A069

Beschreibung des Zeitdehnverhaltens warmfester Stähle unter zyklisch veränderter Zeitstandbeanspruchung


(A069 S 24/09/93)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1994 – 31. Dezember 1997

Für eine hohe Werkstoffausnutzung und einen sicheren Betrieb langzeitig beanspruchter Hochtemperaturbauteile wird eine zuverlässige Beschreibung des Zeitstandverhaltens unter zyklisch veränderter Beanspruchung benötigt. Das Zeitdehnverhalten und das Zeitbruchverhalten unter einstufiger zyklischer Zugbeanspruchung ist hierbei von besonderem Interesse. Beides läßt sich mit Hilfe der modifizierten Lebensdaueranteilregel auf der Grundlage des Normalzeitstandverhaltens unter konstanter Beanspruchung beschreiben. Die Regel enthält eine experimentelle zu bestimmende Konstante, die relative Lebensdauer. Diese ist im allgemeinen Fall verschieden von Eins und läßt sich durch ein Faktorenkonzept ausdrücken, das die wichtigsten Einflüsse erfaßt. Während das Faktorenkonzept für Zeitbruchverhalten zu Beginn der Arbeit schon relativ gut abgesichert war, gab es noch Lücken beim Zeitdehnverhalten.

Das Vorhaben hatte demgemäß zum Hauptziel, das zyklische Zeitdehnverhalten wichtiger warmfester Stähle, die unter rechteckzyklischer Beanspruchung schon bis zu höheren Dehnungen von rd. 1 bis 5 % und bis zum Bruch untersucht worden waren, durch ergänzende zyklische Kriechversuche auch im Bereich niedrigerer Dehnungen von rd. 0,2 bis 0,5 % experimentell abzusichern. Zusätzlich sollten zyklische Versuche an einem neuen Schmiedestahl des Typs X 12 CrMoWNNbN 10 1 1 durchgeführt werden. Auf der Grundlage aller Versuchsergebnisse sollte die Beschreibung des zyklischen Kriechverhaltens verbessert werden. Die Verbesserungen waren in ein schon bestehendes Anwenderprogramm LARA zur Berechnung von Bruch- und Dehngrenzzeiten unter zyklischer Beanspruchung aufzunehmen. Die benötigten Angaben zum Normalzeitstandverhalten der jeweiligen Stahlsorte waren aus Streubandauswertungen zu übernehmen.

Als ein wesentliches Ergebnis der vorliegenden Arbeit lassen sich alle bei rechteckzyklischer Zeitstandbeanspruchung signifikanten Einflüsse auf die relative Lebensdauer mit dem schon früher entwickelten Faktorenkonzept beschreiben, das auch in einem nochmals erweiterten Beanspruchungsbereich gut anwendbar ist. In diesem Konzept berücksichtigt ein Werkstoffaktor das Verhalten der unterschiedlichen Stahlsorten. Zwei Zyklusfaktoren erfassen die Wirkungen der Zyklusparameter, d.h. die Änderungen von Spannung und Temperatur in Abhängigkeit von ihrem zeitlichen Ausmaß und ihrer Höhe. Ein Dehnungsfaktor ist von der erreichten Dehnung abhängig und führt zur zugehörigen relativen Dehnlebensdauer und mit einem Wert Eins zur relativen Bruchlebensdauer. Ein Temperaturfaktor hängt von der stahlspezifischen unteren Anwendungstemperatur und der Grundtemperatur des Zyklus ab. Beim Übergang zu Normalzeitstandbeanspruchung sorgt ein Übergangskonzept für einen Übergang des Produktes aus Werkstoff-, Temperatur- und Dehnungsfaktor zum Wert Eins. Zusätzlich läßt sich die Beeinflussung der relativen Bruchlebensdauer durch eine in den Zyklus eingeschobene Druckphase begrenzten Ausmaßes mit einem lebensdauerabmindernden Druckfaktor beschreiben.

Das Faktorenkonzept war bisher nur bis herab zu Dehnungen von rd. 1% gut abgesichert und wurde jetzt bis zur niederen Dehnung von 0,2 % erweitert. Hierzu wurden ergänzende zyklische Zeitstandversuche an den bereits bisher untersuchten acht warmfesten Stählen bis herab zu einer Zieldehnung von ?p v= 0,2 % durchgeführt. Die Versuchsparameter wurden im Bereich der bisher untersuchten Parameter gewählt und für die Zykluszahl wurde ein Wert von 15 angestrebt. Die relative Dehnlebensdauer zeigt wie schon früher eine durchschnittliche Tendenz des Abfallens von einem Niveau von Eins für kleinere Dehnungen auf einen niedrigeren Wert für Zeitstandbruch.

Ferner wurde in das Faktorenkonzept erstmals eine Schmelze des neuen 6000 C-Stahles X 12 CrMoWVNbN 10 1 1 einbezogen. Die zyklischen Versuche an diesem Stahl wurden in einem Mindestumfang durchgeführt, der durch eine Analyse schon vorliegender Ergebnisse an anderen Stählen auf 72 Versuche im Bereich von 2000 bis 5000 h Laufzeit begrenzt werden konnte.

Schließlich wurden zur weiteren Absicherung des Druckfaktors des Faktorenkonzeptes rechteckzyklische Versuche mit zusätzlich eingeschobener Druckphase erstmals auch an den Stählen durchgeführt, an denen dies bisher nicht geschehen war. Zusammen mit Ergebnissen aus einem Parallelvorhaben ließ sich der schon früher angenommene Wert des Druckfaktors bestätigen.

Das auf den geschilderten Grundlagen erweiterte und überarbeitete Faktorenkonzept steht jetzt zur Anwendung bereit. Bei seiner Überarbeitung wurden die dehnungsbezogenen Ergebnisse jetzt nicht mehr nur für die ersten, besonders intensiv untersuchten Schmelzen der jeweiligen Stahlsorte eingebracht, sondern auf einige weiter, zyklisch untersuchte Schmelzen ausgedehnt. Auch die bisher für die Vorhersage einer Dehngrenzzeit oder Bruchzeit unter zyklischer Beanspruchung erst vorläufige Annahme, daß bei einer Betrachtung der Streubanduntergrenze eine zusätzliche Absenkung in Zeitrichtung um den Faktor 0,8 vorzunehmen ist, konnte weiter abgesichert werden.

Mit der Durchführung umfangreicher Streubandauswertung der Zeitstandfestigkeit und der Zeitdehngrenzen wurden die Grundlagen zur Anwendung der modifizierten Lebensdaueranteilregel auf Stahlsorten erweitert und bis herab zu Dehnungen von 0,2 % erniedrigt. Wie schon früher erfolgte das soweit möglich in Abstimmung zu Normangaben. In einigen Fällen war wieder ein Kurvensatz für optimale Auswertung und ein zweiter für normangepaßter Werte bereitzustellen. Für die Stahlsorten mit teilweise nicht mehr zu vernachlässigender plastischer Anfangsdehnung wurden als Grundlage zur getrennten Akkumulation der plastischen Anfangsdehnung und der Kriechdehnung mittlere Fließkurven und mittlere Zeitkriechgrenzkurven erstellt. Diese schon früher entwickelte Konzeption konnte zur Anwendungsreife gebracht werden.

Für die Anwendung der modifizierten Lebensdaueranteilregel mit dem erweiterten Faktorenkonzept wurde ausgehend von einem bestehenden Programm LARA 2 ein Programm LARA 3 entwickelt, das nicht nur bei einstufiger Zeitstandbeanspruchung, sondern gemäß einer aktuellen Entwicklung in einem Parallelvorhaben auch bei mehrstufiger Zeitstandbeanspruchung eine Lebensdauerabschätzung vornehmen kann. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde das Verfahren zur getrennten Akkumulation von plastischer Anfangsdehnung und Kriechdehnung in LARA 3 implementiert. Bei Stählen mit hoher plastischer Anfangsdehnung werden auf der Basis der relativen Kriechlebensdauer zunächst Erwartungswerte für eine Dehngrenzzeit interpoliert werden. LARA 3 stehen Zeitdehngrenzkurven und wo erforderlich Kriechgrenzkurven sowie mittlere Fließkurven der Stahlsorten zur Verfügung. Durch seinen Aufbau ist LARA 3 nicht nur als PC-Programm unter WINDOWS 95 anwendbar, sondern auch in Form eines Programmoduls als Lebensdauerzähler in einem Monitoringsystem für Kraftwerksanlagen geeignet. Schließlich wurde ein Programm entwickelt, das von einer nach der einfachen Lebensdaueranteilregel errechenbaren zyklischen Kriechkurve ausgeht und die im Faktorenkonzept enthaltenen Kenntnisse zur Anpassung dieser Kriechkurve gemäß der modifizierten Lebensdaueranteilregel benutzt. Es lassen sich so zusammenhängende Zeitdehn- oder Kriechkurven für vorgegebene zyklische Beanspruchung vorhersagen. Die Normalzeitdehn- bzw. Kriechdaten lassen sich aus ebenfalls am lfW entwickelten, in Form eines Programms KARA verfügbaren, Kriechgleichungen entnehmen.

Durch die Fassung der Ergebnisse in einfache Regeln und ihre Implementierung in LARA wird es dem Berechner und Konstrukteur von Hochtemperaturbauteilen direkt ermöglicht, für wichtige warmfeste Stähle die Wirkung einer zyklischen Zeitstandbeanspruchung auf das Kriech- und Bruchverhalten zu bestimmen. Erstmals sind derartige Angaben auch für den neuen 10 % CrMoWV-Schmiedestahl verfügbar und begleiten damit schon dessen erste industrielle Einsätze.

Forschungsstelle 1:
Institut für Werkstoffkunde der Technischen Universität Darmstadt (lfW)
www.tu-darmstadt.de/mpa-ifw
 
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. Christina Berger
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. - VDMA für FKM)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF