A236

Vorhersage duktiler Werkstückschädigung bei der Kaltmassivumformung von Stahl


(A236 S 24/10122/2006)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 2007 - 31. März 2009

In den vergangenen Jahren hat der Einsatz von massiv umgeformten Erzeugnissen und hier besonders von kaltmassiv umgeformten Bauteilen erhebliche Steigerungsraten aufzuweisen. Ein Grund für diese Entwicklung ist der steigende Bedarf aus dem Bereich des Fahrzeugbaus mit zunehmend komplexeren und geometrisch aufwändigeren Bauteilen im Sinne des Leicht-baus. Da aufgrund dieser Komplexität die Gefahr der Erschöpfung des Formänderungsvermögens bei der Kaltmassivumformung besteht, ist eine prädiktive Formänderungsbestimmung unbedingt erforderlich. Die bisher bestehenden Schadenskriterien zur Bruch- bzw. Rissvorhersage bei der Kaltmassivumformung sind quantitativ unbefriedigend.

Ziel des vorgelegten Projektes war es, eine neue Methode zur Vorhersage duktiler Werkstück-schädigung bei der Kaltmassivumformung von Stahl zu entwickeln. Hierzu soll das Prinzip der Belastungskurve aufgegriffen, um verschiedene Zustandsgrößen erweitert und numerisch so beschrieben werden, dass es direkt in die FEM-Berechnung angebunden werden kann.

Dazu wurde im Rahmen dieses Forschungsvorhabens der Ansatz der Belastungsgrenzkurve exemplarisch für den Einsatzstahl 16MnCr5-GKZ entwickelt. Die Teilziele des Forschungsvorhabens waren:

• Untersuchung der Anwendbarkeit der Belastungsgrenzkurve auf duktile
Stahlwerkstoffe der Kaltmassivumformung,

• Mathematische Beschreibung des Formänderungsvermögens,

• Einbindung der Belastungsgrenzkurve in FEM-Programme.

Zum Aufbau der Belastungsgrenzkurve sind für die Schadensvorhersage geeignete Einflussgrößen zu identifizieren, die auf den Koordinatenachsen des kartesischen Koordinatensystems aufzutragen sind. Zur Ermittlung dieser Einflussgrößen, die das Erreichen des Formänderungsvermögens und damit die Schadensintiierung wesentlich beeinflussen, eignet sich die Durchführung einer Nutzwertanalyse. Das Ergebnis der Nutzwertanalyse sind Wertigkeiten für die bewerteten Einflussgrößen. Die Wertigkeit ist ein Maßstab für den Einfluss einer Einflussgröße auf die Schadensinitiierung. Je größer die Wertigkeit der Einflussgröße ist, desto größer ist auch deren Einfluss auf die Schadensinitiierung. Im Rahmen der Nutzwertanalyse wurde festgestellt, dass  die mittlere Normalspannung und der Vergleichsumformgrad einen großen Einfluss auf die Poreninitiierung und damit auf das Erreichen des Formänderungsvermögens haben. Beide plastomechanischen Kenngrößen sind folglich beim Aufbau der Belastungsgrenzkurve zu berücksichtigen. Durch rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen konnte für den Einsatzstahl 16MnCr5-GKZ gezeigt werden, dass die Poreninitiierung an großflächigen Mangansulfid-Einschlüssen erfolgt. Diese Poreninitiierung basiert auf Dekohäsionseffekten und ist auf die unterschiedlichen elastischen und plastischen Eigenschaften der umgebenden Matrix und der Mangansulfid-Einschlüsse zurückzuführen. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Größenordnung wurde zum Aufbau der Belastungsgrenzkurve die mittlere Normalspannung auf die Vergleichsspannung normiert. Durch das Verbinden der simulativ bestimmten, normierten mittleren
Normalspannung und Vergleichsspannung am Schadensort zum Schadenszeitpunkt wurde die Belastungsgrenzkurve aufgebaut. Somit konnte das Formänderungsvermögen des untersuchten Einsatzstahls mathematisch beschrieben werden. Grundlage für die Belastungsgrenzkurve waren die zuvor durchgeführten einstufigen Analogieversuche. Die Anwendbarkeit der Belastungsgrenzkurve konnte im Rahmen weiterer einstufiger Analogieversuche und mehrstufiger Realversuche belegt werden.

Zur Gewährleistung einer späteren industriellen Anwendung wurde die Belastungsgrenzkurve in MATLAB programmiert. Damit die Belastungsgrenzkurve nach Projektabschluss lizenzfrei für die kaltmassivumformenden Unternehmen zur Verfügung steht, wurde der MATLAB-Quellcode in eine von MATLAB-unabhängig ausführbare Standalone-Applikation konvertiert. Die Belastungsgrenzkurve wurde exemplarisch in das FEM-Programm DEFORM 2D eingebunden. Zur Einbindung in weitere FEM-Programme wurde zusätzlich das Programm QFracture programmiert, welches die Kopplung der Belastungsgrenzkurve mit weiteren FEM-Programmen ermöglicht.

Die Projektbearbeitung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den Unternehmen der Patengruppe, so dass die Programmstruktur der Belastungsgrenzkurve auf die Anforderungen der Unternehmen abgestimmt werden konnte. Durch die lizenzfreie Nutzung der Belastungsgrenzkurve können interessierte Unternehmen der Branche das Formänderungsvermögen ihrer umzuformenden Werkstoffe bestimmen und ihre Kaltmassivumformprozesse auslegen. Durch das Programm QFracture kann die Belastungsgrenzkurve auch von Unternehmen verwendet werden, die zur simulativen Prozessauslegung andere FEM-Programme als DEFORM 2D verwenden. QFracture ermöglicht die Konvertierung von mit beliebigen FEM-Programmen generierten Umformgeschichten in das für die Belastungsgrenzkurve benötigte DEFORM 2D-Format.

Forschungsstelle 1:
Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen (WZL)
www.wzl.rwth-aachen.de

Forschungsleiter 1:

Prof. Dr.-Ing. F. Klocke

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM) für Industrieverband Massivumformung e. V. (IMU))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF