A121
Umformtechnische Herstellung von innenverzahnten Rädern in einem kombinierten Drück-Walz-Verfahren
(A121 S 24/03/97)
Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Oktober 1997 – 30. September 2000
Im Forschungsvorhaben A 121 wurde aufgezeigt, wie topfförmige schrägverzahnte Innenverzahnungen durch Drückwalzen in Endbearbeitungsqualität hergestellt werden können. Zusätzlich sind die Bauteileigenschaften im Vergleich zu konventionellen, spanabhebend gefertigten Innenverzahnungen herausgearbeitet worden. Dabei wurden Zahnradwerkstoff und Wärmebehandlungsverfahren berücksichtigt, welche im Getriebebau derzeit üblich sind.
Hauptziel des Forschungsvorhabens war die drückwalztechnische Herstellung innenverzahnter Pkw-Hohlräder für Leistungsgetriebe und die Prüfung der Zahnflanken- und Zahnfußtrag-fähigkeit. Zusätzlich wurde eine Machbarkeitsstudie zur Herstellung innenverzahnter Lkw-Hohlräder realisiert.
Ein Teilprojekt betraf die theoretische Entwicklung, die technische Realisierung und Weiterentwicklung sowie die wirtschaftliche Betrachtung der Drückwalzverfahren. Das zweite Teilprojekt umfasste die Fertigung der Verzahnungsmatrizen sowie die Laufuntersuchungen der drückgewalzten und wärmebehandelten Hohlräder.
Innenverzahnte topförmige Bauteile werden heute entweder durch Wälzstoßen oder Räumen gefertigt. Für den Einsatz des Räumverfahrens ist eine zweiteilige Bauteilausführung erforderlich. Die Herstellung nach diesem Verfahren bedingt eine lange und kostenintensive Prozesskette. Nach einem anderen technologischen Ansatz können topfförmige Bauteile mit Innenverzahnung durch das Drückwalzen bei Raumtemperatur hergestellt werden. Ausgehend von einem Topf oder einer Ronde wird durch Drückwalzen der Bauteilwerkstoff in ein Werkzeug mit Verzahnungsprofil gewalzt.
Wesentliches Merkmal bei der Herstellung qualitätsgerechter Innenverzahnungen mittels Drückwalzen ist neben der umformgerechten Auslegung die genaue Erzeugung der außenverzahnten Drückwalzmatrize. Eine gezielte Entwicklung der Verzahnung der Drückwalzmatrize lässt sich mit der notwendigen Flexibilität und Genauigkeit nur durch rechnerische Generierung korrigierbarer Profile in Verbindung mit dem NC-Profilschleifen verwirklichen. Für die dazu erforderliche Berechnung von Stützpunkten des Verzahnungsprofils wurde im Verlauf des Forschungsvorhabens ein Algorithmus weiterentwickelt, der auf die besonderen Erfordernisse des Drückwalzens (Profilkorrekturen, Zahnfußausrundung und Zahnkopfabrundung) zugeschnitten ist.
Ausgehend von herkömmlichen Drückwalzverfahren erfolgte über eine Reihe von Verfahrens-varianten die Entwicklung eines neuen Werkzeugkonzeptes. Das als Idee eines Arbeitsgrup-penmitgliedes vorliegende Prinzip wurde im Laufe des Forschungsvorhabens zusätzlich integ-riert, optimiert und bis zum Einsatz als sogenanntes Viel-Rollen-Prinzip in einer Kleinserie realisiert. Als kritische Größe im Prozess erwies sich dabei die Standzeit der formgebenden außenverzahnten Matrize. Im Zielkonflikt zwischen Qualität der Hohlradausformung und Belas-tung der Matrize gelang es, eine geeignete Werkzeugkonfiguration und optimale Verfahrensparameter zu finden. Im Laborversuch konnten damit 35 Pkw-Hohlräder bei schädigungsfreier Außenverzahnung hergestellt werden.
Ein neu entwickelter kraftgeregelter Widerstand zur Begrenzung des axialen Werkstofflusses ermöglichte dieses Prozessverhalten. Die große Rollenzahl des Viel-Rollen-Prinzips (VRP) unter Verwendung einer napfförmigen Vorform begünstigt den angestrebten Werkstofffluss. Mit dieser gezielten Beeinflussung wird das Füllungsverhalten in der Matrizenzahnlücke nahe-zu symmetrisch und die kritische Biegewechselbelastung auf die Verzahnung minimiert. Die Reduzierung der Biegewechselbelastung beinhaltet die eigentliche wirtschaftliche Relevanz des Herstellungsverfahrens. Im Gegensatz zum herkömmlichen Zwei- (oder Drei-)Rollen-Prinzip kann nach theoretischen und ersten experimentellen Erkenntnissen mittels VRP die kritische Standzeit der Matrize erheblich verlängert werden.
Durch die umformtechnische Herstellung des Hohlrades besteht prinzipiell die Möglichkeit, Zahnfußgeometrien zu realisieren, die aufgrund der Kinematik des Herstellverfahrens Wälz-stoßen, nicht gefertigt werden können. Eine vor diesem Hintergrund mit dem FEM-System GESTALT II und Verwendung eines Evolutionsalgorithmus (OptiGI)) durchgeführte Optimierung ergab zwei grundsätzlich unterschiedliche Zahnfußgeometrien für die Druck- und Zugseite der Verzahnung. Der Vergleich mit der nicht optimierten Ausgangsvariante zeigt eine Spannungsreduzierung von ca. 10% auf der Zugseite und ca. 4% auf der Druckseite der Verzahnung.
Um Erkenntnisse über die Einsatzfähigkeit von drückgewalzten im Vergleich zu gestoßenen Innenverzahnungen zu gewinnen, wurden zwei Prüfstände aufgebaut, mit denen die Zahnflanken- und Zahnfußtragfähigkeit untersucht werden kann. Die Zahnflankentragfähigkeit wird mit Hilfe eines Verspannungsprüfstandes ermittelt, der so konzipiert ist, dass nur der Zahneingriff Ritzel/Hohlrad untersucht wird. Zur Ermittlung der Zahnfußtragfähigkeit von schrägverzahnten Innenverzahnungen wurde eine Pulsatorvorrichtung konstruiert, die den tatsächlichen Zahneingriff abbildet.
Als Wärmebehandlungsverfahren wurde Einsatzhärten angewandt. Das Abhärten der Verzahnung erfolgte durch Presshärten, da durch das Einsatzhärten relativ große Härteverzüge auftreten, eine Nachbearbeitung der Innenverzahnung aber nicht möglich ist. In Werkstoffuntersuchungen wurde die Werkstoffbeeinflussung der gestoßenen und der drückgewalzten Innenverzahnungen durch das Einsatzhärten erfasst. Härteuntersuchungen und Gefügeschliffe zeigen, dass bei beiden Varianten das gleiche Gefüge nach dem Einsatzhärten vorliegt. Die Fließstruktur der drückgewalzten Innenverzahnungen ist nicht mehr zu erkennen.
Die Verzahnungsmessungen der drückgewalzten Innenverzahnungen zeigen, dass die Töpfe nach dem Abhärten auf dem Presshärtedorn nicht mehr konisch sind. Daraus ergeben sich Verzahnungsqualitäten, die zwischen Q7 und Q9 liegen. D.h., dass sich die Verzahnungsqua-litäten durch das Presshärten bzgl. der Profilwinkelabweichung verschlechtern aber bzgl. der Flankenwinkelabweichung eine Verbesserung eintritt. Es zeigt sich jedoch, dass die Abweichungen der drückgewalzten Innenverzahnung stärker streuen als die der gestoßenen. Zurückzuführen ist dies auf den Spannungszustand im Bauteil nach dem Drückwalzen. Durch das Drückwalzen wird ein sehr komplexer Spannungszustand im Bauteil erzeugt, der sich beim Erwärmen auf Einsatztemperatur entspannt. Ist dieser Spannungszustand nicht in jedem Bauteil gleich, dann treten beim Härten unterschiedliche Abweichungen auf.
Dies beeinträchtigt erheblich die gemessenen Verzahnungsqualitäten. Diese liegen nach dem Drückwalzen bzgl. des Profilwinkelfehlers im Mittel bei Q8 und beim Flankenlinienwinkelfehler bei Q9. Die weichen, gestoßenen Innenverzahnungen haben dagegen wesentlich geringere Verzahnungsabweichungen. Der Profilwinkelfehler liegt im Mittel bei Q4 und der Flankenlinienwinkelfehler bei Q5. Dass bei den drückgewalzten Innenverzahnungen keine bessere Verzah-nungsqualität erreicht wurde, liegt an den im zeitlichen Rahmen des Vorhabens nicht vorkorrigierbaren Umformwerkzeugen.
Ergebnisse zur Zahnflankentragfähigkeit zeigen, dass beide Varianten bei einer nominellen Zahnflankenpressung von sHO = 1484,9 N/mm2 keine Schäden auf der Zahnflanke aufweisen. Dies entspricht einem Hohlraddrehmoment von 300 Nm bei einer Paarung von einem Hohlrad mit einem Ritzel. Eine weitere Steigerung des Hohlraddrehmoments ist nicht möglich, da bei dieser Last Zahnbruch am Ritzel auftritt. Die nominelle Zahnfußtragfähigkeit der gestoßenen Innenverzahnung beträgt sFO = 1141,23N/mm2. Die nominelle Zahnfußtragfähigkeit der drückgewalzten Innenverzahnung beträgt sFO = 1362,11N/mm2. Dies entspricht einer Tragfähigkeitssteigerung von 19%. Zurückzuführen ist die Steigerung auf die unterschiedliche Zahnfußgeometrie und die stark unterschiedlichen Rauheiten. Aufgrund der vollausgerundeten Zahnfußgeometrie des drückgewalzten Hohlrades ergibt sich gegenüber dem gestoßenen Hohlrad eine Tragfähigkeitssteigerung von ca. 9%. Durch die geringere Rauheit im Zahnfuß des drückgewalzten Hohlrades ergibt sich gegenüber der gestoßenen Variante eine Steigerung von ca. 8,6%.
Aufbauend auf den Verzahnungsmessungen kann somit festgestellt werden, dass drückgewalzte Innenverzahnungen die Anforderungen an moderne Leistungsgetriebe erfüllen. In Zukunft sollen sich weitere Untersuchungen mit der Korrektur der Werkzeuge beschäftigen, um ausreichende Verzahnungsqualitäten zu erreichen. Ein weiterer Schwerpunkt sollte die Opti-mierung des Prozesses bzgl. der Lebensdauer der Matrize sein. Zudem sollte der Boden des Hohlradtopfes so dünn wie möglich gestaltet werden. Je dicker der Boden ist umso mehr Energie speichert er beim Aufkohlen. Erfolgt anschließend das Abhärten auf dem Dorn muss diese Energie sehr schnell abgeführt werden, da sonst ein Härtegefälle über der Zahnbreite entsteht mit der Gefahr, dass die Verzahnung zum Boden hin nicht mehr die ausreichende Härte aufweist.
Mit einer angenommenen Standmenge von 300 Hohlrädern pro Matrize ist das Drückwalzen dem Räumen wirtschaftlich gleichwertig. Die Prozesssystematik beim angewandten VRP soll-te jedoch eine deutlich höhere Standzeit erbringen.
Die Machbarkeit der Lkw-Hohlräder konnte im Rahmen des Projektes nicht endgültig nachge-wiesen werden. Dies geht auf die fehlende maschinelle Ausstattung zurück. Ein Merkmal des Verzahnungswalzens ist der sehr hohe Drehmomentbedarf. Derzeit ist keine Maschine auf dem Markt erhältlich, die das für die Herstellung einer Lkw-Verzahnung analog zu der im Projekt erzeugten Pkw-Verzahnung erforderliche Drehmoment zur Verfügung stellt.
Als eine große Herausforderung bei der Entwicklung der Drückwalzverfahren erwies sich auch die numerische Simulation. Die spezielle Problematik, wie lokaler Werkzeugeingriff, zyklische Belastung oder Verzahnungsgeometrie, konnten von den bestehenden FEM-Softwarepaketen nicht gelöst werden. Neben der dreidimensionalen Betrachtung eng begrenzter Teilaspekte zur Modellreduktion fokussierte sich das Augenmerk daher verstärkt auf die zweidimensionalen Abbildungen und deren Aussagekraft. Es zeigt sich, dass zur Identifikation tendenzieller Einflüsse zweidimensionale FEM-Modelle für Grundsatzbetrachtungen ihre Berechtigung besitzen. Alle Größenänderungen (z.B. Rollenzahl, Rollendurchmesser, Verzahnungsgeometrie, etc.), deren Auswirkung sich hauptsächlich in tangentialer Richtung wiederfinden, können ein-deutig qualitativ bewertet werden. Vorteilhaft ist in diesem Zusammenhang, dass die für die Belastung der Außenverzahnung kritischen Größen in erster Linie tangential ausgerichtet sind.
Forschungsstelle 1:
Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen der TU Darmstadt (PtU)
www.ptu.tu-darmstadt.de
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. D. Schmoeckel
Forschungsstelle 2:
Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen (WZL)
www.wzl.rwth-aachen.de
Forschungsleiter 2:
-
vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. – VDMA für FVA)
Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF