Zum Hauptinhalt springen

A263

Schadensvorhersage in der Kaltmassivumformung durch den optimierten Ansatz der Belastungsgrenzkurve

(A263 S 24/10164/2008)

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     1. April 2009 – 30. Juni 2012

Die Prozesse der Kaltmassivumformung sind wirtschaftliche und ressourcenschonende Verfahren zur Großserienproduktion hochbeanspruchter Bauteile. Die technologischen Prozessgrenzen der Kaltmassivumformverfahren werden durch das frühzeitige Werkstattversagen an Bauteiloberflächen während der Prozessdurchführung definiert. Zur Vorhersage dieser Versagensform exisitiert bereits eine Vielzahl von Ansätzen, die sich jedoch durch eine hohe Vorhersageungenauigkeit oder durch eine hohe mathematische Komplexität auszeichnen.

Das ursprüngliche Forschungsziel des Vorhabens war aufbauend auf den Ergebnissen des Vorgängerprojekts A236 die Erweiterung der Belastungsgrenzkurve um wesentliche Primär- und Sekundäranforderungen. Das Ergebnis der Erweiterung war eine nicht isotherme, versuchsreduzierte Belastungsgrenzkurve, welche für zahlreiche industriell relevante Temperatur-Werkstoff-Kombinationen ermittelt wurde. Ungeachtet der durchghttp://avif17.invikom-server.de/eführten Forschungsarbeiten wurde während der Projektlaufzeit festgestellt, dass der Ansatz der Belastungsgrenzkurve im Allgemeinen für die örtliche und zeitliche Vorhersage von Oberflächen- und Zentralrissen nicht geeignet ist. Folglich wurde das Forschungsziel auf die Vorhersage von Oberflächenrissen eingeschränkt und als angepasstes Forschungsziel die Entwicklung eines Risskriteriums zur ganzheitlichen Vorhersage von Oberflächenrissen für Anwendungen der Kaltmassivumformung definiert. Unter dem Begriff der Ganzheitlichkeit wurde dabei die örtliche, typologische und zeitliche Vorhersage von Oberflächenrissen zusammengefasst. 

Zur Erreichung des angepassten Forschungsziels wurde zu Beginn des Forschungsprojekts zunächst für die beide Oberflächenrissarten Längs- und Scherrisse getrennt voneinander ein Grundlagenverständnis über die während der Initiierung- und Wachstumsphase auf mikroskopischer Skala ablaufenden Schädigungsvorgänge aufgebaut. Dazu wurden spezielle Längs- und Scherrissproben entwickelt, deren Oberflächen während eines Stauchvorgangs ausschließlich durch die jeweilige Rissart versagen. Die Oberflächen und Randzonen der gestauchten Längs- und Scherrissproben wurden mittels Rasterelektronenmikroskop und Weißlichtinterferometer untersucht, wodurch die Initiierungsursachen für beide Oberflächenrissarten getrennt voneinander identifiziert werden konnten. Durch ergänzende FEM-Simulationen konnten zusätzlich auch die Mechanismen der Längs- und Scherrissinitiierung bestimmt werden. 

So konnten sich während des Umformvorgangs an MnS-Einschlüssen ausbildende tangentiale Normalspannungsüberhöhungen als Initiierungsmechanismus von Längsrissen identifiziert werden. Für Scherrisse als zweite Oberflächenrissart konnte der wissenschaftliche Nachweis erbracht werden, dass die Initiierung auf Überhöhungen der maximalen Oberflächenschubspannung zurückzuführen ist, welche sich an Oberflächenfehlstellen ausbilden. In Analogie zur Initiierungsphase wurden auch simulative Untersuchungen für die Wachstumsphase der Längs- und Scherrisse durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass das Wachstum beider Oberflächenrissarten vorzeichenabhängig maßgeblich durch die maximale Oberflächenschubspannung und die mittlere Oberflächennormalspannung beeinflusst wird. 

Über das zuvor aufgebaute Grundlagenverständnis konnte damit sowohl für die Initiierungs- als auch die Wachstumsphase für Längs- und Scherrisse die relevanten Spannungs-Dehnungsgrößen identifiziert werden. Die zuvor jeweils für Längs- und Scherrisse generierten Erkenntnisse wurden nachfolgend in zwei zeitlich unterscheidenden Mikro-Modellen zusammengefasst. Aus diesen Mikro-Modellen konnten wiederum rissartspezifische, zeitlich unterscheidende Sub-Risskriterien abgeleitet werden. Diese beiden Sub-Risskriterien wurden nachfolgend in Erweiterung zum Stand der Technik durch eine Erkenntnissynthese zu einem phänomenologisch und zeitlich unterscheidenden Risskriterium zusammengeführt. 

Das aus der Synthese erhaltene Risskriterium wurde abschließend in ein kommerzielles FEM-Programm über eine Subroutine eingebunden und auf ein- und mehrstufige, rotationssymmetrische Kaltmassivumformprozesse unterschiedlicher Komplexität angewendet. Hinsichtlich der zeitlichen Vorhersageungenauigkeit zeigten sich zwischen den experimentell ermittelten und simulativ vorhergesagten Schädigungen für sämtliche untersuchten Prozesse nur geringe Abweichungen. Ferner konnte der Ort der maximalen Oberflächenschädigung exakt vorhergesagt werden. Lediglich für stark gekrümmte Bauteiloberflächen konnte eine Beeinflussung der örtlichen Vorhersagegenauigkeit in Abhängigkeit des Oberflächenkrümmungsradius nachgewiesen werden. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass mittels des phänomenologisch und zeitlich unterscheidenden Risskriteriums erstmals auch eine typologische Rissvorhersage möglich ist. 

Somit konnten für die untersuchten Kaltmassivumformoperationen bereits a priori Aussagen über die während der Prozessdurchführung zu erwartende, prozentuale Schädigungszusammensetzung der Bauteiloberflächen gemacht werden. Damit wurde anhand eines breiten Spektrums von Anwendungsfällen gezeigt, dass das phänomenologisch und zeitlich unterscheidende Risskriterium im kalibrierten Zustand auf Grundlage von simulativen Berechnungsgrößen eine ganzheitliche Vorhersage von Oberflächenrissen erlaubt. Damit wurde das angepasste Forschungsziel des Forschungsprojekts hinsichtlich der Vorhersage von Oberflächenrissen erreicht.

 

Forschungsstellen:

Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen (WZL)

www.wzl.rwth-aachen.de

Forschungsleiter:

Prof. Dr.-Ing. F. Klocke

                                                  

(vorgelegt vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM) für

Forschungsgesellschaft Stahlverformung e.V. - FSV

 

 im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

 

Bezugsquelle Schlussbericht: bitte wenden Sie sich an die AVIF

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung

05.09.2012