A104

Innovative Konstruktion von Massengutschiffen in Doppelhüllenbauweise


(A104 S 24/18/95)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. Januar 1996 – 31. Dezember 1997

Um 1990 häuften sich die strukturellen Probleme mit älteren Massengutschiffen (bzw. Bulkcarrien). Innerhalb eines Jahres waren weltweit über zehn Totalverluste, bei denen strukturelles Versagen ein  möglicher Faktor war, mit vielen Verlusten an Menschenleben zu verzeichnen. Nachfolgende Schadensanalysen zeigten, daß oftmals Seitenspanten, Außenhaut und Schotte starke Korrosionserscheinungen infolge der aggressiven Ladung sowie Verformungen aus dem rauhen Umschlagsbetrieb aufwiesen. An den Endbefestigungen der Seitenspanten entstanden Risse, die in die Außenhaut liefen und Leckagen verursachten.

Als Folge wurden wesentlich strengere Maßnahmen hinsichtlich der periodischen Besichtigungen und den daraus resultierenden Konsequenzen ergriffen sowie Reparaturvorschläge ausgearbeitet. Darüber hinaus wurden die Festigkeitsanforderungen für Seitenspanten verschärft und eine Beschichtung für die Laderaumseiten gefordert.

Die genannten Maßnahmen zielen darauf ab, die bisherige Bauweise der Massengutschiffe mit einer einfachen Außenhaut an den Schiffsseiten zu verstärken. Die eigentlichen Ursachen für die Probleme, nämlich daß die tragenden Verbände dem mechanischen und korrosiven Angriff seitens der Ladung ausgesetzt sind und daß die einfache Außenhaut keine Redundanz bietet, werden nicht beseitigt. Eine grundsätzliche Verbesserung und logische Folge aus den Erfahrungen wäre eine Doppelhüllenbauweise an den Schiffsseiten. Neben der zusätzlichen Redundanz hätte sie den Vorteil, daß die versteifenden Bauteile innerhalb der Doppelhüllen liegen und nicht mehr direkt der Ladung ausgesetzt sind. Die seitliche Laderaumbegrenzung wäre eine glatte Plattenfläche.

Prinzipiell ist eine Doppelhüllenkonstruktion nicht neu. Bei größeren Tankern wurde sie nach dem Desaster der "Exxon Valdez" vor mehreren Jahren als Schutzmaßnahme gegen Kollisionen und Grundberührungen bindend vorgeschrieben. Bei Massengutschiffen bestimmen andere Gesichtspunkte die Konstruktion. Hier steht nicht der Kollisionsschutz, sondern der Schutz der tragenden Verbände vor korrosivem Angriff und mechanischen Beschädigungen im Vordergrund. Das heißt, daß die doppelte Außenhaut relativ schmal sein kann, so daß sich im Vergleich zur herkömmlichen Bauweise ein möglichst kleiner Verlust an Laderaum ergibt. Außerdem wird wie bei allen Schiffen eine möglichst leichte und einfach zu fertigende Konstruktion angestrebt.

Mit dem Ziel, günstige konstruktive Lösungen zu erarbeiten und die Vor- und Nachteile der Konstruktionen mit und ohne Doppelhülle an den Schiffsseiten zu quantifizieren, wurde das vorliegende Vorhaben 1996 und 1997 durchgeführt. Am Beispiel eines 75.000 tdw PanamaxMassengutschiffes wurden die konventionelle Bauweise und verschiedene alternative Entwürfe mit doppelter Seitenhülle miteinander verglichen. Neben der Berechnung der Rauminhalte, Gewichte sowie der Intaktstabilität wurden Leckfälle mit gefluteten Räumen im Hinblick auf die strengeren IACS-Forderungen für die konventionelle Bauweise analysiert. Der konstruktive Entwurf beruhte auf ausführlichen Finite-Elemente-Analysen des Laderaumbereiches. Besonderes Augenmerk galt der Detailkonstruktion an den Schiffsseiten wegen der hier wirkenden hohen Druckschwankungen.

Die Entwurfsschwerpunkte können wie folgt zusammengefaßt werden:

Kompensation des verlorengegangenen Laderaumvolumens durch eine verminderte Doppelbodenhöhe

Breite der doppelten Seitenhülle so gering wie aus fertigungstechnischer Sicht und den Erfordernissen der späteren Besichtigung durch die Klassifikationsgesellschaft möglich
Verkleinerung des unteren Hoppertanks, soweit wie aus be- und entladungstechnischer Sicht noch vertretbar

Ausführung der Ballasttanks als L-Tanks (Boden- und Seitentank), um der allgemeinen Reedereiforderung nach möglichst viel Ballastwasser zu entsprechen

Fertigungsgerechtes Design

Minimierung der Abmessungen des Schottstuhls, um geringstmöglichen Volumenverlust zu erzielen

Verwendung von höherfestem Stahl in der oberen Gurtung

Zusätzliche Untersuchungen betrafen die Festigkeit und das Korrosionsverhalten des Innenbodens wegen der hohen Stoßlasten sowie der aggressiven Ladung. Abschließend wurden wirtschaftliche Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der Betriebs- und Wartungskosten diskutiert und in den Vergleich mit einbezogen.

Die Ausarbeitung der Entwürfe ergab, daß bei den verschiedenen Varianten das Stahlgewicht und damit auch die Tragfähigkeit fast gleich ist. Dabei wurden bei der konventionellen Bauform die geplanten, international vereinbarten Zusatzanforderungen hinsichtlich der Festigkeit im Leckfall bereits berücksichtigt.

Ein geringer Nachteil ergibt sich bei der Doppelhüllenbauweise aus dem etwas kleineren Laderaumvolumen und den etwas höheren Baukosten. Vorteile ergeben sich - abgesehen von Sicherheitsaspekten - vor allem während der Betriebszeit.

Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung zeigte, daß beim Doppelhüllenbulker insbesondere die Reinigungskosten nach dem Entladen sowie die Wartungskosten geringer sind. Außerdem kann von einer besseren Verfügbarkeit und von einem höheren Restwert ausgegangen werden. Eine Kapitalwertrechnung bei Annahme realistischer Kostenschätzungen ergab, daß insgesamt gesehen die Doppelhüllenkonstruktion die wirtschaftlichere Variante ist. Eine neuartige Idee mit einer schalenförmigen Innenhülle an den Schiffsseiten hat sich allerdings als zu schwer und zu teuer herausgestellt, wobei evtl. noch weiteres Optimierungspotential besteht. Aufgrund der Ergebnisse für die anderen Varianten des Doppelhüllenbulkers läßt sich aber generell feststellen, daß nicht allein Aspekte der Schiffssicherheit und Bauteilredundanz für eine grundsätzliche Änderung der Bauweise von Massengutschiffen sprechen.

Neben der entwurfstechnischen und konstruktiven Ausarbeitung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der verschiedenen Varianten wurden im Vorhaben auch Aspekte des Werkstoffeinsatzes, der Fertigung sowie der Verbesserung der Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit des Innenbodens untersucht. Es ist zu erwarten, daß in letzterem - abgesehen von den Querschotten - bei einem Doppelhüllenbulker die meisten mechanischen Beschädigungen und Korrosionserscheinungen auftreten werden, wodurch die Lebensdauer der Konstruktion entscheidend beeinflußt wird.

Forschungsstelle 1:
Germanischer Lloyd, Forschungsabteilung
www.gl-group.com
 
Forschungsleiter 1:

Dr.-Ing. W. Fricke
 
Forschungsstelle 2:

Flensburger Schiffbau-Gesellschaft mbH&Co. KG (FSG)
www.fsg-ship.de
 
Forschungsleiter 2:

-
(vorgelegt vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V., Hamburg)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF