A082

Konzept für numerische Auslegung durchsetzgefügter Blechbauteile


(A082 S 24/17/94)

Laufzeit der Forschungsarbeiten: 1. April 1995 – 30. September 1997

Das Durchsetzfügen eignet sich u.a. für das Verbinden von Blechen mit organischen und anorganischen Beschichtungen. Bei höherfesten Blechwerkstoffen kann die Werkstoffestigkeit besser in Verbindungsfestigkeit umgesetzt werden als beim Punktschweißen. In Kombination mit der Fügetechnik Kleben sind Struktursteifigkeitsgewinne zu erzielen. Ebenso bietet sich diese Technologie zum Verbinden von Konstruktionen in Mischbauweise an und zur Erstellung von  mehrlagigen Verbindungen. Der niedrige Energiebedarf im Vergleich zum Punktschweißen und das Fügen ohne Hilfsfügeteil im Vergleich mit den Nietverfahren machen das Durchsetzfügen zu einem kostengünstigen Fügeverfahren. Die Integrierbarkeit in Mehrfachfüge- oder Umformwerkzeuge kann zudem helfen, die Fertigungskosten weiter zu senken.

Das Haupteinsatzgebiet liegt in der Massenfertigung der blechverarbeitenden Industrie (z.B. Automobilbau, Weiße-Ware-Industrie, Klimaanlagenbau, usw.). Das Durchsetzfügen ist momentan jedoch im wesentlichen auf gering beanspruchte Komponenten aufgrund mangelnder Kenntnisse bzgl. Verfahrenstechnik, Leistungsfähigkeit und Verbindungseigenschaften beschränkt. Neben der Beschreibung der Leistungsfähigkeit der Verbindungen, ist auch die Entwicklung von Berechnungsmethoden erforderlich, mit denen in ingenieurmäßiger Vorgehensweise das Tragverhalten der Verbindungen vorhergesagt werden kann.

Ziel des Vorhabens war es daher, einen Berechnungsansatz für quasistatisch und schwingend belastete durchsetzgefügte Blechbauteile zu erarbeiten, der auf den Ergebnissen von experimentellen und numerischen Untersuchungen an Einelement- und Mehrelementprüfkörpern basiert.

Beispielhaft für einstufige nichtschneidende Durchsetzfügeverfahren kam das System Tog-L-Loc von der Firma BTM Europe GmbH für Verbindungen aus dem Blechwerkstoff St1503 in Blechdicken 0,8 mm und 1,0 mm zu Einsatz.

Im Rahmen von experimentellen Untersuchungen wurden zunächst quasistatische Versuche und Schwingfestigkeitsuntersuchungen an steifen Einelement-Proben (LWF-KS1-Proben) unter verschiedenen Belastungsrichtungen durchgeführt; sie gaben Aufschluß über zulässige Fügepunktbelastungen und die auftretenden Versagensarten. Die ermittelten Festigkeiten lagen bei Scherzugbelastungen am höchsten. Mit zunehmendem Kopfzuganteil nahm die Verbindungsfestigkeit stark ab. Ebenso wurde eine Abhängigkeit der Federsteifigkeit der Verbindungen von der Höhe und Richtung der Belastung festgestellt. Bei Scherzugbelastung wurde sowohl bei quasistatischer als auch bei schwingender Belastung das Versagen im Halsbereich als typische Versagensart festgestellt. Das Versagen im Halsbereich tritt ebenso bei schwingender Kopfzugbelastung mit hohen Lebensdauern auf. Bei Kopfzugbelastung für quasistatische und für schwingende Belastung mit niedrigen Lebensdauern, war das Ausknöpfen des stempelseitigen Bleches die typische Versagensform.

Parallel zu den Untersuchungen an den LWF-KS1-Proben wurden Schwingfestigkeitsuntersuchungen an Hutprofilproben unter Torsionsbelastung sowie unter Torsionsbelastung in Kombination mit einer konstanten Innendruckbelastung durchgeführt. Hierbei sind die Neigungen der Wöhlerlinien kleiner als bei den LWF-KS1-Proben. Das Versagensverhalten der Verbindungen entspricht dem der LWF-KSI-Proben.

Ergänzend wurden numerische Simulationen der Versuche mit dem Ziel durchgeführt, Aussagen über die Fügepunktbeanspruchung zu erhalten. Dabei waren die mechanischen Eigenschaften der Durchsetzfügepunkte auf ein Fügepunktmodell zu übertragen, da die richtungsabhängigen Steifigkeiten der Fügeelemente einen Einfluß auf das Kraftübertragungsverhalten in Blechstrukturen haben. Das Verhalten der Fügepunkte wurde mittels eines neu entwickelten "Schale-Rohr" FE-Modelles nachgebildet, da gebräuchliche Modellierungstechniken die Fügepunkteigenschaften nicht ausreichend nachbilden. Es wurde auf eine einfache Modellierung der Verbindungsstellen geachtet, um den Berechnungsaufwand gering zu halten und die Praxisrelevanz des Konzeptes sicherzustellen. Eine hinreichend genaue Fügepunktmodellfeinheit wurde durch Konvergenzuntersuchungen abgesichert.

Unter Verwendung der Fügepunktmodelle wurden die verwendeten Probenformen und die Einspannbedingungen modelliert sowie in FE-Analysen die Schnittgrößen an den Fügepunkten berechnet. Bedingt durch die Auswahl der Fügepunktmodellierung werden insbesondere bei der Hutprofilprobe unterschiedlich hohe Schnittgrößen errechnet. Diese Tatsache resultiert aus dem unterschiedlichen Steifigkeitsverhalten der jeweiligen FE-Fügepunktmodelle. Weiterhin wurde an den Hutprofilproben nachgewiesen, daß unter der kombinierten Belastung aus einem schwellenden Torsionsmoment und konstantem Innendruck sich durch den Verzicht auf eine Kontaktmodellierung im Flanschbereich, ebenfalls unterschiedlich hohe Schnittgrößen ergeben.

Resultierend aus den experimentellen und numerischen Untersuchungen an den Ein- und Mehrelementprüfkörpern wurden Berechnungsansätze für quasistatische und schwingende Belastungen formuliert. Um eine Anwendbarkeit für verschiedene Durchsetzfügesysteme zu gewährleisten, wurde eine Bemessungsmethode erarbeitet, die der Vielfalt der Fügesysteme gerecht wird und eine Auslegung auf Basis von Beanspruchungskenngrößen ermöglicht, die an allen Fügesystemen bestimmbar sind. Eine Bewertung der Verbindungsfestigkeit auf Basis von maximalen lokalen Beanspruchungen war nicht möglich. Durch den Fügeprozeß werden Vorverformungen und Kaltverfestigungen in den Blechwerkstoff eingebracht, wobei der Fügepunkt unter Zug- und Druckeigenspannungen steht. Quantitative Aussagen über die Tragfähigkeit des Werkstoffes können somit nicht getroffen werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden die mittels der LWF-KS1-Proben ermittelten ertragbaren Schnittkräfte am Fügepunkt als Bemessungsgrundlage verwendet. Dies erfordert zwar für jedes Fügesystem eine Ermittlung der ertragbaren Schnittkräfte, liefert aber genauere Aussagen über die Verbindungsfestigkeit unter Kopf- und Scherzugbelastung. Ein Nachteil dieses Prüfkonzeptes liegt in der fehlenden Prüfbarkeit der Biegebeanspruchung der Verbindungen.

Für quasistatische Belastungen wurden Versagenskurven in Form von ertragbaren Schnittkräften in Abhängigkeit von der Lastrichtung berechnet. Als Versagenskriterium dienten Bemessungskräfte, die die Grenze der elastischen Verformung kennzeichnen. Für schwingende Belastungen wurde ein Berechnungsansatz für eine Vergleichsscherzugamplitude erstellt, der die Schädigungsanteile von Kopf- bzw. Scherzugbelastung linear gewichtet. Untersuchungen zur Übertragbarkeit der an LWF-KS1-Proben ermittelten Festigkeitskennwerte auf Hutprofilproben erfolgten über Schwingfestigkeitsuntersuchungen und numerische Versuchssimulationen an Hutprofilproben. Es wurde eine eingeschränkte Übertragbarkeit festgestellt.

Abschließend war die beispielhafte Darstellung der Einsatzfähigkeit an einer realen Struktur vorgesehen. Hierzu wurden numerische Analysen an einem Karosserieknotenelement vorgenommen. An diesem Serienbauteil wurde die Integration der Fügepunktmodelle und die Berechnung der Vergleichsscherzugamplituden durchgeführt. Da eine experimentelle Gegenüberstellung nicht möglich war, wurde zusätzlich ein von einem Fensterheber abgeleiteter Prüfkörper untersucht. Bei der Gegenüberstellung von Berechnung und Versuch wurden die Versagensorte richtig vorhergesagt. Die berechneten Fügepunktbeanspruchungen sind jedoch zu niedrig,  bzw. die berechneten Lebensdauern zu hoch. Eine mögliche Ursache ist die fehlende Berücksichtigung des Schädigungseinflusses der Biegebeanspruchung. Zum anderen trat neben dem Fügeelementversagen auch Versagen im Fügeteilwerkstoff aufgrund großer Verformungen auf.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Untersuchungen die Möglichkeiten und Grenzen des schnittkraftbasierten Berechnungsansatzes zur Bestimmung von versagensrelevanten Beanspruchungen durchsetzgefügter Verbindungen aufgezeigt haben. In weiterführenden Arbeiten sollten die Einschränkungen, die in der Erfassung von Biegebeanspruchungen liegen, durch weiterentwickelte Prüfkörper aufgehoben werden. Das erarbeitete Konzept kann als Konstruktionshilfsmittel eingesetzt werden und gibt Hinweise zur Dimensionierung durchsetzgefügter Blechstrukturen.

Forschungsstelle 1:
Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF) Universität Paderborn
www.lwf.uni-paderborn.deForschungsleiter 1:
Prof. Dr.-Ing. O. Hahn
(vorgelegt vom Verband der Automobilindustrie für Forschungsvereinigung Automobiltechnik e.V., Frankfurt)

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von de Stiftung Stahlanwendungforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF