A175

Entwicklung eines Verfahrens zur Rückwärtssimulation von Massivumformprozessen zur schnellen Auslegung der Stadienfolge


(A175 24/10022/01)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2002 - 29. Februar 2004

Problemstellung

Bei der Auslegung einer Stadienfolge muss der Konstrukteur stets folgende Frage beantworten: Wie hat die Werkstückgeometrie auszusehen, die in das abbildende Werkzeug eingelegt wird, um die Gravur während des Umformvorganges fehlerfrei zu füllen. Dies ist eine Fragestellung, die von der Fertigteilgeometrie ausgehend rückwärtsschreitend Stufe für Stufe zu beantworten ist, bis eine Geometrie erreicht wird, die aus einem Halbzeug herstellbar ist. Um die jeweilige Form zu finden, werden verschiedene Einlegegeometrien in das Gesenk eingesetzt und der sich einstellende Werkstofffluss mit z.B. der FE-Methode simuliert. Es sind also mehrere Simulationsläufe notwendig, um sich an eine ideale Werkstückgeometrie heranzutasten.

Ziele

In dem vorliegenden Projekt sollte ein Simulationswerkzeug für Unternehmen der Warmmassivumformung erstellt werden, welches, ausgehend von der Fertigteilgeometrie, durch Rückwärtssimulation gezielt eine optimale Einlege- bzw. Ausgangsgeometrie in wenigen Minuten mit einem einzigen Simulationsdurchlauf auf konventionellen Rechnern ermittelt. Dies ist nur möglich, wenn es gelingt, die Fließvorgänge nicht vorwärtsschreitend zu simulieren, sondern mit der gefüllten Hohlform den Rechenvorgang zu beginnen, um dann die „Rückbildung“ der Werkstückgeometrie (den inversen Werkstofffluss) abzubilden.

Es sollte daher eine Software zur Rückwärtssimulation von Massivumformprozessen entwickelt werden, welche aufgrund der schnellen und gezielten Vorgehensweise konstruktionsbegleitend eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zu konventionellen Simulationswerkzeugen, wie z.B. der FEM (Finite-Elemente-Methode) erlaubt die Rückwärtssimulation eine eher intuitive und direkte Vorgehensweise.

Im Vergleich zu konventionellen FEM-Programmen konzentriert sich das System im Wesentlichen auf die Erfassung der Fließvorgänge innerhalb der Gravur mit dem Ziel die Stadienfolge – die eine Schlüsselstellung beim Gesenkschmieden einnimmt – auszulegen. Weitere Zielgrößen wie Temperatur- oder Spannungsverteilungen können mit diesem Ansatz zunächst nicht berechnet werden. Entsprechend ergeben sich vergleichsweise kurze Rechenzeiten, welche die Grundvorrausetzung einer integrierten, konstruktionsbegleitenden Softwarelösung darstellen. Hierbei liegen dem Algorithmus die  folgenden Annahmen zugrunde:
· Der Werkstofffluss innerhalb der Gravur folgt während der Umformung dem Prinzip des geringsten Zwanges.
· Materialbewegungen finden auf Verdrängungsbahnen statt, die vorwiegend parallel zu den Achsen der Haupt- und Nebenformelemente verlaufen.
· Das Werkstückvolumen während des gesamten Umformprozesses ist konstant.
· Der Haupteinfluss während der Umformung wird durch die formgebenden Werkzeuge auf das Werkstück erzeugt.
Es sei bemerkt, dass der Rückwärtssimulation zur Bestimmung weiterer Zielgrößen eine hinsichtlich der Vorform- und Gesenkgeometrien voroptimierte FEM-Berechnung nachgeschaltet werden kann.

Vorgehensweise

Zunächst wurden die Daten des CAD-Systems mit dem Postprozessor PrinzSTL in ein spezielles  Datenformat überführt. Die Beschreibung der geometrischen Gestalt der Werkzeuge und des Werkstücks erfolgte durch mehrere parallel zur Werkzeugbewegung verlaufende Schnittkurven.

Für die Materialflusssimulation wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass die Materialbewegung vorwiegend parallel zu den Achsen der Haupt- und Nebenformelementen verläuft. Diese Achsen werden als Verdrängungsbahnen bezeichnet, entlang derer die Materialbewegung nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges abläuft. Die Berechnung dieser Bahnen erfolgt mittels eines Kreises, der seinen Radius – abhängig von seiner Lage innerhalb der Gravur – so verändert, dass er jeweils die maximal mögliche Größe einnimmt, ohne sich zu verformen. Lässt man den Kreis sämtliche Positionen anfahren, so beschreibt der Mittelpunkt des Kreises die Verdrängungsbahnen. Mit einem modifizierten Verfahren (Mediale Achsen-Transformation) berechnet die am IFUM entwickelte Simulationssoftware diese Verdrängungsbahnen.

Damit sind die Bahnen, entlang derer Werkstoffbewegungen denkbar sind, bestimmt, nicht aber die Volumenanteile, die sich entlang der Bahnen verschieben. Die Intensität der Werkstoffbewegung ist abhängig von der Summe der geometrischen Widerstände, die entlang der Verdrängungsbahnen vorliegen und überwunden werden müssen. Mittels einer speziellen Widerstandsberechnung wurden die zu reduzierenden Werkstoffvolumina ermittelt und an den entsprechenden Bereichen entfernt. Die so freigewordene Menge Material lagert sich an den Stellen, die mit dem Gesenk in Kontakt stehen, an. Anschließend werden die Gesenke wieder auf Kontakt zum Werkstoff verfahren. Iterativ kann so eine rückwärtige Simulation des Werkstoffflusses durchgeführt werden.

Ergebnisse

Es wurde ein Softwarepaket zur schnellen Rückwärtssimulation des Materialflusses bei Gesenkschmiedevorgängen entwickelt. Ausgehend von der Vorformgeometrie des Werkstückes berechnet der Softwareprototyp den rückwärtsgerichteten Werkstofffluss hin zur Ausgangsgeometrie. Die Simulationszeiten betragen in der Regel wenige Minuten. Für rotationssymmetrische Geometrien liefert das Softwarepaket genaue Ergebnisse. Für nicht rotationssymmetrische Werkstücke macht sich die Zerlegung der Werkzeuge und des Werkstücks in Schnittebenen negativ bemerkbar. Eine genaue Aussage über den räumlichen Werkstofffluss, hier ist besonders der Materialfluss aus und in die Betrachtungsebene hinein zu nennen, ist nur eingeschränkt möglich und eine Berechnung der Ausgangs- oder Zwischenformen für das Bauteil ist noch nicht möglich.
Durch die Einbindung der Prä- und Postprozessoren in die Simulationskette und die zusätzliche Nutzung dieser Software wird die Handhabung für den Konstrukteur erschwert. Damit können Fehler in der Bedienung durch den Anwender und numerische Ungenauigkeiten der Software verstärkt auftreten.

Praktischer Nutzen/Wirtschaftlichkeit

Der ökonomische Nutzen der Software für die Werkzeugentwicklung in der Warmmassivumformung wurde mit einer 3-stufigen Wirtschaftlichkeitsanalyse untersucht. Berücksichtigt wurden die direkten und indirekten monetären Auswirkungen der Software auf den Entwicklungsprozess sowie die nicht monetär erfassbaren Einflüsse. Dabei wurden auf der ersten Stufe die direkte anfallenden, einmaligen und laufenden Aus- und Einzahlungen eingehen, während auf der zweiten Stufe die häufig nur vage abschätzbaren indirekten Aufwands-/ Nutzeffekte, wie beispielsweise Verringerung von Fehlzeiten, Störungszeiten, Unfallhäufigkeiten usw., erfasst werden. Zur Bestimmung der direkten monetären Einflüsse wurden die bisher entstandenen Aufwendungen für die Entwicklung der Software in der Investitionsrechnung angesetzt.

Die Prüfung hat ergeben, dass eine Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Wirtschaftlichkeit kann erzielt werden kann. Die resultiert beispielsweise aus einer Verbesserung der Durchlaufzeiten und optimierten Vorformen. Die Wirtschaftlichkeit der ersten Stufe sinkt etwas. Dies hängt mit den zusätzlich benötigten Lizenzgebühren für die Rückwärtssimulationssoftware zusammen.

Forschungsstelle 1:
Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) Leibniz-Universität Hannover
www.ifum.uni-hannover.de

Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. B.-A. Behrens
 
(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM) für Industrieverband Deutscher Schmieden e.V. (IDS) (jetzt: Industrieverband Massivumformung e. V. (IMU)))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF