A106

Einfluss der Wärmebehandlung auf die Bearbeitbarkeit extrem schwefelarmer Stähle für antriebstechnische Bauteile


(A106 S 24/02/1996)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Juli 1996 – 30. September 1998

Stähle mit extrem niedrigem Schwefelgehalt (0,001% - 0,004% Schwefel) weisen Vorteile bei der Verwendung für antriebstechnische Bauteile auf, da sie eine höhere Zähigkeit und Dauerfestigkeit besitzen als Stähle mit einem höheren Schwefelgehalt. Für die zunehmende Verwendung von Strangguß hat der Einsatz schwefelarmer Stähle ebenfalls Vorteile, denn niedrigere Schwefelgehalte vermindern im Strangguß die Gefahr von Heißrissen. In der Industrie besteht daher ein großes Interesse, schwefelarme Stähle für möglichst viele Anwendungen einzusetzen. Den metallurgischen Vorteilen von Stählen mit niedrigem Schwefelgehalt stehen aber Probleme bei der spanenden Bearbeitung gegenüber.

Ziel dieser Arbeit war es, die Auswirkungen eines verringerten Schwefelgehalts auf die Bearbeitbarkeit von Stählen bei den spanenden Fertigungsverfahren Drehen, Bohren und Stoßen zu untersuchen. Als Versuchswerkstoffe wurden der Wälzlägerstahl 100Cr6, der Vergütungsstahl 42CrMo4 und Einsatzstahl 17CrNiMo6 in verschiedenen Wärmebehandlungszuständen mit unterschiedlichen Schwefelgehalten eingesetzt.

Die Betrachtung der Zerspankräfte zeigte, daß bei allen untersuchten Werkstoffen bei der jeweils schwefelärmeren Variante höhere Zerspankräfte auftraten. Je nach Fertigungsverfahren lagen die Kräfte bis zu 20% über denen der schwefelreicheren Charge. Ausnahmslos wurde bei den schwefelärmeren Varianten ein höherer Verschleiß an den Zerspanwerkzeugen gemessen. Die Standzeitunterschiede betrugen je nach Komplexität des Fertigungsverfahrens bis zu 40%. Bei den Bauteilqualitäten, insbesondere den Oberflächengüten, zeigte der Schwefelgehalt einen nur sehr geringen Einfluß. Hier ist primär der gewählte Vorschub für die Oberflächenqualität verantwortlich.

Eine Abhängigkeit der erzeugten Spanformen vom Schwefelgehalt konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Es zeigte sich, daß die erzeugten Spanformen von den eingesetzten Werkzeugen und Schnittparametern abhängig sind. Eine Erklärung hierfür ist, daß selbst bei den hier gewählten schwefelreicheren Varianten der Schwefelgehalt zu gering ist, um einen Einfluß auf die primäre Spanformung auszuüben.

Der Einfluß der Wärmebehandlung (GKZ-Glühen) auf die Zerspanbarkeit ist wesentlich größer als die Reduzierung des Schwefelgehaltes von 0,010% auf 0,001%, da der Gefügezustand das Werkstoffverhalten stärker charakterisiert als die nichtmetallischen Einschlüsse.

Möglichkeiten zur Verringerung der Zerspankräfte und somit zur Erhöhung der Standzeiten ergaben sich auch durch die Wahl der optimalen Werkzeuge und der geeigneten Kühlschmierstoff-Strategie. Insbesondere durch den Einsatz der Minimalmengenkühlschmierung konnte beim Stoßen gegenüber der Trockenbearbeitung die Zerspanbarkeit verbessert werden.

Obwohl der Bereich der günstigen Schnittparameterkombinationen, das sogenannte "Bearbeitungsfenster" mit Abnahme des Schwefelgehalts kleiner wird, konnte durch die Variation der Schnittgeschwindigkeit und des Vorschubes optimale Schnittparameter gefunden werden.

Bei der Bearbeitung von extrem schwefelarmen Stählen sollten die folgenden Hinweise berücksichtigt werden:

Bei der Auslegung von Zerspanprozessen müssen neben den Schwefelgehalten auch die weiteren Werkstoffkenngrößen wie Wärmebehandlungszustand und Werkstoffzusammensetzung beachtet werden.

Eine Verringerung des Schwefelgehalts hat eine Zunahme der Streuung der Kräfte und Standzeiten zur Folge. Dies muß insbesondere bei der Werkzeugüberwachung in der Serienfertigung berücksichtigt werden.

Für Anwender ist nicht nur der Qualitätsnachweis über die chemischen Bestandteile der angelieferten Werkstoffe, sondern auch ein exakter Nachweis über die Wärmebehandlung von Bedeutung. Um Ausschuß zu vermeiden, sollte ein als optimal identifizierter Werkstoffzustand so gut wie möglich reproduzierbar sein.

Möglichkeiten zur Verringerung der Zerspankräfte und somit zur Erhöhung der Standzeiten ergeben sich durch die Wahl der optimalen Kühlschmierstoff-Strategie.

Insbesondere beim Abstechdrehen sind sehr steife Bearbeitungsmaschinen erforderlich. Das Potential moderner Hartmetallplatten kann nur mit extrem steifen Werkzeugmaschinen voll ausgenutzt werden. Ansonsten muß aufgrund von Schwingungen mit wesentlich niedrigeren Schnittparametern gefahren werden.

Da der Bereich der günstigen Schnittparameterkombinationen für schwefelarme Stähle kleiner wird, sollte für die Fertigungsplanung nicht nur eine Schnittparametervariation sondern auch ein Werkzeugtest durchgeführt werden.

Werden diese Hinweise bei der Auslegung von Zerspanprozessen von extrem schwefelarmen Stählen befolgt, ist eine wirtschaftliche Bearbeitung möglich. Die zunehmende Problematik bezüglich optimaler Schnittparameter bei der Bearbeitung von extrem schwefelarmen Stählen macht die Kenntnis aller Prozeßdaten, Schnittparameter und charakteristischen Werkstoffkenngrößen erforderlich. Eine geeignete Lösung des Problems könnte in Zukunft die Nutzung einer Technologiedatenbank sein, mit der die Korrelation zwischen den Eingangsdaten, den Prozeßdaten und den Ausgangsdaten des Zerspanprozesses hergestellt wird.

Forschungsstelle 1:
Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT)
www.iwt-bremen.de
 
Forschungsleiter 1:

Professor Dr.-Ing. P. Mayr
(vorgelegt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. - VDMA für FVA)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF