A167

Entstehung von Ti(C2N)-Ausscheidungen im Wälzlagerstahl 100 Cr6 und deren Auswirkungen auf die Ermüdungseigenschaften


(A167 S 24/10004/01)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2001 - 31. Dezember 2003

Nachdem in den letzen Jahren der oxidische und sulfidische Reinheitsgrad des Wälzlagerstahles 100Cr6 verbessert werden konnte, wird nun die Ermüdungslebensdauer dieses Stahles insbesondere bei Umlaufbiege- und Zugschwellbelastung zunehmend durch die Rissinitiierung an Ti(C,N)-Ausscheidungen begrenzt. Die kritischen Ti(C,N)-Ausscheidungen in hochfesten Stählen mit geringen Ti-Gehalten um 10 ppm sind bei gleicher schädlicher Wirkung wesentlich kleiner als oxidische oder sulfidische Einschlüsse. Mit dem Vorhaben sollten die Entstehungsbedingungen der Ti(C,N)-Teilchen bei unterschiedlichen Erzeugungsrouten des Stahles 100Cr6 untersucht, ihre Auswirkungen auf die Ermüdungseigenschaften analysiert sowie Maßnahmen zur Beherrschung dieses Einflusses (insbesondere zur Reduzierung der Teilchengröße) und damit zur weiteren Verbesserung der Ermüdungsfestigkeit erarbeitet werden.

Das Vorhaben teilt sich in zwei Teile. Im Teil 1 des Projektes wurde der Einfluss verschiedener Herstellungsrouten auf die Größe und Verteilung der Ti(C,N)-Einschlüsse verfolgt. Dazu wurden sechs Chargen (Varianten A1 - A6) von fünf verschiedenen Stahlherstellern ausgewählt. Diese unterschieden sich in den Schmelz- (Elektro-Ofen oder LD-Konverter) bzw. Gießbedingungen (Blockguss - Vorblockstrangguss - direkter Strangguss). Die Varianten wurden hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung (insbesondere Gehalte an AI, Ti, V, Stickstoff, Sauerstoff) und ihrer Reinheit nach DIN 50602 analysiert. Besonderer Wert wurde auf die oxidische Reinheit gelegt, da die größten oxidischen Einschlüsse die zu prüfenden Ermüdungseigenschaften wesentlich bestimmen. Das ist besonders der Fall für Titan-Gehalte von 10 ppm und darunter, so dass neben dem Studium der Ti-Karbonitride immer die oxidische Reinheit beachtet werden muss. Die Reinheitsbestimmung nach DIN 50602 berücksichtigt nicht die Karbonitride. Deshalb wurden bei diesen Bestimmungen auch die Titankabonitride der Größe und Anzahl nach bestimmt. Schwerpunkt war die licht und rasterelektronenmikroskopische (REM/EDXS) Charakterisierung der Ti-Karbonitride. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- In den Stranggussvarianten (vergleichbares Blockformat) liegt die maximale Größe der Ti(C,N)-Einschlusse unter 10 Mikrometer, in drei Chargen sogar unter 6 Mikrometer.
- Ein Ti-Gehalt von 15 ppm führt in Strangguss zu mehr und etwas größeren Ti(C,N)-Einschlüssen (bis 12 Mikrometer).
- Im Blockguss (geringere Abkühlgeschwindigkeit als im Strangguss) werden auch bei einem Ti-Gehalt von nur 9 ppm Ti(C,N)-Einschlüsse >10 Mikrometer festgestellt.
- Die Größe der Ti(C,N)-Einschlüsse wird sowohl von der Abkühlgeschwindigkeit beim Erstarren als auch von dem Ti-Gehalt wesentlich bestimmt.
- Die untersuchten Varianten unterschieden sich in der Reinheit nach DIN 50602.
- Im Rahmen dieser Untersuchungen konnte kein Einfluss zwischen Vorblockstrangguss und direktem Strangguss beobachtet werden.

Die Ermüdungsversuche zum Nachweis der Einschlüsse auf die Ermüdungseigenschaften erfolgten an bainitisierten Proben im Zugschwellbereich (Frequenz=20Hz, R=0,1) auf einer servohydraulischen Prüfmaschine sowie einer Resonanzermüdungsapparatur mit folgenden Ergebnissen:

- In "normalem" Strangguss mit Ti-Gehalten unter 10 ppm erfolgt die Rissinitiierung an oxidischen Einschlüssen und nur in Einzelfällen an Ti(C,N).
- In der Variante mit höchster Reinheit, aber etwas erhöhtem Ti-Gehalt dominieren Ti(C,N) (Größe 6-12 Mikrometer). Diese Variante zeigt die besten Ermüdungseigenschaften. Die Wirkung von 10 Mikrometer großen Karbonitriden entspricht etwa 20 jMikrometer großen globularen Oxiden.
- In Blockgussmaterial tritt neben Rissauslösung an Oxiden auch der Einfluss der vergleichsweise großen Ti(C,N)-Teilchen (18-21 Mikrometer) hervor.

Im Teil 2 des Projektes wurde der Einfluss der Schmelz- und Gießparameter auf die Ti(C,N)-Bildung an zwei LD-Konverter-Chargen, die sich im Kokillenformat (240 mm vierkant und 150mm vierkant) unterschieden, untersucht. Der Einfluss von Überhitzungstemperatur, elektromagnetischem Rühren, Geschwindigkeit und reduzierter Sekundärkühlung auf die Ti(C,N)-Bildung sollte verfolgt werden. Die Variation der Überhitzungstemperatur von 4 °c war zu gering, um Effekte nachweisen zu können. Aufwändige lichtmikroskopische Untersuchungen an polierten Längsschliffen kombiniert mit REM/EDXS ergaben folgende Resultate:

- Das Kokillenformat und damit die Abkühlgeschwindigkeit beim Erstarren beeinflusst die Größenverteilung der Ti(C,N)-Teilchen entscheidend.
- Der Einfluss der Erhöhung der Gießgeschwindigkeit von 2,5 m/min auf 3,6 m/min (kleines Blockformat) konnten nicht nachgewiesen werden. Dagegen führte eine Reduzierung der Sekundärkühlung (Reduzierung der Abkühlgeschwindigkeit) zur Bildung größerer Ti-Karbonitride.

Die Ermüdungsversuche (Zugschwellversuche) wurden analog zu Teil 1 des Projektes durchgeführt. Sie konzentrieren sich auf die "Normalvarianten" und die Varianten komplett ohne Rühren für beide Blockformate.

- Die Ergebnisse entsprachen der besten Charge aus Teil 1 mit höchster Reinheit. Nur die Normalvariante C2 mit kleinem Blockformat fiel etwas ab. Ursache dafür war ein etwas schlechterer KO oxid.-Wert von 0,6 im Vergleich zu den anderen Zuständen.
- Die guten Eigenschaften sind ein Resultat der speziellen Desoxidationstechnologie, die trotz eines Sauerstoffgehaltes von 10 ppm bei sehr niedrigem Aluminium-Gehalt zur Bildung kleinerer verformbarer oxidischer Einschlüsse führt. Globulare Oxide und Oxide mit unregelmäßiger Form wurden deshalb getrennt bewertet.
- Die rissauslösenden Ti(C,N)-Karbonitride hatten Größen unter 6 Mikrometer. Offenbar wirken sie nur, wenn keine größeren Oxide im belasteten Probenvolumen vorliegen.

Die fraktografische Analyse der Ermüdungsbruchflächen erlaubte eine bruchmechanische Auswertung. Aus dem Durchmesser D der Ermüdungsbruchzone (Zone des stabilen Risswachstums) bzw. der Teilchengröße d wurde der kritische Spannungsintensitätsfaktor für instabile Rissausbreitung K bzw. der Schwellwert der Ermüdungsrissausbreitung an inneren Defekten nach der linearelastischen Bruchmechanik abgeschätzt.

Für eine weitere Verbesserung der Ermüdungseigenschaften von 100Cr6 ist anzustreben:

- Weitere Erhöhung der oxidischen Reinheit. Das betrifft besonders die weitere Reduzierung der Anzahl der Oxide pro Volumen als auch die maximale Oxidgröße.
- Ti-Gehalte unter 10 ppm und Strangguss sind einzuhalten. Kleines Blockformat und hohe Abkühlgeschwindigkeit im Strang verringern die Ti(C,N)-Teilchengröße weiter.

Forschungsstelle 1:
Leibniz-Institut für Festkörper-und Werkstoffforschung Dresden (IFW)
www.ifw-dresden.de
 
Forschungsleiter 1:     
Prof. Dr.-Ing. Köthe
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., VDMA für FVA, Frankfurt)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF