A111

Kriech- und Relaxationsverhalten von 9-10 % Cr-Rohrleitungsflanschen


(A111 S 24/17/1996)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1997 – 30.Juni 2001

Im modernen Kraftwerksbau sind Rohrflansche ein grundlegendes Funktionselement zur Verbindung von Rohrleitungsabschnitten, die lösbare Verbindungen ermöglichen. Dadurch können Revisionen, Reparaturen oder Instandhaltungsmaßnahmen wirtschaftlicher durchgeführt werden.

In den bestehenden Anlagen treten Frischdamptemperaturen bis zu 5800 C auf, die durch den Einsatz neuer Werkstoffe erhöht werden sollen.

Bei diesen hohen thermischen Belastungen unterliegen insbesondere Flanschverbindungen einer kritischen und äußerst komplexen Beanspruchung. Diese Komplexität ergibt sich aus der Wechselwirkung unterschiedlicher Werkstoffe mit stark unterschiedlichem Materialverhalten, einer hohen Zeitstandbeanspruchung sowie das Gesamtverhalten beeinflussenden Relaxationsvorgängen. Die Beanspruchung durch Vorspannung, Wärmeausdehnung, Innendruck sowie äußere Kräfte und Momente ist stark mehrachsig. Bei einigen Werkstoffen ist mit Phänomenen wie beispielsweise Werkstoffkontraktion zu rechnen, über die bis heute nur sehr wenig bekannt ist, die aber durchaus einen Einfluß auf das Flanschverhalten haben.

Die vorhandenen Berechnungsverfahren nach DIN EN 1591-1 bzw. VDI 2230 berücksichtigen die Komplexität nur bedingt. Beispielsweise wird das zeitabhängige Verhalten und der damit verbundene Vorspannungsverlust nur unzureichend erfaßt. Aus diesem Grund stehen zur Konstruktion von Flanschverbindungen oder zur Optimierung von Revisionsintervallen nur unbefriedigende Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung.
Wegen der beschriebenen Probleme bei der Bestimmung des Relaxationsverhaltens von Flanschverbindungen wurde ein Vorhaben mit den folgenden Hauptzielen initiiert:
·Experimentelle Ermittlung des Relaxationsverhaltens verschiedener Rohrflanschverbindungen aus 9%-Chromstählen

·Überprüfung der Möglichkeiten der Finiten Elemente Methode (FEM) als Hilfsmittel zur Auslegung und Berechnung von Flanschverbindungen

Zum Erreichen der Ziele wurden zunächst (Warm-)zugversuche, Zeitstandversuche, Relaxationsversuche und Dilatometerversuche an den im Rahmen des Vorhabens verwendeten Werkstoffen durchgeführt.

Mit Hilfe dieser Basischarakterisierung wurden chargenspezifische Werkstoffeigenschaften bestimmt. Parallel hierzu wurden Untersuchungen an drei Rohrflanschen mit unterschiedlicher Geometrie sowie aus drei verschiedenen 9% Cr-Stählen durchgeführt. Die Flansche wurden insgesamt 10000 h bei 6000 C ohne Innendruck ausgelagert. Eine der Flanschverbindungen besitzt einen Dichtring, während bei den beiden restlichen Flanschen ein Dichtabsatz angedreht wurde. Während der Auslagerung wurden mit Hilfe von Hochtemperatur-Dehnmessstreifen (HTDMS) an verschiedenen Flanschpositionen Messungen vorgenommen. Nach 5000 h wurde, um zusätzliche Messungen wie zum Beispiel die Bestimmung der Restspannung in den Schraubenbolzen zu ermöglichen, eine Revision durchgeführt. Anschließend wurden die Flansche erneut 5000 h ausgelagert sowie eine zweite Revision durchgeführt.

Zusätzlich zu den Experimenten wurde mit Hilfe der bei den Basischarakterisierungen gewonnenen Werkstoffkennwerte Stoffgesetze der untersuchten Werkstoffe in das Finite Elemente Programm ANSYS 5.6 implementiert. Neben dem Elastizitätsmodul, dem Wärmeausdehnungskoeffizienten und der Werkstofffließkurve wurde vor allem das viskoplastische Verhalten der Materialien mit Hilfe einer Kriechgleichung berücksichtigt. Für die drei untersuchten Flansche wurden Finite Elemente Simulationen der Auslagerungen durchgeführt und ausgewertet. Die Ergebnisse wurden auf ihre Plausibilität hin überprüft und eine Sensitivitätsanalyse erstellt. Die Rechnungen wurden anschließend anhand eines Vergleichs von insgesamt 59 verschiedenen Versuchsergebnissen verifiziert, die sich jeweils aus der Mittelung mehrerer Einzelmessungen ergaben.

Das Relaxationsverhalten der Flanschverbindung ist sehr komplex, was sich durch die zum Einsatz kommenden Materialien mit stark unterschiedlichem Werkstoffverhalten ergibt. Insbesondere die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten wirken sich erheblich auf das Flanschverhalten aus. Weiterhin tritt durch die gegenseitige Beeinflussung von Flansch, Schraube und Dehnhülse keine reine Relaxation auf, sondern eine kombinierte Beanspruchung aus Relaxation und Kriechen. Dabei müssen bei dem austenitischen Stahl A 286 zusätzlich noch auftretende Werkstoffkontraktionen berücksichtigt werden. Insgesamt läßt sich feststellen, daß in Anbetracht dieser Komplexität gute Übereinstimmungen mit den experimentellen Ergebnissen erzielt werden konnten.

Mit der durch den Vergeich von Experiment und Rechnung verifizierten Finite Elemente Modellierung wurden in einem weiteren Schritt verschiedene Änderungen der Randbedingungen (Vorspannung, Werkstoffparameter, Innendruck und geometrische Konstruktion) sowie Langzeitsimulation von 100.000 h vorgenommen.

Als Ergebnis steht ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem das langzeitige Relaxationsverhalten von Flanschverbindungen bestimmt werden kann.

Forschungsstelle 1:
Materialprüfungsanstalt Uni Stuttgart (MPA) Otto-Graf-Institut
www.mpa.uni-stuttgart.de
 
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. habil. Eberhard Roos
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF