A157

Patentiert-kaltgezogene Stahldrähte für vorwiegend statisch beanspruchte Federn mit verbesserten Gebrauchseigenschaften


(A157 S 24/07/00)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2000 bis 31. März 2003

Problemstellung
Forderungen  nach leichteren Bauteilen setzen auch eine Massereduktion und eine Verringerung der Einbaugröße des Bauteils Feder voraus.

Eine Verringerung der Federmasse ist aber nur durch eine Steigerung der Festigkeit bei entsprechend angepasster Geometrie erreichbar. Gleichzeitig ist  eine für Federn notwendige Zähigkeit zu erreichen. Durch eine Erhöhung der Festigkeit um 10 % lässt sich beispielsweise die Masse der Feder um ca. 17 % reduzieren. Da es sich bei Festigkeit und Zähigkeit im Allgemeinen um gegenläufige Werkstoffeigenschaften handelt und dieses Verhältnis mit den derzeitigen Werkstoffen und Technologien nahezu ausgereizt ist, kann eine weitere Festigkeitssteigerung nur durch den Einsatz neuer Werkstoffe und Technologien erreicht werden.

Ziele
Ziel der Untersuchungen war es, die Festigkeit von Drähten für die Herstellung vorwiegend statisch beanspruchter Schraubenfedern zu steigern. Die in den Normen vorgeschriebenen Zähigkeitskennwerte für Federstahldrähte sollten trotz der höheren Festigkeit erreicht werden.  
Weiterhin sollten aus den labortechnisch hergestellten Drähten Federn gewunden und hinsichtlich ihrer Relaxations- und Dauerschwingeigenschaften stichprobenartig untersucht werden. Aus einem konventionellen Werkstoff nach konventioneller Herstellungstechnologie erzeugte Drähte und die daraus gewundenen Federn dienten dabei als Vergleichsbasis.

Vorgehensweise
Das Ziel der Massereduktion durch Festigkeitssteigerung bei gleichzeitig guten Zähigkeitseigenschaften sollte durch zwei Entwicklungsrichtungen erreicht werden:
· Einsatz von Werkstoffen mit neuen Legierungskonzepten
· Einsatz neuer Technologien für optimierte Werkstoffeigenschaften mit vorhandenen Legierungen und den neuen Legierungskonzepten
Aufbauend auf die z.Zt. eingesetzte Werkstoffgüte (etwa D 80) wurden zwei modifizierte Legierungen untersucht. Zum einen sollte die festigkeitssteigernde Wirkung von Legierungselementen wie Silizium, Chrom und Mangan (Mischkristallverfestigung) und zum anderen die ausscheidungshärtende Wirkung der Mikrolegierungselemente Vanadin und Niob ausgenutzt werden. Zusätzlich wurde eine industrielle Schmelze mit dem Mikrolegierungselement Vanadium in das Versuchsprogramm aufgenommen, um den Einfluss des Vanadiums ohne zusätzliche Niobmikrolegierung zu bestimmen.
Die Wirkungsmechanismen dieser Legierungselemente und besonders der Mikrolegierungselemente können jedoch nur ausgenutzt werden, wenn diese mit einer dem Legierungskonzept angepassten Technologie hergestellt und verarbeitet werden. Dabei wurden zwei verschiedene technologische Strategien erprobt:
· Gesteuerte Abkühlung aus der Walzhitze ohne nachfolgende Eingangspatentierung vor dem Ziehprozess (z.T. industrielle Praxis)
· Direktpatentierung aus der Walzhitze im Bleibad ohne nachfolgende Eingangspatentierung vor dem Ziehprozess
Um die bereits sehr hochfesten, zähen Federstahldrähte weiter verbessern zu können, ist eine Optimierung der gesamten Prozesskette von der Herstellung der Werkstoffe im Stahlwerk bis zum Bauteil Feder notwendig. Aus diesem Grund erfolgten nach allen Stufen der Prozesskette Werkstoffuntersuchungen, um den Einfluss unterschiedlicher Parameter auf die Werksstoffeigenschaften zu quantifizieren. Diese Untersuchungen umfassen die chemische Zusammensetzung sowie Verteilung der Ausscheidungen und Einschlüsse im Ausgangsmaterial, die Löslichkeit der Mikrolegierungselemente, das Umwandlungsverhalten, das Kornwachstum, das Umformverhalten, das Rekristallisationsverhalten, die mechanischen Kennwerte der Drähte nach allen Technologieschritten sowie das Setz- und Relaxationsverhalten des Bauteils Feder. Nach jedem Technologieschritt wurde die weitergehende Prozesskette den bereits gewonnenen Erkenntnissen angepasst und somit die gesamte Prozesskette optimiert.

Ergebnisse
Das Ziel, die Festigkeit der Federstahldrähte ohne Zähigkeitseinbußen zu erhöhen, wurde erreicht.
Einfluss der Legierung
Durch den Einsatz eines mit Niob mikrolegierten Stahles bei konventioneller Technologie wurde die Festigkeit des kaltgezogenen Drahtes um etwa 100 MPa gesteigert. Die Festigkeitssteigerung wird zum einen durch die mischkristallverfestigende Wirkung des erhöhten Siliziumgehaltes und durch die ausscheidungshärtende Wirkung der Niob- und Vanadiumausscheidungen erreicht.
Der zweite neue Werkstoff mit erhöhtem Chrom- und Siliziumgehalt erreicht zwar eine noch größere Festigkeitssteigerung, ist aber nach konventioneller Technologie nicht herstellbar, da sich bei der Abkühlung vereinzelt Martensitinseln bilden, deren Zähigkeit sehr gering ist. Ursache dafür ist ein verändertes Umwandlungsverhalten durch den erhöhten Chromanteil. Die Perlitnase verschiebt sich zu längeren Zeiten, so dass bei verzögerter Luftabkühlung eine Bildung von Martensit an einzelnen Stellen nicht ausgeschlossen werden kann. Eine nachfolgende Kaltumformung durch Ziehen führt auch bei sehr geringen Martensitanteilen an diesen Stellen zum Reißen des Drahtes.
Einfluss der Herstellungstechnologie
Durch den Einsatz einer Direktpatentierung aus der Walzhitze kann dieses Problem gelöst werden. Es erfolgt eine isotherme vollständige ferritisch/perlitische Umwandlung. Eine weitere Abkühlung unter die Martensitlinie kann nicht zur Martensitbildung führen, da der gesamte Austenit bereits umgewandelt ist.
Die Anwendung der Direktpatentierung führt bei allen untersuchten Werkstoffen zu einer deutlichen Steigerung der Festigkeit. Die besten Ergebnisse erreicht dabei der konventionell nicht einsetzbare Werkstoff mit erhöhtem Chrom und Siliziumgehalt mit einer Erhöhung der Zugfestigkeit von 240 MPa gegenüber dem Basisstahl nach konventioneller Erzeugung.
Die Zähigkeit lag mit Ausnahme des o.g. Falles bei allen untersuchten Werkstoff-Technologie-Kombinationen deutlich über der in der Norm geforderten Brucheinschnürung von mindestens 45 %.
Gefügeaufbau
Neben der Bestimmung der mechanischen Kennwerte erfolgten nach jedem Technologieschritt umfangreiche lichtmikroskopische und rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen, die den Einfluss der veränderten chemischen Zusammensetzung und der verschiedenen Technologien auf die Gefügestruktur verdeutlichen und zur Optimierung der technologischen Parameter verwendet wurden. Je feiner die erreichte ferritisch/perlitische Gefügestruktur ist, desto günstiger wird das Verhältnis von Festigkeit und Zähigkeit.
Die Anwendung der Direktpatentierung führt aufgrund der hohen Abkühlgeschwindigkeit bis zum Beginn der isothermen Umwandlung im Bleibad zu verringerte Perlitlamellenabständen. Besonders wirksam ist dieser Effekt, wenn sich im Werkstoff viele fein verteilte Ausscheidungen befinden, die eine Vergröberung der Gefügebestandteile verhindern. Während der Warmumformung fein ausgeschiedene Karbonitride der Mikrolegierungselemente Vanadium und besonders Niob bremsen das Kornwachstum erheblich.    
Die Ausscheidungen der Mikrolegierungselemente sind umso wirksamer, je kleiner und feindisperser sie sind.
Entscheidend für die erreichbare Endfestigkeit nach der Kaltumformung ist bei gleichem Kaltumformgrad die Ausgangsfestigkeit nach der Warmformgebung. Die absoluten Festigkeitserhöhungen innerhalb der Kaltumformstufen sind bei allen Werkstoffen und Technologien nahezu konstant. Eine Optimierung der Technologie musste also innerhalb der Warmumformung erfolgen. Dabei sind sowohl die Erwärmung (Lösungszustand, Kornwachstum …), die Umformung (Verfestigung, Rekristallisation, verformungsinduzierte Ausscheidungen …) als auch die Abkühlung (stat. Rekristallisation, Kornwachstum, Umwandlungsverhalten …) werkstoffgerecht aufeinander abgestimmt und optimiert worden. Besonders bei den mikrolegierten Werkstoffen wurde das Potential noch nicht ausgeschöpft, so dass hier hinsichtlich des Lösungszustandes eine weitere Optimierung der mechanischen Kennwerte möglich ist.
Aus den im Rahmen des Projektes hergestellten Drähten und industriell erzeugten Vergleichsvarianten wurden Federn hergestellt und diese hinsichtlich ihres Relaxations- und Dauerschwingverhaltens untersucht. Sowohl die Relaxationswerte als auch die Dauerhubfestigkeit der Federn aus den höherfesten Drähten konnten die Werte der Basisvariante und der industriellen Vergleichsvarianten erreichen und teilweise übertreffen.
Die Ziele dieses Forschungsprojektes wurden erreicht. Die bereits sehr hohen Festigkeiten von Federstahldrähten konnten durch den Einsatz neuer Werkstoffe und neuer Technologien um bis zu 240 MPa gesteigert werden. Die Zähigkeit der Drähte sowie das Relaxations- und Dauerschwingverhalten der Federn wurde dadurch nicht negativ beeinflusst.  

Praktischer Nutzen/Wirtschaftlichkeit
Die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes sind eine entscheidende Vorraussetzung, um Schraubenfedern mit vorwiegend statischer Beanspruchung und nach entsprechenden umfangreichen dynamischen Tests auch dynamisch beanspruchte Federn in ihrer Masse zu reduzieren. Durch eine Veränderung der Federngeometrie können bei gleicher Federkennlinie dünnere Drähte eingesetzt werden und damit die Masse von Federn reduziert werden. Weiterhin ist eine Verringerung der Einbaugröße von Federn erreichbar, was wiederum Veränderungen in der Konstruktion von Baugruppen, in denen Federn eingesetzt sind, ermöglicht und ein weiteres Masseeinsparungspotential eröffnet.
Eine Umsetzung der innerhalb dieses Forschungsprojektes erreichten Ergebnisse bietet die Möglichkeit leichtere Federn herzustellen und damit die Markstellung der deutschen Stahldraht- und Federnindustrie zu erhalten und auszubauen.

Umsetzung und Ergebnistransfer
Die im Rahmen des Forschungsvorhabens erarbeiteten Technologien sollen schrittweise industriell erprobt und in den Betrieben der Stahldraht- und Federnindustrie umgesetzt werden.
Der Einsatz des neuen mit Vanadium und Niob mikrolegierten Stahles mit erhöhtem Siliziumgehalt nach konventioneller Herstellungstechnologie ermöglicht eine Festigkeitssteigerung von etwa 100 MPa und ist relativ kurzfristig möglich. Durch diese Festigkeitssteigerungen ist bei einigen Federn auch ein Einsatz patentiert gezogener Federstahldrähte möglich, wo heute noch ölschlussvergütete Drähte verwendet werden. Dadurch ergibt sich, wegen der relativ aufwendigen und kostenintensiven Schlussvergütung der Drähte, ebenfalls eine Kosteneinsparung.
Der Einsatz einer Direktpatentierung ist zur z.Zt. industriell noch nicht möglich. In den Drahtwalzwerken werden in jüngster Zeit aber große Anstrengungen unternommen, die Möglichkeiten der Temperaturführung während der Umformung in den letzten Stichen und während der Abkühlphase durch anlagentechnische Veränderungen deutlich zu erweitern. Bei entsprechender Nachfrage seitens der verarbeitenden Industrie ist dann auch eine Direktpatentierung aus der Walzhitze denkbar. Dafür müssen allerdings die anlagentechnischen Voraussetzungen, wie sie auch in diesem Projekt untersucht wurden, geschaffen werden.

Forschungsstelle 1:
Institut für Metallformung der TU Bergakademie Freiberg
www.imf.tu-freiberg.de
 
Forschungsleiter 1:
Herren Prof. Dr.-Ing. Rudolf Kawalla und Prof. Dr.-Ing. Gunter Lehmann
(vorgelegt vom.Wirtschaftsverband Stahl- un Metallverabeitung e.V. , WSM)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF