A108

Geometrische Untersuchungen zum automatisierten Schrauben


(A108 S 24/15/97)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1998 – 30. Juni 2000

Besonders bei Schraubenabmessungen ab M6 und Schrauben mit Feingewinde werden erhebliche Anforderungen an die Positioniergenauigkeit der jeweiligen Montageautomaten gestellt. Um teure Ausfallzeiten zu vermeiden, ist eine hohe Qualität und optimale Gestaltung der Zuführteile notwendig. In der automatischen Serienmontage sind Störungen beim Finden und Ansetzen der Schraube besonders kritisch. Schraubenanwender stehen allgemein vor den Problemen, daß die Schraube das Einschraubloch nicht findet oder das Gewinde beim Ansetzen verkantet. Das Ansetzen ist beim automatischen Verschrauben ein komplizierter Positionier- und Zentriervorgang. Beim Montageprozeß können Bauteil- und Positioniertoleranzen niemals ganz ausgeschlossen werden. Derzeit werden die technologischen und konstruktiven Grenzwerte für den jeweiligen Anwendungsfall empirisch ermittelt. Neben den standardisierten Positionier- und Zentrierhilfen existiert eine Vielzahl von Sonderlösungen.

Ziel des Projektes war die Systematisierung, Charakterisierung  und Berechnung der geometrischen Bedingungen des Einschraubprozesses. Daraus abgeleitete allgemeingültige Gestaltungsrichtlinien für Positionier- und Zentrierhilfen und technologische Anforderungen sind ein wesentliches Hilfsmittel sowohl für den Schrauben- und Schraubenhersteller als auch den Anwender, die Prozeßsicherheit zu erhöhen und somit erhebliche Kosten zu sparen.

Mit der Methode der Fügestellenanalyse wurden anhand ausgewählter industrieller Einsatzfälle automatisierte Schraubenverbindungen bewertet und die Randbedingungen systematisiert. Aufgrund der komplexen geometrischen Einflußfaktoren auf die Qualität der Schraubenverbindung waren analytische und experimentelle Untersuchungen der Einschraubprozesse als Bewertungsgrundlage notwendig.

Die geometrischen Randbedingungen lassen sich je nach Fügeelement und den Einschraubverhältnissen klassifizieren. Die Einschraubverhältnisse werden hauptsächlich durch die geometrischen Bedingungen des Montagevorganges bestimmt. Anhand von Berechnungsalgorithmen wird der wesentliche Einfluß der Toleranzen zwischen Schraubwerkzeug und Schraube und die Auslegung von Durchgangsbohrungen auf die Positioniergenauigkeit dargestellt.

Ausgehend von geometrischen Randbedingungen beim Finde- und Ansetzvorgang wurden zweidimensionale Berechnungsmodelle auf der Basis der Gewindekenngrößen (Steigung, Nenn- und Kerndurchmesser, Flankengeometrie und Toleranzen) erstellt. Anhand von trigonometrischen Beziehungen konnten die Fälle Verkippen und Verkanten analytisch erfaßt und mit dem Modell "Ideales Gewinde" die Wechselwirkungen der einzelnen Kenngrößen untersucht werden. Beim Modell "Ideales Gewinde" wird das Profil des metrischen Gewindes auf ein Dreiecksprofil reduziert, das durch Flankendurchmesser, Steigung und Flankenwinkel eindeutig bestimmt ist. Unter Einbeziehung des Flankenspiels konnten die maximal möglichen Einschraubwinkel für die metrischen Regelgewinde M4 bis M12 sowie die Feingewinde M8x1 und M12x1,5 berechnet und entsprechend der mögliche Axialversatz abgeleitet werden.

Der für den experimentellen Nachweis konstruierte Versuchsstand besteht aus einer vertikal angeordnete Schraubspindel und einer Positioniereinrichtung. Mit Hilfe von Weg- und Winkelaufnehmern wird der Axial- und der Winkelversatz gemessen. Zur Charakterisierung des Einschraubverhaltens in den ersten Gewindegängen können das Drehmoment extern gemessen und mit einer entsprechenden Meßsoftware alle Meßgrößen erfaßt und die verschiedenen Zusammenhänge dargestellt werden.

Mit den Versuchen konnten für die Regelgewinde M4, M6, M8, M12 und die Feingewinde M8x1 und M12x1,5 eindeutig Grenzwerte für den maximalen Axialversatz festgelegt werden. Die erheblichen Differenzen zu den errechneten Werte sind auf das vereinfachende Modell "Ideales Gewinde" zurückzuführen. Bei realen, genormten Gewinden ist aus fertigungs- und betriebstechnischen Gründen deren Geometrie mit Dreiecksprofilen nicht identisch. Durch die Einführung eines Kopfkürzungsfaktors in das Rechenmodell für die jeweilige Gewindeform kann diese Tatsache berücksichtigt werden.

Eine der am häufigsten eingesetzten Gewindeenden zur Unterstützung des Ansetzvorganges ist der Einführzapfen mit Ansatzspitze nach DIN EN ISO 4753 und der Werksnorm VM 60424. Die Berechnung des kritischen Winkels für das Verkanten des Gewindes ist ein analytischer Ansatz zur Dimensionierung von geeigneten Führungselementen. Damit kann die Dimensionierung des zylindrischen Einführzapfens geometrisch beschrieben werden. Eine wesentliche Kenngröße am Führungszylinder ist das Verhältnis von Führungslänge zum Nenndurchmesser. Im Ergebnis der Untersuchungen wurde eine optimale Führungslänge von Iz=0,7...0,8 d ermittelt. Aus dieser Tatsache und den durchgeführten analytischen Betrachtungen wurden optimale Abmessungen des Führungszylinders bestimmt. Versuche zur Bestimmung des Einflusses von Führungslänge, Führungsdurchmesser und der Steigung auf den Einschraubvorgang bestätigen, daß geringere Führungsdurchmesser einerseits einen größeren Winkelversatz ermöglichen, andererseits aber auch die Gefahr des Verkantens der Gewinde erhöhen. Um dieses Verkanten zu vermeiden, ist der ideale Führungsdurchmesser geringfügig kleiner als die Kernbohrung zu wählen.

Ein experimenteller Vergleich der bei der automatischen Schraubenmontage häufig eingesetzten Gewindeenden bestätigte, daß sowohl Einführungszapfen mit Ansatzspitze (DIN EN ISO 4753, VW 604 24) als auch Acupoint-Gewindeenden einen vergleichbaren Axialversatz ermöglichen. Ein Vergleich des Findeverhaltens aller getesteten Gewindeenden bei unterschiedlicher Fasengeometrie bestätigt die Aussage, daß Fasen am Gewindeloch das Findeverhalten erhöhen und eine 2 x 45o-Fase geeignetet ist, als die nach DIN 76 standardisierte Fase.

Charakteristische Drehmomentverläufe für spielfreie Einspannungen verdeutlichen, daß ein Winkelversatz das Drehmoment kontinuierlich erhöht, während der Axialversatz sich während des Einschraubvorganges in Winkelversatz umwandelt und den Drehmomentverlauf nur unwesentlich beeinflußt. Bei einer Einspannung mit Spiel (z.B. Bit) wird ein geringer Axialversatz kompensiert. Der maximale Axialversatz  wird durch das Findeverhalten begrenzt. Bei kombinierten Axial- und Winkelversatz summieren sich die beiden Beträge oder heben sich auf.

Die bei der Versuchsauswertung genutzte Methode der statistischen Versuchsplanung ist nicht nur geeignet, um die komplexen kinematischen, geometrischen und werkstofftechnischen Zusammenhänge des Schraubvorganges zu beschreiben, sondern es können auch mit minimalen Aufwand  sinnvolle statistisch fundierte Grenzwerte für den Fertigungsprozeß bestimmt werden. Alle Versuchsauswertungen verdeutlichen, daß mit der Versuchseinrichtung für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle die Grenzen von Winkel und Axialversatz und das Einschraubmomente appliziert werden können.

Die analytischen Modelle, die Versuchsergebnisse und die entsprechenden Dimensionierungs- und Gestaltungsrichtlinien sind in einem wissensbasiertes System in der Form einer Access-Datenbank zusammengefaßt. Eine kontinuierliche Erweiterung der Datenbank ermöglicht Schrauben- und Schraubwerkzeugherstellern, ihren Kunden fundierte Kenntnisse über die einzuhaltenden geometrischen Bedingungen zu ermitteln.

Die aus den analytischen und experimentellen Untersuchungen abgeleiteten Dimensionierungs- und Gestaltungsrichtlinien für Positionier- und Zentrierhilfen ermöglichen den Schraubenherstellern diese Ergebnisse in ihre Neuentwicklungen einfließen zu lassen. Schraubengeräteherstellern wird es möglich sein, ihre Schraubstationen entsprechend den Vorgaben einzurichten und für den Anwendungsfall geeignete Positionier- und Zentrierhilfen zu empfehlen.

Forschungsstelle 1:
Professur für Umform- und Urformtechnik am Institut für Formgebende Fertigungstechnik der TU Dresden (LUT)
http://mciron.mw.tu-dresden.de/lut/lut.htm
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. habil. U. Füssel
(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahlumformung e.V. – WSU -, Hagen für Deutschen Schraubenverband, Hagen)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF