A109

Klärung des Betriebsverhaltens von Schweißverbindungen zwischen martensitischen und austenitischen Rohren bei Temperaturen bis 650 0 C unter thermischer und mechanischer Belastung


(A109 S 24/03/96)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 1996 – 31. Dezember 2000

Um das Potential der neuen 9-12% Cr-Stähle und insbesondere des Stahls E911 für Mischschweißverbindungen besser ausnutzen zu können, war es Ziel dieses Projektes, eine Optimierung und Qualifizierung von Schweißverbindungen von Heizflächenrohren aus den martensitischen 9% Cr-Stählen T 91 und E911 und den austenitischen Werkstoff 1.4910 für einen Einsatz bei Temperaturen bis 650oC und Drücke im Bereich von 330 bar zu erreichen. Hierzu waren folgende Teiluntersuchungen vorgesehen:

-  Auswahl geeigneter Schweißverbindungen,
-  Optimierung der Schweißnahtgeometrie,
-  Beschreibung des thermischen und mechanischen Verhaltens geschweißter Proben,
-  Vorhersage des Betriebsverhaltens geschweißter Rohre und
-  Beschreibung des Verhaltens geschweißter Rohre unter betriebsnahen Bedingungen.

Die Arbeiten sollten darüber hinaus Hinweise zur Auslegung und Lebensdauervorhersage von Mischschweißnähten bei zukünftig zu bauenden Kraftwerken geben und möglicherweise auch Eingang in Regelwerke finden.

Auf der Basis der Vorgaben der Kraftwerksbauer wurden einerseits die Rohrmischdrähte hergestellt und andererseits mit Hilfe von Normproben eine Grundcharakterisierung der Grundwerkstoffe, der Wärmeeinflusszonen (WEZ) und der Schweißverbindungen durchgeführt. Mit verschiedenen Schweißverfahren hergestellte Rohrmischnähte wurden unter konstanter Innendruckbelastung und einem Tagestemperaturzyklus mit einer Haltezeit von 18 h bei 625oC geprüft. Die für einen Langzeiteinsatz unter Betriebsbedingungen geeignetsten Rohrverbindungen wurden für eine Langzeitprüfung unter zyklischen Belastungen (überlagerte Temperatur-, Innendruck- und Axiallastzyklen) ausgewählt. Für eine numerische Simulation des Rohrverhaltens wurden geeignete Werkstoffgesetze an die experimentellen Daten angepasst, beurteilt und in das Finite-Element Programm ABAQUS implementiert. Anschließend wurden Rechnungen durchgeführt, um einerseits Nahtgeometrieoptimierungen und andererseits Rohrsimulationen für ausgewählte Beanspruchungen im Vergleich zu den Rohrversuchen durchzuführen.

Werkstoffe und Herstellung der Mischverbindungen

Zur Herstellung von Mischverbindungen zwischen dem austenitischen Rohrwerkstoff 1.4910 (Da=42,4 mm, t=10 mm) und den martensitischen 9 % Cr-Rohrwerkstoffen T91 (Da=.42,4 mm, t=10 mm) bzw. E 911 (Da=42,2 mm, t=8 mm) wurden unterschiedliche Verfahren eingesetzt. Neben den Schweißverfahren "WIG-manuell" und "WIG-mechanisiert", die unter Einsatz des Schweißzusatzwerkstoffes NiCr20Nb zur Anwendung kamen, wurde das Reibschweißen mit bzw. ohne Verwendung eines Zwischenringes aus NiCr15Fe als ein mögliches Verfahren zur Herstellung von Mischverbindungen (Vorfertigung) in die Untersuchungen einbezogen. Als weitere Verfahren zur Herstellung von Mischverbindungen wurden das Heiß - Isostatische - Pressen (HIP-Verbindungen) und das Einwalzen von Rohren (Mannesmann - Walzverbinder) untersucht.

Neben dem Einfluss unterschiedlicher Herstellungverfahren waren Einflüsse aus unterschiedlichen Verbindungsgeometrien und unterschiedlichen Werkstoffzuständen, die durch unterschiedliche Wärmenachbehandlungen eingestellt wurden, von besonderem Interesse.

Grundcharakterisierung der Werkstoffe

Die umfangreiche Grundcharakerisierung der Werkstoffe umfaßte

-  Zugversuche,
-  LCF-Versuche und
-  Kriechversuche

für die Rohrwerkstoffe (T91, E911, 1.4910), die WEZ-Zustände von T91 (WEZ3, WEZ2, WEZ1) und für das Schweißgut der WIG-Verbindungen (NiCr20Nb). Die Kennwerte wurden für den Temperaturbereich RT und 650oC ermittelt.

Ein für das Beanspruchungsverhalten der untersuchten Mischverbindungen sehr wesentliches Ergebnis ist die starke Abhängigkeit der Spannungs-Dehnungskurven der ferritischen Werkstoffzustände (T91, WEZ-Zonen desT91, E911) von der Dehngeschwindigkeit (de/dt). Der austenitische Rohrwerkstoff 1.4910 und das Ni-Basis-Schweißgut lassen erwartungsgemäss eine nur schwache Abhängigkeit der Spannungs-Dehnungskurven von der Dehngeschwindigkeit erkennen.

Das zyklische Verhalten der Werkstoffe wurde in LCF-Versuchen bei unterschiedlichen Gesamtschwingbreiten bzw. bei unterschiedlichen plastischen Dehnschwingbreiten (0,2%, 0,5% und 1%) und als Funktion der Temperatur eingehend untersucht. Für die Bewertung der Mischverbindungen wesentlich ist das unterschiedliche Ver- bzw. Entfestigungsverhalten der betrachteten Werkstoffbereiche der Verbindungen. Weiterhin von wesentlicher Bedeutung für das Bauteilverhalten sind die kritischen Zyklenzahlen, die die einzelnen Werkstoffbereiche bis zum Eintritt eines Anrisses (hier definiert als 5% Abfall in der max. Zugspannung der zyklischen Versuche) ertragen können. Die in Zeitstandversuchen geprüften Versuchswerkstoffe weisen Bruchwerte auf, die nahe der Mittelwertkurven jeweils vergleichbarer Werkstoffe liegen.

Werkstoffmodellierung

Die experimentellen Daten für die Projektwerkstoffe wurden mit der im Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik entwickelten Software "Reduce" aufbereitet. Gemessene Kräfte und Verschiebungen wurden in mechanische Spannungen und Dehnungen umgerechnet. Die Anzahl der Datenpunkte wurde unter Berücksichtigung des Rauschens der Daten auf eine sinnvolle Anzahl reduziert. Im Laufe des Projektes wurden verschiedene Werkstoffmodelle angewendet und entwickelt.

Das nichtisotherme Robinson-Modell hat sich für die Beschreibung des Kriechverhaltens als geeignet herausgestellt. Für die einheitliche Beschreibung von Kriech- und Fließverhalten ist es jedoch nicht geeignet. Daraus ergab sich die Notwendigkeit ein anderes, neues Modell zu verwenden. Es wurde eine neue Version des Chaboche-Modells entwickelt und angepasst. Dieses Modell ist geeignet, Ermüdung, Fließ- und Kriechverhalten einheitlich zu beschreiben. Mit den Anpassungen der neuen Version des Chaboche-Modells wurden alle Messergebnisse aus Zug-, Kriech und Zug/Druck-Versuchen für alle untersuchten Werkstoffe (T91, drei WEZ-Zustände T91, Schweißgut NiCr20Nb, 1.4910) einheitlich beschrieben.

Versuche an geschweißten Proben

Gegenstand der Rohrprüfungen war die Untersuchung des Einflusses verschiedener Fertigungsparameter auf das Verhalten von Rohrmischverbindungen unter zyklischer thermisch-mechanischer Beanspruchung bei Tmax.=625oC. Neben dem Einfluss unterschiedlicher Herstellungsverfahren waren Einflüsse aus unterschiedlichen Nahtgeometrien und unterschiedlichen Wärmenachbehandlungszuständen von besonderem Interesse.

Verfahrenseinfluss und Nahtvorbereitung

Die HIP-Verbindungen, Reibschweißverbindungen ohne Zwischenring und Walzverbinder zeigten Nahtversagen nach unterschiedlichen, relativ geringen Zyklenzahlen. Dieses Verhalten folgt aus den durch FE-Berechnungen ermittelten hohen Belastungen, die aufgrund der ausgeprägten Eigenschaftsgradienten (physikalisch, mechanisch) am Übergang Austenit/Ferrit auftreten. Als günstigste Verfahren zeigten sich die Reibschweißverbindungen mit Zwischenring und WIG-Verbindungen.

Einfluss des Nachbehandlungszustandes

Insgesamt kann aus der Kurzzeitprüfung (Konstanter Innendruck, Haltezeit bei 625oC <6600h) kein deutlicher Einfluss des Nachbehandlungszustandes der Rohrverbindungen abgeleitet werden.

Auslagerungsversuche bei konstanter Temperatur

Ein Vergleich der bei 625oC und 650oC über 800h ohne Innendruck ausgelagerten Proben ergab, dass im martensitischen Werkstoff eine Härteabminderung in der Grobkornzone der WEZ auftritt. In den weiteren Bereichen der WEZ sowie im Grundwerkstoffbereich bewirkt die Auslagerung keine Änderung im Härteniveau. Im Schweißgut und im Austenit ergab sich erwartungsgemäß eine Verfestigung als Folge sekundärer Ausscheidungsvorgänge bei allen Verbindungstypen.

Bauteilprüfung

Die im Vorhaben durchgeführten Versuche unter kombinierter zyklisch thermischer und mechanischer (Innendruck und axiale Zusatzlast) Belastung der Rohrprüfkörper mit WIG-Mischverbindungen an T91 und E911 zeigten für den Nachbehandlungszustand "neuvergütet", daß die Bauteilrohre im martensitischen Rohrteil durch Bruch in Umfangsrichtung versagten. Aufgrund der vergleichsweise kurzen Zeiten bis zu Versagenseintritt bzw. Ausbau der Rohre konnten außer Karbidvergrößerungen im Grundwerkstoff keine wesentlichen Kriechschädigungen nachgewiesen werden. Härtemessungen ergaben, dass im Grund-werkstoff Entfestigung auftrat und im Schweißgut deutliche Verfestigung nachgewiesen wurde. Dies wurde auf der Basis der im Rahmen der Grundcharakterisierung der Werkstoffe ermittelten Charakteristiken der Werkstoffe auch erwartet.

Für das Bauteil mit Mischverbindungen an T91, das im Nachbehandlungszustand "angelassen" geprüft wurde, wobei die Prüfbedingungen denen des neuvergüteten Rohres entsprachen, und das nach 223 Zyklen und bei deutlicher Durchmesserzunahme im ferritischen Rohrmittelteil ausgebaut wurde, trat Versagen durch Bruch in der WEZ (interkritischen Zone und Feinkornzone) ein. Dehnungsmessungen und Einschnürungsmessungen ergaben, dass eine Konzentration der Verformung und dementsprechend der Schädigung in diesen WEZ-Bereichen erfolgte.

Sowohl die nur angelassenen als auch die neuvergüteten Rohre mit WIG-Mischverbindungen haben sich unter den bisherigen Belastungsbedingungen qualifiziert.

Bauteilsimulation

Die Simulationsrechnungen zeigten, dass eine rein elastischtemperaturabhängige Beschreibung der Belastungssituation in Mischverbindungen keine relevanten Aussagen zum Verhalten der Verbindungen unter tatsächlichen Betriebsbelastungen zulässt. Die ermittelten Spannungen liegen dabei lokal sehr hoch (max. 300 MPa) und geben die tatsächliche Belastungsverteilung in der Verbindung nicht richtig wider. Vergleichende elastischviskoplastische Berechnungen zeigten, dass aufgrund von Relaxationsvorgängen, die maximal auftretenden Spannungen nur max. 75 MPa, d.h. nur rund ein Viertel der elastisch bestimmten Spannungen betragen.

Die Finite-Element-Berechnungen mit dem Chaboche-Werkstoffgesetz für geschweißte Rohre im angelassenen und im neuvergüteten Wärmebehandlungszustand unter zyklischer Temperatur-, Innendruck und Axialbelastung für U- und V-Nähte zeigen eine gute Übereinstimmung mit den gemessenen Verformungen im Schweißnahtbereich bei hohen Belastungen an den Bauteilversuchen.

U- und V-Nähte sind wegen der günstigeren Spannungsverteilung im Vergleich zu Stumpfnähten zu bevorzugen.

Für die qualitative, ortsaufgelöste Lebensdauervorhersage wurde ein in der Literatur aufgeschlagenes Konzepte exemplarisch auf die Grenzfälle rein statischer und rein zyklischer Belastung angewendet. Dieses Konzept beruht auf der Erfassung der akkumulierten inelastischen Dehnung, die sich aus den Finite-Element-Berechnungen ergeben. Die bisherigen Ergebnisse lassen erwarten, dass in der Zukunft auch die schweißnahen Bereiche, die sowohl statische als auch zyklische Belastungsanteile aufweisen, in die Lebensdauervorhersage einbezogen werden können.

Forschungsstelle 1:
Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik (IWM)
www.iwm.fhg.de
 
Forschungsleiter 1:

Dr. Thomas Hollstein (vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V., Düsseldorf (SET))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband der Deutschen Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF