A152

Charakterisierung der Schädigungsentwicklung zur Lebensdauerbewertung von Rohrleitungskomponenten aus den neuen 9%-Chromstählen


(A152 S 24/04/2000)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2000 - 30. Juni 2003

Die Realisierung höchster Wirkungsgrade in modernen Dampfkraftwerken über die Anhebung der Parameter Druck und Temperatur wird wesentlich von den Entwicklungen in der Werkstofftechnik und durch den Einsatz neuer hochwarmfester Werkstoffe mit verbesserten Festigkeits- und Zeitstandeigenschaften beeinflusst. Die modernen 9-11 % Cr-Stähle, wie z. B. P91 und E911, die in neuen Anlagen verbaut werden, zeigen im Vergleich zu niedrig legierten warmfesten Kessel- bzw. Turbinenstählen ein anderes Kriechbruchverformungsverhalten.

Das Bruchverformungs- und das Schädigungsverhalten unter vornehmlich stationärer Kriechbeanspruchung wird wesentlich von den in Hochtemperatur-Bauteilen aufgrund geometrischer und betrieblicher Bedingungen vorliegenden lokalen mehrachsigen Spannungszuständen beeinflusst. Bei niedrig legierten warmfesten Stählen entspricht es dem Stand der Technik, Lebensdauerbeurteilungen von Bauteilen auf der Grundlage der rechnerischen Erschöpfung, Kriechverformungsmessungen und Porenbefunden anhand von Gefügeabdrücken durchzuführen. Damit konnte auf Basis langjähriger Erfahrungen eine Entscheidung über den Weiterbetrieb getroffen werden. Moderne martensitische Werkstoffe zeigen bei deutlich größerem Verformungsvermögen deutlich geringere Porendichten und dies auch bei niedrigen Beanspruchungen und damit langen Laufzeiten. Daher muss der bestehende Stand der Kenntnisse über die Schaffung neuer Bewertungskriterien für verformungsfähige martensitische 9-12 % Chrom-Stähle erweitert werden.

In diesem Vorhaben wird der Zusammenhang des (Kriech)Verformungsvermögens unter einachsiger sowie mehrachsiger Zeitstand-Beanspruchung und der Kriechporendichte für moderne martensitische warmfeste Stähle im Vergleich zum ferritischen Stahl 14MoV6-3 erarbeitet und dargestellt. Insbesondere wird darauf eingegangen, wie über die Auswertung der experimentellen Ergebnisse von glatten und gekerbten Hohlzylinderproben unter kombinierter Innendruck- und Axialzugbelastung ein Zusammenhang zwischen der Porendichte, der Formänderung und dem Grad der Mehrachsigkeit angegeben werden kann. Dieser mathematisch beschreibbare Zusammenhang kann für inelastische Finite-Elemente- Rechnungen genutzt werden, so dass neben der bereits möglichen Spannungs- und Verformungsrechnung von Bauteilen auch die lokale Schädigung und deren Rückwirkung auf das Zeitstandverhalten dargestellt werden kann.

Zentrales Ziel des Vorhabens war die Ermittlung des zeitlichen Ablaufs der Schädigung infolge Kriechbeanspruchung in modernen 9 %-Chromstählen unter praxisübertragbaren Bedingungen. Da die reine betriebliche Beobachtung allein hierfür keine ausreichende Basis bildet, ist die Durchführung von experimentellen Untersuchungen unabdingbar. Da das Schädigungsverhalten unter Kriechbeanspruchung nicht oder nur unzureichend durch Versuche mit erhöhten Spannungen und Temperaturen ermittelt werden kann, müssen die Versuche unter Bedingungen durchgeführt werden, die praxisnahen Beanspruchungsbedingungen und dem sich daraus ergebenden Schädigungsablauf nahe kommen und eine Umsetzung in Methoden der Überwachung von Bauteilen ermöglichen. Aus diesem Grund wurden langzeitige Zeitstandversuche an mehrachsig beanspruchten Proben durchgeführt. Die Mehrachsigkeit der Beanspruchung reduziert das Verformungsvermögen des Werkstoffs und ermöglicht daher die Beobachtung der Kriechporenbildung auch bei verhältnismäßig kurzen Beanspruchungszeiten. Diese Vorgehensweise hat sich im vorlaufenden Vorhaben am Werkstoff 14MoV6-3 bewährt. Im vorliegenden Vorhaben wurden Versuche an den Werkstoffen P91 und E911 bei unterschiedlichen Mehrachsigkeitsgraden  und Belastungshöhen, jedoch bei einer (orientiert am maximal möglichen Einsatzbereich) Temperatur durchgeführt. Der Schwerpunkt der Untersuchungen wurde auf den Bereich langzeitiger Beanspruchung bei möglichst geringer Kriechverformung gelegt, um die für die Praxis wichtige Interaktion zwischen dem Beanspruchungszustand, der Zeit und der sich entwickelnden Dehnung auf die Schädigung und Lebensdauerverbrauch zu ermitteln. Da über der Wanddicke einer einzelnen Probe unterschiedliche Mehrachsigkeitsverhältnisse vorliegen, lieferte jede Probe i. d. R. drei Ergebnispunkte. Über die Erstellung und Implementierung eines chargennahen Kriechgesetzes wurden die Spannungen und Verformungen in der Probenwand über eine inelastische FE-Analyse ermittelt. Diese wurde anhand der gemessenen Kriechverformungen verifiziert.

Zur Ermittlung der Schädigung bzw. deren Ablauf wurden lichtoptische Verfahren im mm-Bereich eingesetzt, um einen direkten Bezug zu den in der Praxis eingesetzten Methoden (Replikatechnik) zu erhalten sowie REM/TEM-Methoden im nm-Bereich.

Parallel zu den Laboruntersuchungen wurden im Kraftwerk an ausgewählten Bauteilen Betriebsmessungen zur Ermittlung der Beanspruchung aus Druck, Temperatur und eventuellen äußeren Lasten durchgeführt.
Diese Ergebnisse wurden als Randbedingungen für die experimentellen Untersuchungen eingesetzt. Ferner wurden auf dieses Bauteil die erarbeiteten Kriterien für die Schädigungsentwicklung angewendet.

Die Klammer zwischen den experimentellen Labor- und den Bauteiluntersuchungen stellen die numerischen inelastischen Analysen dar. Die an den Proben verifizierten Berechnungsmethoden bzw. die darin implementierten, aus den Laborergebnissen abgeleiteten Zusammenhänge zwischen den relevanten Beanspruchungsgrößen wie Dehnung und Mehrachsigkeit der Beanspruchung ermöglichen eine Zustandsanalyse von Bauteilen in Bezug auf eine mögliche Schädigungsentwicklung bzw. den Lebensdauerverbrauch. Damit verbunden ist auch die eventuelle Festlegung neuer Grenzwerte für die Verformung des Bauteils bzw. die Festlegung von zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen bei Erreichen kritischer Bauteilerschöpfungsgrade.

Die im Rahmen des Vorhabens erarbeiteten Ergebnisse im Bereich der metallographischen Untersuchungen mittels Lichtoptik, REM und TEM werden in einem ständig erweiterbaren Gefügeatlas zusammengestellt. Dies bietet die Möglichkeit, den Einfluss von unterschiedlichen Wärmebehandlungen sowie von thermischen und thermomechanischen Beanspruchungen auf die Mikrostruktur moderner warmfester Stähle zu beurteilen. Zudem können durch Vergleiche mit späteren Befunden an realen Bauteilen Rückschlüsse auf den jeweiligen Zustand gezogen werden.

Forschungsstelle 1:
Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart (MPA) Otto-Graf-Institut
www.mpa.uni-stuttgart.de
 
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. habil E. Roos (vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V., Düsseldorf (SET))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF