A107

Lebensdauer und Ablegereifeerkennung von Drahtseilen unter Zugschwellbeanspruchung

(A107 S 24/15/96)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1997 – 31. März 1999

Die Lebensdauer und Ablegereifeerkennung von Drahtseilen, die über Seilscheiben laufen, ist intensiv erforscht. Aus zahlreichen Untersuchungen wurde eine Bemessungsmethode entwickelt, mit der die Seillebensdauer in Seiltrieben berechnet werden kann. Für stehende Seile gibt es bislang keine vergleichbare Bemessungsmethode. Zudem sind die wenigen bislang veröffentlichten Ergebnisse oftmals schwer deutbar.

Dies war der Anstoß zur Durchführung einer umfangreichen Untersuchung mit dem Ziel, das Zugschwellverhalten von zwei häufig in der Technik als stehende Seile eingesetzten Seilkonstruktionen gezielt zu untersuchen.

Für die Untersuchung wurden zwei Seilkonstruktionen herangezogen, die zugleich Repräsentanten der beiden großen Seilgruppen, nämlich der Spiralseile und der Litzenseile darstellen. Die Litzenkonstruktion Warington-Seale SES + 6x36 sZ, DIN 3064 stand in den Durchmessern 8, 10, 16, 24, 30 und 36 mm von verschiedenen Seilherstellern zur Verfügung. Die Seilkonstruktion offene Spiralseile 1x37, DIN 3054, stand in den Durchmessern 4, 5, 10, 16 und 24 mm von verschiedenen Seilherstellern zur Verfügung.

Mit über 350 Zugschwellversuchen wurden die maßgeblich lebensdauerbestimmenden Belastungsparameter an den zwei Seilkonstruktionen untersucht. Aus den Zugschwellversuchen konnten folgende Ergebnisse abgeleitet werden:

Mit der Methode der Regressionsrechnung wurden Konstanten für die Berechnung der Seillebensdauer abgeleitet.

I Es besteht eine starke Abhängigkeit der Seillebensdauer von der unteren bezogenen Seilzugkraft Su/d2. Insbesondere bei Litzenseilen ist bei fast vollständiger Entlastung d.h. bei kleinen unteren bezogenen Seilzugkräften Su/d2 ein schroffer Lebensdauerabfall zu beobachten.

Der Vergleich der Versuchsergebnisse mit der Goodman-Geraden im Haighdiagramm zeigt die deutliche Mittelspannungsempfindlichkeit der Seile im Zugschwellversuch. Dabei wurde festgestellt, daß die Deutung der Versuchsergebnisse nach einer Goodman-Geraden ungeeignet ist.

Für die Litzen- und Spiralseilkonstruktion ist der Größeneinfluß des Seildurchmessers berechnet worden.

I Es wurde geprüft, ob die Versuchsergebnisse mit den Vorgaben der Bemessungsregel für Halte- und Abspannseile von Krane DIN 15018 übereinstimmen. Es zeigte sich, daß das Potential der Versuchsseile bei der Bemessung nach DIN 15018 nicht voll ausgeschöpft wird. Für eine Korrektur der DIN 15018 ist aber die Untersuchung weiterer Seilkonstruktionen im Zugschwellversuch unbedingt notwendig.

Die schwellenden Spannungen beim Zugschwellversuch sind die Ursache für die endliche Lebensdauer der Seile. Das Auftreten von Drahtbrüchen bei den Versuchsseilen im Zugschwellversuch konnte als Indiz für die zunehmende Seilschädigung betrachtet werden. Allerdings traten bei den untersuchten Litzenseilen die Drahtbrüche vorwiegend an den Berührstellen zwischen Außenlitzen und Seileinlage sowie zwischen benachbarten Litzen auf. Sie waren somit von außen oft nicht zu erkennen. Die im Zugschwellversuch vor Versuchsende auftretenden Litzenbrüche waren nur in wenigen Fällen als Anzeichen für die Ablegereife deutbar. Bei den untersuchten Spiralseilen traten sowohl äußerlich sicht
bare als auch innenliegende Drahtbrüche auf. Die Erkennung der Ablegereife durch die äußerlich sichtbaren Drahtbrüche war allerdings nur in wenigen Fällen möglich. In  sicherheitstechnisch wichtigen Anlagen sollten deshalb zugschwellbeanspruchte Seile magnetinduktiv überwacht werden.

Die für die Versuchsauswertung gefundene Regressionsgleichung ist in dem EDV-Programm "Lebschwell" integriert worden. Dieses modular aufgebaute Berechnungs- und Auswerteprogramm bietet dem Anwender 2 Grundfunktionen:

1. Berechnung der Seillebensdauer von zugschwellbeanspruchten Seilen der
Konstruktionen:

  • Warrington-Seale SES + 6x36 sZ, DIN 3064

  • offene Spiralseite 1x37, DIN 3054

2. Berechnung des Seilelastizitätsmoduls der genormten Litzen- und
Rundlitzenseilkonstruktionen.

Mit den erstmals im großen Umfang durchgeführten Zugschwellversuchen wurde die bislang nur an wenigen Seilen beobachtete enorme Mittelspannungsabhängigkeit der Litzen- und Spiralseile nachgewiesen. Somit konnte geklärt werden, daß die bis heute übliche Deutung von Zugschwellversuchen nach einer Goodman-Geraden ungeeignet ist. Darüber hinaus wurde ein bislang in dieser Größe nicht vermuteter Größeneinfluß des Seildurchmessers zugschwellbeanspruchter Litzenseile festgestellt. Für die Auswertung wurde ein Regressionsansatz herangezogen, der die mehrparametrige Abhängigkeit der zugschwellbeanspruchten Seile berücksichtigt. Diese Auswertemethode wurde in das innerhalb des Forschungsprojektes entwickelte Rechenprogramm "Lebschwell" integriert. Damit lassen sich sehr einfach praxisnahe Lebensdauerprognosen berechnen.

Der Vergleich der Versuchsergebnisse mit den Forderungen der DIN 15018 hat gezeigt, daß das Belastungspotential der Seile nicht ausgeschöpft wird. Eine Überarbeitung der DIN 15018 auf Basis der neugewonnenen Erkenntnis wäre wünschenswert und in ökonomischer Hinsicht von Interesse.

Forschungsstelle 1:
Institut für Fördertechnik, Getriebetechnik und Baumaschinen der Universität Stuttgart
(jetzt: Institut für Fördertechnik und Logistik der Universität Stuttgart (IFL), www.uni-stuttgart.de/ift)

 
Forschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. K.-H. Wehking
(vorgelegt von der Wirtschaftsvereinigung Ziehereien und Kaltwalzwerke e.V.)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF