A215

Werkstoffqualifizierung für das 700/720 °C Kraftwerk


(A215 S 24/10073/2003)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. August 2004 - 31. Dezember 2009

In naher Zukunft wird in Europa und vor allem in Deutschland ein großer Ersatzenergiebedarf entstehen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der fossilbefeuerten Kraftwerke am Ende ihrer lukrativen Lebensdauer angekommen sind und somit nicht nach aktuellem Stand der Technik und dem damit verbundenen höheren Wirkungsgrad Energie erzeugen können. Unterstützt wird dies zudem durch den viel diskutierten Ausstieg aus der nuklearen Energieerzeugung. Da der erwähnte Ersatzbedarf nicht ausschließlich mit Hilfe regenerativer Energieerzeugung gedeckt werden kann, werden fossil befeuerte Kraftwerke auch in Zukunft eine tragende Rolle in der Energieerzeugung Europas spielen. Um die Belastung der Umwelt so niedrig wie möglich zu halten und zudem einen verantwortungsvollen Umgang mit fossilen und somit endlich verfügbaren Ressourcen zu gewährleisten, muss die CO2-Emission und der Brennstoffverbrauch so niedrig wie möglich gehalten werden. Dies kann nur über die Steigerung der Wirkungsgrade fossilbefeuerter Kraftwerke realisiert werden. Um eine solche Wirkungsgradsteigerung technisch zu ermöglichen, müssen die Dampfparameter Druck und Temperatur angehoben werden, was wiederum eine gesteigerte Anforderung an die Kraftwerkskomponenten und somit der Sammler- und Rohrleitungswerkstoffe, aber auch der Kessel- und Membranwandwerkstoffe bedeutet.

Ziel dieses Forschungsvorhabens war die Qualifizierung der Sammler- und Rohrleitungswerkstoffe sowie der Kessel- und Membranwandwerkstoffe für ein 700 °C/720 °C Kraftwerk, welches Wirkungsgrade über 50 % ermöglichen soll. Für die Klasse der Sammler- und Rohrleitungswerkstoffe wurden dickwandige Rohre aus Alloy 617 mod., VM12 und P92 gefertigt und anschließend mittels zweier unterschiedlicher Schweißverfahren Umfangsnähte hergestellt und grunderprobt. Weiterhin wurden Induktivbiegungen, sowie Sammler-Nippel-Schweißungen mit Hilfe der dickwandigen Rohre durchgeführt. Im Falle der Kessel- und Membranwandwerkstoffe wurden aus den Werkstoffen Alloy 617 mod, VM12 SHC, T92 und T24 Kesselrohre gefertigt und ebenfalls Umfangsnähte hergestellt und grunderprobt. Zudem wurden einige Rohr-Steg-Schweißungen angefertigt. An beiden Werkstoffklassen wurden umfangreiche Zeitstanduntersuchungen durchgeführt.

Ein Schwerpunkt der durchgeführten Untersuchungen bildet der an der MPA Stuttgart entwickelte Membranwandprüfstand, mit dessen Hilfe membranwandähnliche Prüfkörper unter annähernd realen Betriebsbedingungen untersucht werden können. Hierzu werden zwei Kesselrohre der Prüflinge mit Dampf aus einer Wasseraufbereitungsanlage beaufschlagt, zwei weitere Kesselrohre unter identischem Druck und identischer Temperatur mit Stickstoff belastet. Zusätzlich wird eine senkrecht der Kesselrohrachse wirkende Zugkraft auf den Prüfkörper aufgebracht. Die Belastung der Membranwandprüflinge wurde so ausgelegt, dass in einem vorher definierten Zeitraum von 2.000 h bis 5.000 h eine deutlich sichtbare Kriechschädigung entsteht. Mit Hilfe umfangreicher metallografischer Untersuchungen, sowie EDX-Analysen und Elementmappings am REM, konnten anschließend die entstandenen Oxidschichten gemessen und ihre chemische Zusammensetzung bestimmt werden. Weiterhin wurden an Hand der durchgeführten Schliffe Informationen zum Schädigungszustand der Prüfkörper ermittelt. Auf diese Weise konnten die Bereiche maximaler Schädigung am Übergang vom Schweißgut der Rohr-Steg-Schweißung zum Kesselrohr, knapp unterhalb der Bauteiloberfläche identifiziert werden. Mit Hilfe mikrostruktureller Untersuchungen am TEM wurden zudem die Ausscheidungscharakteristiken einiger Zeitstandproben und der Membranwandprüfkörper nach erfolgter Kriechbelastung bestimmt.

Mit Hilfe viskoplastischer FE-Simulationen, die auf einem modifizierten Kriechgleichungsansatz nach Graham-Walles basieren, wurden die Membranwandprüfkörper nachgerechnet und ausgewertet. Es konnte gezeigt werden, dass mit einem homogenen Modell eine gute Übereinstimmung von Experiment und Modell erzielt werden konnte. Lediglich der Bereich tertiären Kriechens wurde in der Simulation nicht erreicht. Die Verwendung eines Modells mit jeweils drei modellierten Wärmeeinflusszonen mit unterschiedlichen Kriecheigenschaften führte zur Akkumulation von etwas mehr Dehnungen als mit einem rein homogenen Modell. Zudem kann der Bereich maximaler Schädigung mit Hilfe der modellierten Wärmeeinflusszonen noch genauer abgebildet werden.

Die Ergebnisse des Vorhabens leisten einen wertvollen Beitrag bei der Auslegung von druckbeaufschlagten Rohren im Kraftwerksbau. Mit den erarbeiteten Daten können Werkstoffblätter ergänzt und weitere Fortschritte im Hinblick auf eine Zulassung im Rahmen der europäischen Druckgeräterichtlinie erreicht werden. Eine Datenbasis für die Auslegung und die betriebliche Zuverlässigkeit im Langzeitbereich konnte geschaffen werden. Aufgrund des hohen Stahleinsatzes im Kraftwerksbau ergeben sich aus dem Vorhaben positive Effekte für die Stahlanwendung in Deutschland.

Forschungsstelle 1:
Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart (MPA) Otto-Graf-Institut
www.mpa.uni-stuttgart.de

Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. habil E. Roos

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V., Düsseldorf (SET) für Fachverband Dampfkessel-, Behälter- und Rohrleitungsbau e.V. (FDBR))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF