A189

Einfluss der Karbidzeiligkeit auf die Lebensdauer von Wälzlagern


(A189 S 24/10039/2002)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2002 - 31. Dezember 2006

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurde ein Hauptaugenmerk auf die Untersuchung des Einflusses der Fertigungsbedingungen auf die Ausbildung von Karbidzeiligkeit gelegt. Ferner sollte eine Methode zur Beurteilung der Karbidpopulation unter Einbeziehung der Fertigungsbedingungen entwickelt werden, die eine Lebensdauervorhersage von Wälzlagern in Abhängigkeit von den vorhandenen Karbidzeiligkeiten ermöglicht.
Die Lebensdauer von Wälzlagern ist durch zahlreiche Faktoren begrenzt. Dabei sind insbesondere Bestandteile im Gefüge des Wälzlagermaterials kritisch, die im Belastungsfall zu Spannungsüberhöhungen führen können, wie beispielsweise nichtmetallische Einschlüsse oder Karbide. Bisher erfolgte die Bewertung der Karbidzeiligkeit entsprechend dem Stahl-Eisen-Prüfblatt 1520 (SEP 1520). Die Anordnung von Karbiden wird darin mit einer mikroskopischen Prüfung anhand von Bildreihen erfasst. Als Hilfsmittel bei der Entwicklung einer Methode zur automatischen Bestimmung der Karbidzeiligkeit wurde eine vollautomatisierte Bildanalysestation eingesetzt und eine digitale Bildanalysesoftware genutzt. Um den Einfluss der Herstellungsroute zu untersuchen, wurden Proben aus Wälzlagermaterial der für Wälzlager verwendeten Stahlgüte 100Cr6 aus Strangguss- bzw. Blockgussmaterial entnommen. Bei dem untersuchten Probenmaterial wurde der Kohlenstoffgehalt gezielt variiert und verschiedene Wärmebehandlungszustände eingestellt. Anhand der gemessenen Karbidzeiligkeiten konnte kein Zusammenhang zwischen der maximalen Ausprägung der Karbidzeiligkeit und dem Herstellungsweg des untersuchten Materials hergestellt werden.
Zur Beurteilung der Karbidpopulation wurde ein funktionsfähiges Modul zur automatischen Vermessung und Detektion der Karbide entwickelt, welches die Möglichkeit einer interaktiven Vorauswahl der zu vermessenden Karbidzeilen beinhaltet. Als Ergebnis einer Messung werden u. a. die Karbidzeilenbreite und der Flächenanteil an Karbiden, sowie die Größe des maximalen Einzelkarbids ermittelt. Eine Klassifikation der detektierten Karbidzeilen ist möglich. Bezüglich einer Korrelation zwischen dem SEP 1520 und den Daten aus der digitalen Bildanalyse ist festzustellen, dass z. Zt. eine Korrelation zwischen SEP 1520 und der neuen Messmethodik noch nicht möglich ist, da eine ausreichend große Datenbasis an Vergleichsdaten fehlt. Um eine Korrelation zu gewährleisten, muss in der Datenbasis das gesamte Spektrum der Ausprägung der Karbidzeiligkeit erfasst sein, was mit dem vorliegenden Probenmaterial nicht möglich war.
Der experimentelle Rahmen dieses Projekts zur Lebensdauervorhersage dieses Projekts bestand überwiegend aus der Durchführung von Überrollungsversuchen an acht ausgewählten Chargen des Wälzlagerwerkstoffs 100Cr6. Ergänzend hierzu wurden Druck-Torsionsversuche an Rundproben durchgeführt, wobei die Werkstoffbeanspruchung ähnlich der bei der Überrollung sein sollte. Mit Hilfe eines Übertragungskonzepts konnten zwischen diesen beiden Prüfungsarten für bestimmte Werkstoffzustände erfolgreich Lebensdauerkorrelationen vorgenommen werden.
Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurden weiterhin umfangreiche FE-Simulationen durchgeführt, die die Werkstoffbeanspruchung bei Vorhandensein bestimmter Karbidkonfigurationen im Spannungsfeld des Hertzschen Kontakts lieferten. Es konnte gezeigt werden, dass es aufgrund karbidischer Einschlüsse zu Spannungsüberhöhungen zwischen 13 und 50 % gegenüber ungestörten Werkstoffbereichen kommen kann. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass einzelne oxidische Einschlüsse noch größere Spannungsüberhöhungen induzieren können und somit der Ausfall bei Hertzscher Überrollungsbeanspruchung durch diese dominiert wird, wenn sie im Prüfvolumen auftreten. Ebenso können hiernach schlecht an der Matrix haftende sulfidische Einschlüsse Spannungsüberhöhungen von bis zu 55 % verursachen und somit auch schädlicher als ungünstige Karbidkonfigurationen wirken. Die durchgeführten Untersu-chungen hinsichtlich der bei der Überrollung ablaufenden Schadensmechanismen belegen die Rissinitiierung an diesen beiden Einschlusstypen. Anrissbildung an einzelnen Karbiden konnte nicht nachgewiesen werden. Aus diesen spannungsmechanischen Betrachtungen lassen sich für die unterschiedlichen, untersuchten Karbidanordnungen Lebensdauerunterschiede bis zu einer Zehnerpotenz ableiten. Die aus den Überrollungsprüfungen ermittelten Lebensdauerunterschiede der verschiedenen Werkstoffchargen lassen sich unter Berücksichtigung der ermittelten Reinheitsgrade gut mit den aus den FE-Simulationen erhaltenen Aussagen in Einklang bringen.
Die wesentliche Aussage der durchgeführten Untersuchungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Relevanz ist, dass eine Reduktion der Karbidzeiligkeit bei den derzeitig in der Serienfertigung der Lager üblichen Reinheitsgraden des Werkstoffs 100Cr6 bei Versagen durch Hertzsche Überrollungsbeanspruchung keine wesentliche Verbesserung der Lebensdauer erwarten lässt.

Forschungsstelle 1:
Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT)
www.iwt-bremen.de
 
Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. H.-W. Zoch
 
Forschungsstelle 2:

Institut für Eisenhüttenkunde (IEHK) der RWTH Aachen
www.iehk.rwth-aachen.de
 
Forschungsleiter 2:

Prof. Dr.-Ing. W. Bleck
 
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) für Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF