A158

Werkzeughalter mit echt schwimmender Lagerung des Unterteils


(A158 S 24/08/00)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2000 – 30. November 2001

Die immer größeren Genauigkeitsforderungen an die Erzeugnisse und deren zunehmend kompliziertere Gestalt zwingen heute beim Gesenkschmieden vielfach zur Anwendung aufwendiger kombinierter Führungssysteme in der Maschine und im Werkzeug. Dies trifft insbesondere auf das mehrstufige und damit außermittige Schmieden in Kurbelpressen zu.

Bei mehrstufigen Schmiedeoperationen ist die Stößelkippung das wichtigste Kriterium. In allen Versuchsreihen wird festgestellt, daß sie im wesentlichen in Richtung und Größe mit  Werkzeugversatz, Gesenkverschiebung, Werkstückgenauigkeit und Führungskräften korreliert. Die durch die Stößelkippung erzwungene Verschiebung der Gesenke ist mit erheblichen Belastungen der Gesenkführung verbunden.

Es wird deshalb ein Werkzeughalter vorgeschlagen, bei dem eine echte schwimmende Lagerung der Untergesenke zusammen mit der unteren Aufspannplatte erfolgt, um den Verschiebungen der Untergesenke während des Schmiedens nur sehr geringe Reibungskräfte entgegenzusetzen.
Aus Simulationsrechnungen geht hervor, daß mit einer Senkung der Führungskräfte in der Gesenkführung und mit einer günstigeren Verteilung der Belastungen der Stößelführung gerechnet werden kann. Daraus läßt sich sowohl eine Senkung des Verschleißes in den Führungen als auch eine Erhöhung der Genauigkeit erwarten. Als Nachteil ist eine höhere Stößelkippung zu verzeichnen, da durch die schwimmende Lagerung die stabilisierende Wirkung auf den Pressenstößel vermindert wird.
Allgemeines Ziel des Projektes „Werkzeughalter mit echt schwimmender Lagerung des Unterteils“ war die Senkung des Materialverschleißes in den Führungen der Gesenke und an den Aufspannflächen der Werkzeughalter beim Gesenkschmieden, um einerseits deren Lebensdauer zu erhöhen und andererseits den steigenden Qualitätsanforderungen – besonders mit Blick auf eine endkonturennahe Fertigung – auch zukünftig gerecht werden zu können. Nach der Durchführung von Vorarbeiten, die Teilergebnisse zum Problem lieferten, waren folgende konkrete Zielstellungen zu realisieren:
Darstellung der wirtschaftlichen Effekte beim Einsatz eines schwimmenden Werkzeughalters
Erfordernis des Einsatzes von Gesenkführungen in Abhängigkeit von der Art und den Qualitätsanforderungen der zu fertigenden Schmiedestücke sowie von der Anwendung anderer Führungs- und Spannsysteme

Der im Rahmen des Projektes erarbeitete Konstruktionsentwurf eines Werkzeughalters mit schwimmend gelagerter unterer Aufspannplatte beinhaltet als neue Lösungen
die Werkzeughalterführung (die aufgrund der Simulationsergebnisse für notwendig befunden wurde) mit diagonalen Führungsflächen (X-Führung), in deren Unterteil die schwimmende Aufspannplatte enthalten ist,
die Ausführung einer Gleitschicht zwischen Aufspannplatte und Grundplatte mit Schmierstoffzu- und –abführung für die Impulsschmierung,
Rückstellelemente, die die Ausgangslage der schwimmend gelagerten Aufspannplatte zusammen mit den darauf befestigten Untergesenken nach Vollendung eines Arbeitshubes wiederherstellen,
eine Lösung für die Gesenkbefestigung und Auswerfergestaltung.

Die Ergebnisse von Berechnungen über das Verhalten von Werkzeughalter und Werkzeugen sind in den folgenden Abschnitten zusammengefaßt:
Die Stößelkippung wird durch Führungen im Werkzeug vermindert. Bei schwimmender Lagerung ist die Gesenkführung diesbezüglich nicht wirksam, da die geringen Reibwerte in der schwimmenden Lagerung keine Seitenstabilität geben. Erst mit der Anwendung einer Werkzeughalterführung kann man niedrige Werte der Stößelkippung erreichen.

Die Belastung der Stößelführung zeigt eine ähnliche Abhängigkeit wie die Stößelkippung. Ohne Führungen im Werkzeug sind die Belastungen stets weitaus höher.
Der Gesenkversatz ist bei Anwendung der schwimmenden Lagerung mit Gesenkführung allgemein sehr gering. Niedrige Werte für den Gesenkversatz erzielt man auch beim kraftschlüssigen Spannen und Anwendung einer Werkzeughalterführung (eine in der Praxis kaum verwendete Variante).

Die Spannungen in der Gesenkführung sind stark von den Querkräften im Gesenk beeinflußt. Durch eine Werkzeughalterführung wird die Gesenkführung entlastet. Die schwimmende Lagerung führt stets zu niedrigeren Spannungen im Vergleich zu den anderen Spannvarianten.

Verschiebungen der Untergesenke auf der Aufspannplatte treten in nennenswerter Größe nur beim kraftschlüssigen Spannen auf.

Die Untersuchung des Einflusses der Schubrichtung der Querkräfte ergab bemerkenswerte Erkenntnisse:
Die Stößelkippung ist bei Varianten ohne Führungen im Werkzeug sehr gering, wenn die Schubkraft am Obergesenk zur Pressenmitte zeigt, bei kraftschlüssiger Spannung mit Gesenkführung wird sie ebenfalls etwas vermindert, bei schwimmender Lagerung mit Gesenk und Werkzeugführung ist die Kippung von der Schubkraft dagegen unabhängig.
Beim Gesenkversatz ist eine Schubrichtung zur Pressenmitte hin ebenfalls von Vorteil: der Versatz ist geringer als bei positiver Richtung. Für die zugrunde gelegten Bedingungen der Preßkraft und Außermittigkeit ist bei einer Querkraft von –10% der Umformkraft ein Versatz von fast Null vorhanden, was sogar auf die ungeführten Varianten  zutrifft, für die sich sonst sehr hohe Werte des Versatzes ergaben.

Die Spannungen in den Gesenkführungen zeigen naturgemäß eine ähnliche Abhängigkeit: in allen vergleichbaren Fällen ist die Spannung bei negativer Schubrichtung geringer.
Aus den Ergebnissen ist zu schlußfolgern, daß bei Einbau von Fassongesenken die Schubrichtung am Obergesenk zur Pressenmitte hin zu bevorzugen ist.

Durch zusätzliche Simulationsrechnungen mit dem Modell einer modernen Kurbelpresse mit längsliegender Excenterwelle konnte festgestellt werden, daß man zu den gleichen Ergebnissen bezüglich der Wirkung der betrachteten Spann- und Führungsvarianten im Werkzeug gelangt. Für die Kurbelpresse erhält man deutlich günstigere Ergebnisse bei Kenngrößen, die von der Maschinencharakteristik erheblich beeinflußt werden, wie z. B. die Stößelkippung und die horizontalen Verschiebungen, wobei zwischen den betrachteten Varianten die gleichen Relationen zu beobachten sind.

Die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes eines Werkzeughalters mit einer schwimmend gelagerten Aufspannplatte wird durch die Notwendigkeit zum Einsatz einer Werkzeughalterführung (zur Vermeidung einer erhöhten Stößelkippung) negativ beeinflußt. Die Kosten für die Fertigung eines solchen Werkzeughalters werden nahezu verdoppelt. Dazu kommen Kosten für die Wartung und Unterhaltung der zusätzlichen Baugruppen. Weiterhin sind Einschränkungen der verfügbaren Werkzeugspannfläche durch die Werkzeughalterführungen zu verzeichnen.

Demgegenüber stehen als Vorteile der schwimmenden Lagerung die geringere Belastung der Gesenkführungen und niedrigerer Gesenkversatz. Als Nutzen der schwimmenden Lagerung von Gesenken ist mit Sicherheit ein niedrigerer Verschleiß der Gesenkführungen zu erwarten. Dies führt aber in nur wenigen Fällen zu einem wirtschaftlich meßbaren Erfolg, da die Gesenkführungen im Rahmen der Aufarbeitung der Gravuren in den Gesenken stets mit gewartet werden.

Aus den Ergebnissen der Simulationsrechnungen wurden Aussagen für den Einsatz der betrachteten Führungs- und Spannsysteme in Abhängigkeit von der Schmiedestückform und Genauigkeit gewonnen. Aus den Werten des Gesenkversatzes können Bereiche der zweckmäßigsten Anwendung der betrachteten Spann- und Führungsvarianten angegeben werden. Die Angaben von Kräften und Spannungen in der Gesenkführung sind für die Dimensionierung von Führungen hilfreich. Aus den Ergebnissen des Projektes werden auch Schlußfolgerungen zur Gestaltung des Arbeitsraumes von Pressen abgeleitet.

Forschungsstelle 1:
Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU)
www.iwu.fraunhofer.de
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. habil Reimund Neugebauer
(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallumformung e.V. WSM für den Industrieverband Deutscher Schmieden e.V. IDS)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF