobilbau weiter auszuschöpfen.

Forschungsstelle 1:
Institut für Eisenhüttenkunde (IEHK) der RWTH Aachen
www.iehk.rwth-aachen.de

Forschungsleiter 1:
Univ. Prof. Dr.-Ing. W. Bleck

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM) für Industrieverband Massivumformung e. V. (IMU))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF