A147

Querkraftabtragung in Verbundträgern mit schlaff bewehrter und aus Zugbeanspruchung gerissener Stahlbetonplatte ohne Schubbewehrung


(A147 S 24/03/00)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2000 – 31. Dezember 2001

Durch Zwang in Decken des Verbundhochbaus und durch Zugkräfte im Stützbereich von breiten Verbundbrücken oder im Zugband einer Stabbogenverbundbrücke tritt der Fall auf, dass eine Querkraft über die Risse einer gezogenen Platte übertragen werden muss. In ähnlichen Situationen im Massivbau kommt Spannbeton zum Einsatz, so dass die auftretenden Zugkräfte unterdrückt werden. Im Verbundbau verzichtet man im Allgemeinen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Dauerhaftigkeit auf ein Vorspannen der Betonplatte. Dort hat sich das Prinzip durchgesetzt, die Platte mit schlaffer Bewehrung auszuführen und die Rissbildung durch einen erhöhten Bewehrungsgrad zu begrenzen.

Wie nun über diese Risse Querkräfte abgetragen werden können, wurde bislang noch nicht geklärt. Für die Bemessung der Fahrbahnplatten von Stabbogenverbundbrücken wird die in der Normung (z.B. EC 2-1-1) verankerte Formel verwendet, die den Einfluss der Normalkraft berücksichtigt.  Dieser Normalkraftanteil ist aus Querkraftversuchen mit Längsdruck hergeleitet worden. Für Längszug führt sie zu einer starken rechnerischen Abminderung der Querkraftfähigkeit. Hierfür liegen bisher nur wenige Versuchsergebnisse vor, die eine lediglich geringe Abminderung der Querkraftfähigkeit durch die Zugbeanspruchung zeigen. Daher scheint es unnötig, dass der Eurocode bei großen Zugkräften eine Mindestschubbewehrung vorschreibt. Außerdem ist es in hochbewehrten Platten, wie sie im Verbundbau vorliegen, sehr aufwendig diese Bewehrung zu verlegen, so dass das Betonieren dadurch erschwert und die Qualität der Platten eingeschränkt wird.

Um die Möglichkeit zu untersuchen, auf eine Schubbewehrung in aus Normalkraft gerissenen Platten zu verzichten, wurden im Rahmen dieses Forschungsprojekts Versuche an Plattenstreifen durchgeführt.

Plattenstreifen der Höhe 300mm, Breite 400mm und Länge 2,35m wurden hergestellt und in der Prüfmaschine am Otto-Graf-Institut ihre maximal aufnehmbare Querlast ermittelt. Variiert wurden zwischen den einzelnen Versuchen die Zugnormalkraft, der Bewehrungsgrad, die Betongüte, die Belastungsgeschichte und die Schubschlankheit; zum Vergleich wurden auch zwei Versuche mit Querkraftbewehrung ausgeführt.

Die Ergebnisse bekräftigen die anfangs aufgestellte These: die Querkrafttragfähigkeit nimmt nicht so stark mit zunehmender Zugnormalkraft ab, wie es die Normen ENV 1992-1-1 und DIN 1045-1 vorgeben. Durch die Auswertung der Versuchsergebnisse wurde eine neue Bemessungsformel gefunden, die Eingang in die nationale und internationale Normung finden soll.

Der Einfluss des Bewehrungsgrades auf die Querkrafttragfähigkeit ändert sich auch bei gleichzeitigem Längszug nicht gegenüber zugbeanspruchten Querschnitten. Der Einfluss der Betongüte wurde an nur drei Trägern untersucht. Die Untersuchungen geben keinen Anlass dafür, die gegenwärtige Erfassung der Betondruckfestigkeit für Bauteile mit Zugnormalkraft zu ändern; weitere Versuche zu diesem Parameter sind wünschenswert.

Insgesamt wurde das Forschungsziel erreicht: Es liegt eine Bemessungsformel vor, mit der Stahlbetonplatten auch bei gleichzeitigem Längszug ohne Schubbewehrung ausgeführt werden können. Die Auswertung von ausgeführten Beispielen zeigte, dass die Anzahl der mit Schubbewehrung zu versehenden Bauwerken von 94% nach ENV 1992-1-1 auf 17% entsprechend der gefundenen Bemessungsgleichung zurückgeht. Die Einsparung der Schubbewehrung bringt eine Kostenreduzierung der Verbundplatten von 8-12% mit sich. Dadurch erhält der Stahlbau die Chance, über den Verbundbau vermehrt zu Aufträgen zu kommen.

Forschungsstelle 1:
Institut für Konstruktion und Entwurf Universität Stuttgart
www.uni-stuttgart.de/ke
 
Forschungsleiter 1:

-
(vorgelegt vom Verband Stahlbau und Energietechnik e.V., SET, Düsseldorf)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF