A230

Flankentragfähigkeit von innen- und außenverzahnten Stirnrädern bei geringen Umfangsgeschwindigkeiten


(A230 S 24/10091/2004)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 2005 - 31. Dezember 2007

Außen- und innenverzahnte Getriebestufen in langsam laufenden Hochleistungsgetrieben können infolge der vorliegenden geringen Umfangsgeschwindigkeiten an der Flanke hinsichtlich Grübchen, Grauflecken und Langsamlaufverschleiß gefährdet sein. Zielsetzung des durchgeführten Vorhabens war es, das Wissen zur Flankentragfähigkeit zum einen allgemein für den Anwendungsbereich langsam laufender Getriebestufen zu erweitern und zum anderen von Außenverzahnungen auf Innenverzahnungen zu übertragen. Den Schwerpunkt bildete der Anwendungsbereich von Windkraftgetrieben und langsam laufenden Hochleistungsindustriegetrieben bei Berücksichtigung anwendungsspezifischer Einflussgrößen. Bestehende Berechnungsansätze wurden hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf den untersuchten Anwendungsbereich und insbesondere auf Innenverzahnungen verifiziert. Zur Erreichung der Forschungsziele wurden umfangreiche theoretische und experimentelle Untersuchungen an Außen- und Innenverzahnungen durchgeführt. Auf Basis der durchgeführten theoretischen und experimentellen Arbeiten erfolgte eine Überprüfung der bestehenden Berechnungsverfahren.
Ein wesentlicher Inhalt der theoretischen Arbeiten war eine umfassende Studie bezüglich der geometrischen Unterschiede und deren Auswirkungen auf die Kinematik, die tribologischen Eigenschaften und damit letztendlich auf die Flankentragfähigkeit, bei Paarung eines gleichartigen Außenstirnrades einmal mit einem ebenfalls außenverzahnten Gegenrad und im Gegensatz dazu mit einem Innenstirnrad (Hohlrad). Dieser Vergleich zeigte, dass eine Paarung mit Innenstirnrad (konvex/konkav) grundsätzlich in den untersuchten Betriebsbereichen zu deutlich günstigeren Bedingungen im Zahneingriff führt als eine außenverzahnte Paarung (kon-vex/konvex). Diese Vorteile stärken insbesondere bei einer Paarung hart/weich (einsatzgehärtet/vergütet) das werkstoffbedingt stärker gefährdete Hohlrad im Hinblick auf Ermüdungs- und Verschleißschäden. Wird das vergütete z.B. durch ein einsatzgehärtetes Hohlrad (Paarung: hart/hart) ersetzt, wird der Ort der höchsten Ermüdungs- und Verschleißgefährdung der Paarung in den Fußflankenbereich der Planetenräder verlagert. Es ist somit im Regelfall von einer Tragfähigkeitsreserve am Hohlrad im Vergleich zu den Planetenrädern, bei gleichartiger Werkstoffpaarung, auszugehen.        
Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen wurden Laufversuche an geradverzahnten Außen- und Innenverzahnungen der Werkstoffpaarungen hart/weich und hart/hart durchgeführt. Betrachtet wurden anwendungsspezifische Einflussgrößen wie die Umfangsgeschwindigkeit, die Flankenendbearbeitung (Finishing), die Werkstoffpaarung, der Schmierstoff und die Treibrichtung. Zur Durchführung der Versuche an Innenverzahnungen wurden zwei neuartige baugleiche FZG-Innenverzahnungsprüfstände eingesetzt, die während der Projektlaufzeit entwickelt und aufgebaut wurden. Mit diesen Prüfständen kann die Flankentragfähigkeit von gerad- und schrägverzahnten Innenverzahnungen mit drei gleichmäßig am Umfang angeordneten Planeten, bei realitätsnaher Beanspruchung der Prüfverzahnung für unterschiedliche Werkstoff-paarungen un¬tersucht werden. Die wichtigsten Erkenntnisse zur Flankentragfähigkeit aus den Laufversuchen an Außen- und Innenverzahnungen werden im Folgenden kurz, geordnet nach den untersuchten Einflussgrößen, zusammengefasst.
Die Versuche zum Einfluss der Umfangsgeschwindigkeit zeigten sowohl hinsichtlich der Grauflecken- als auch der Grübchengefährdung ein günstigeres Verhalten mit Verringerung der Umfangsgeschwindigkeit. Es wird davon ausgegangen, dass im Wesentlichen das günstigere Ein-laufverhalten in Kombination mit geringeren dynamischen Zusatzkräften und niedrigeren Temperaturen im Zahneingriff bei kleinen Umfangsgeschwindigkeiten zu dem beobachteten günstigeren Graufleckenverhalten führen. Es zeigte sich, dass eine an den Flanken vorliegende Graufleckigkeit deutlichen Einfluss auf die erreichbare Lastspielzahl bis zum Eintritt eines Grübchenschadens hat. In Stufenversuchen konnte durch schrittweise Reduzierung der Umfangsgeschwindigkeit ein Übergang in eine Verschleißhochlage ab vt = 0,25 m/s beobachtet werden. Bei der Paarung hart/hart wurde hier eine an den Prüfflanken vorliegende Graufleckigkeit von einer Verschleiß bedingten Schädigung überlagert bzw. abgetragen.
Es konnte ein deutlicher Einfluss der Flankenendbearbeitung auf das Grauflecken- und Verschleißverhalten gezeigt werden. Eine Reduzierung der Oberflächenrauheit beispielsweise durch Gleitschleifen führte an dem Prüfrad an dem die Bearbeitung durchgeführt wurde, unabhängig von der Werkstoffpaarung, in der Regel zu einem deutlich günstigeren Verschleißverhalten. Das Graufleckenverhalten hingegen konnte nennenswert durch die Rauheit des Gegenrades beeinflusst werden.
Zum Einfluss der Werkstoffpaarung wurden vergleichende Untersuchungen an den Paarungen hart/hart und hart/weich durchgeführt. Die einsatzgehärteten (harten) Prüfräder wurden aus dem praxisüblichen Einsatzstahl 18CrNiMo7-6 Eh und die vergüteten (weichen) Räder aus dem in der Praxis ebenfalls häufig eingesetzten Vergütungsstahl 42CrMo4 V gefertigt. Grundsätzlich gab bei der Paarung hart/weich bei Außen- und Innenverzahnungen der vergütete Wälzpartner die Beanspruchungsgrenze vor. Maßgeblich waren hier Grübchen- und Verschleißschäden. Bei dieser Werkstoffpaarung konnte bei keiner untersuchten Variante Graufleckigkeit beobachtet werden. Die Grenzbelastungen hinsichtlich Grübchen- und Verschleißschäden wurde bei der Paarung hart/weich durchweg bei deutlich niedrigen Belastungen erreicht als bei der Paarung hart/hart. Graufleckigkeit trat bei Innenverzahnungen der Paarung hart/hart nur an den Plane-tenrädern auf. Das Hohlrad zeigte aufgrund der günstigen geometrischen Eigenschaften keine Anzeichen von Graufleckigkeit.
Die Versuche zum Einfluss des Schmierstoffs zeigten, dass der Einsatz von höherviskosen Praxisschmierstoffen bei einer Paarung hart/hart zu einer deutlichen Verbesserung des Grau-flecken- und Verschleißverhal¬tens führen kann. Bei der Paarung hart/weich konnte das Ver¬schleißverhalten am vergüteten Hohlrad auch durch Schmierung mit höherviskosen Schmier-stoffen nur geringfügig verbessert werden. In diesem Zusammenhang zeigte sich, dass bei der Variante mit dem niederviskoseren Referenzschmierstoff eine deutliche Glättung der Flankenrauheit an den Planeten im Versuchsverlauf resultierte. Dadurch wurde die so genannte „Feilwirkung“ der harten Räder verringert, was sich bekanntermaßen günstig auf das Verschleißverhalten einer Paarung hart/weich auswirkt.    
Der Einfluss der Treibrichtung wurde in einem Stichversuch an einer Innenverzahnung der Paa-rung hart/weich im Hinblick auf das Verschleißverhalten untersucht. Durch Umkehr der Treibrichtung lag der Eingriffsbeginn nicht mehr wie bei den Hauptversuchen im Fußflankenbereich des Hohlrades, sondern an der Kopfflanke. Diese Umkehr der Treibrichtung führte zu einer deutlich stärkeren Verschleißschädigung am vergüteten Hohlrad. Es ist davon auszugehen, dass die geometrisch bedingten ungleichen Zahnsteifigkeiten von Planeten- und Hohlradzähnen in Abhängigkeit von der Treibrichtung zu unterschiedlichen Verformungen führen und somit unterschiedlich stärke Eingriffsstörungen (vorzeitiger Eingriff, nachzeitiger Ausgriff) verursachen. Es wird daher empfohlen, dies bei der Auslegung von Profilkorrekturen an Innenverzahnungen mit zu berücksichtigen.
Auf Basis der theoretischen Studien und experimentellen Untersuchungen erfolgte eine Verifizierung der derzeit eingesetzten Berechnungsverfahren zur Grübchen-, Grauflecken- und Verschleißtragfähigkeit bezüglich deren Anwendbarkeit bei geringen Umfangsgeschwindigkeiten für Außen- und insbesondere Innenverzahnungen. Es konnte gezeigt werden, dass die Graufleckenberechnung nach FVA 259/I grundsätzlich auch für Innenverzahnungen angewendet wer-den kann. Die stärkste Graufleckengefährdung wird folgerichtig an der Fußflanke der Planeten-räder ausgewiesen, deutlich höhere Sicherheiten werden für das Hohlrad berechnet. Die grundlegenden Erkenntnisse aus den Laufversuchen im FZG-Innenverzahnungsprüfstand stützen die Vorgehensweise bei der Berechnung der Grübchentragfähigkeit von Innenstirnrädern nach DIN 3990 bzw. ISO 6336. Der Verschleißberechnungsansatz nach FVA 10/I u. II ist direkt auf Innen-verzahnungen anwendbar, liefert jedoch nur eine überschlägige Aussage, da sich die Eingangsdaten für die Berechnung auf den Wälzpunkt C beziehen. Es wird von einem äquidistanten Abtrag über der Flanke ausgegangen. Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit ein lokales Verfahren entwickelt, das eine iterative örtliche Berechnung des Verschleißgeschehens an der Flanke unter Einbindung des FVA-Berechnungsprogramms RIKOR auf Basis des Ansatzes nach FVA 10/I u. II ermöglicht.
Die Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens unterstützen den Getriebekonstrukteur zum einen bei der Auswahl geeigneter Werkstoffpaarungen und Finishingverfahren für innen- und außenverzahnte Stirnräder im Anwendungsbereich langsam laufender Hochleistungsgetriebe. Zum anderen ermöglichen es die Erkenntnisse zu weiteren anwendungsspezifischen Einflussgrößen, wie Umfangsgeschwindigkeit, Schmierstoff und Treibrichtung, Ermüdungsschäden und Ver-schleiß zu begrenzen. Durch Verifizierung der Berechnungsverfahren konnte die Anwendbarkeit der bestehenden Ansätze zur Grübchen-, Grauflecken- und Verschleißtragfähigkeit für Innenverzahnungen bestätigt werden. Der Stand des Wissens konnte im Anwendungsbereich langsam laufender innen- und außenverzahnter Getriebestufen erweitert und damit die Stahlanwendung im Bereich der Hochleistungsgetriebe unterstützt werden.

Forschungsstelle 1:
Lehrstuhl für Maschinenelemente Forschungungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG), Lehrstuhl für Maschinenelemente der TU München
www.fzg.mw.tum.de

Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. Bernd-Robert Höhn
  (vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) für Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA))

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF