A227

Erhöhung der Profilgenauigkeit bei höher- und höchstfesten Stählen


(A227 S 24/10089/2004)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2005 - 31. Dezember 2007

Das Walzprofilieren stellt als kontinuierliches und hochproduktives Umformverfahren eine wirtschaftliche Möglichkeit dar, Standardprofile in großen Mengen herzustellen. Durch Walzprofilieren werden etwa 8-10 % der jährlichen Weltstahlproduktion zu Kaltprofilen verarbeitet.

Die Verwendung von höher- und höchstfesten Stählen gewinnt in der blechumformenden In-dustrie zunehmend an Bedeutung. Hochfeste Bauteile erfordern die Einhaltung enger Toleranzen, da es andernfalls beim Zusammenbau zu unzulässig großen Maßabweichungen oder Eigenspannungen kommen kann. Unter diesem Aspekt ist das Walzprofilieren zunächst nur ein-geschränkt geeignet, da große Rückfederungseffekte zu beobachten sind. Außerdem muss insbesondere beim Einsatz von höher- und höchstfesten Stählen mit Chargenschwankungen gerechnet werden, die sich deutlich hinsichtlich der geometrischen Genauigkeit der Profile be-merkbar machen können.

Ziel des Forschungsvorhabens war es, prozesssichere Verarbeitungsstrategien beim Walzprofilieren von höher- und höchstfesten Stählen zu entwickeln. Hierbei sollte eine hohe Maßhaltigkeit der Profile gewährleistet werden, die auch bei auftretenden Schwankungen von Blechdicken und Werkstoffeigenschaften eingehalten werden. Für die Erreichung der Ziele wurde eine innovative Walzprofilierstrecke konzipiert, umgesetzt, mit Erfolg getestet und optimiert. Der verfolgte Ansatz sieht einen Übergang von einer stichprobenartigen Qualitätskontrolle bereits gefertigter Profile zu einer aktiven Regelung im Produktionsprozess mit einer prozessintegrierten Kompensation von Rückfederungseffekten vor.

Zu Beginn der Arbeiten wurde eine experimentell-numerische Untersuchung des Einflusses verschiedener Prozessgrößen (innerer Biegeradius, Blechdicke, Materialgüte, Verfestigungsverhalten) auf die Rückfederung beim Walzprofilieren von höher- und höchstfesten Stählen durchgeführt. Es zeigte sich, dass die analytischen Zusammenhänge der Biegetheorie für eine genaue und aussagekräftige Vorhersage der Rückfederung nicht geeignet sind. Auch die FE-Simulation der Rückfederung beim Walzprofilieren gelingt noch nicht fehlerfrei, obwohl sie deutlich bessere Ergebnisse als die analytischen Berechnungsmethoden liefert.

Die verfolgte Methode, die Rückfederung mit Hilfe eines geschlossenen Regelkreises durch gezieltes Überbiegen zu kompensieren, erwies sich als die am besten geeignete Methode, der Problematik der Rückfederung beim Walzprofilieren zu begegnen. Das Überbiegen wird von dem entwickelten Kalibriergerüst übernommen, welches mit Hilfe der Methoden der systemati-schen Produktentwicklung entworfen wurde.

Die entwickelte Walzprofilierstrecke besteht zunächst aus Profiliermodulen, die – entsprechend dem Stand der Technik – in konventioneller Weise sequentiell angeordnet werden. Nach dem Auslauf aus der Profilierstrecke läuft der Profilstrang in die Messstrecke ein. Dort federt das Material frei zurück und wird dann in Echtzeit optisch vermessen. Als geeignet haben sich Sen-soren, die auf dem Laserlichtschnittverfahren basieren, erwiesen. Die Sensoren bestehen aus einem Halbleiterlaser mit Linienoptik und einer CCD-Kamera. Die Laser projiziert jeweils eine Linie auf den Profilsteg und die Profilschenkel, welche wiederum von der Kamera erfasst werden. Mit Hilfe von digitaler Bildverarbeitung werden dann Geradengleichungen bestimmt mit denen sich die Lagen von Steg und Schenkel nun mathematisch beschreiben. Aus der Bestimmung der Schnittwinkel der beiden Geraden ergibt sich - unabhängig von einer möglichen Strangverdrehung - der eingeschlossene Winkel zwischen Steg und Schenkel. Die gemessenen Winkel werden im nächsten Schritt mit dem Sollwert verglichen. Die Differenz zwischen Soll- und Istwert, die Regelabweichung, setzt der Regler in ein Signal um, welches an ein aktives Gerüst geleitet wird.

Mit dem definiert verstellbaren und ansteuerbaren Gerüst (Kalibriergerüst) werden die auftretenden Abweichungen zwischen dem Sollwinkel und dem gemessenen Winkel verringert. Das für diese Aufgabe entwickelte Werkzeugkonzept besteht aus zwei Seitenrollen, einer Unterrolle und zwei Innenrollen. Die Seitenachsen, welche die Seitenrollen tragen, werden angular um eine Kreisbahn zugestellt. Die Bewegung der Seitenrollen erfolgt in dem realisierten Gerüst mit Hilfe einer Lineareinheit. Diese besteht aus einem Lineartisch mit Kugelgewindetrieb und einer Koppelstange, die gemeinsam wie ein invertierter Schubkurbeltrieb wirken.

Für die Regelung der Seitenrollenpositionen kamen unterschiedliche Strategien in Frage. Als gut geeignet hat sich eine auf dem Smith-Predictor basierender Regler erwiesen.

Im Rahmen experimenteller Untersuchungen wurde die neue Profilierlinie an einem U-Profil mit 50 mm Profilhöhe und einer Breite von 80 mm erprobt. Bei dem Profil handelt es sich um ein asymmetrisches Profil mit zwei verschiedenen Biegeradien, R1 = 3 mm (R3-Seite) und R2 = 5 mm (R5-Seite) sowie einer Blechdicke von 1,5 mm. Als Versuchswerkstoff kam RAWAEL® 80 zum Einsatz. Nach DIN EN 10162 entspricht die zulässige Grenzabweichung der Winkel ±1°15’ [DIN EN 10162]. Die Ergebnisse zeigen, dass der neue beschriebene Lösungsansatz der geregelten Kalibrierung den Sollwinkel 90° mit Abweichungen von ca. ±0,2° erreicht. Dies verspricht eine Verbesserung der Maßhaltigkeit, bezogen auf die nach DIN EN 10162 zulässige Grenzabweichung, um mehr als 80%.

Abschließend erfolgte das Übertragen der gewonnenen Erkenntnisse in Form eines industriellen Transfers auf die realen Bedingungen der Walzprofilierindustrie. Experimentelle Untersuchungen vor Ort dienten der Optimierung der Regelstrategie und den entsprechenden Regelgrößen. Die Ergebnisse haben die industrielle Tauglichkeit der neuen innovativen Kalibrierstrecke unter Beweis gestellt. Es konnten Verbesserungen unabhängig von der Materialgüte und der Profilgeschwindigkeit um mehr als 90 % erzielt werden.

Mit der neu entwickelten Kalibrierstrecke kann die Attraktivität des Walzprofilierens höher- und höchstfester Stähle gesteigert werden. Der verfolgte Ansatz leistet einen Beitrag zur Weiterentwicklung prozesssicherer und reproduzierbarer Walzproifilierprozesse. Ausschussraten können stark minimiert und enge Toleranzfelder realisiert werden.

Forschungsstelle 1:
Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen der TU Darmstadt (PtU)
www.ptu.tu-darmstadt.de
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. Peter Groche

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM) für Fachvereinigung Kaltwalzwerke e. V. (FVK))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF