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A262

Charakterisierung und Ersatzmodellierung des Bruchverhaltens von Punktschweißverbindungen aus ultrahochfesten Stählen für die Crashsimulation unter Berücksichtigung der Auswirkung der Verbindung auf das Bauteilverhalten

(A262 S 24/10162/2008)

 

Laufzeit der Forschungsarbeiten:     1. März 2009 – 31. Dezember 2012

 

 

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde durch numerische Prozesssimulation die Verbindungsausbildung an Widerstandspunktschweißungen von Blechen aus ultrahochfesten, pressgehärteten Mangan-Bor-Stählen 22MnB5 untersucht. Hierzu wurde ein sequentiell gekoppeltes elektrisch-thermisch-mechanisches Finite-Elemente-Modell entwickelt. Im Rahmen der FE-Simulation des Punktschweißprozesses und begleitender Schweißversuche an gleichartigen und ungleichartigen Werkstoffkombinationen mit HC340LAD wurden verschiedene Einflussgrößen, z.B. Schweißparameter und Blechdicken, variiert und die Schweißverbindungen metallkundlich untersucht. Die für die FE-Simulation benötigten temperaturabhängigen Werkstoffkennwerte wurden vorab experimentell bestimmt. Die erzielten Ergebnisse der Prozesssimulation geben Aufschluss über Art und Umfang der Auswirkungen der o. g. Einflussgrößen auf die metallkundlichen Vorgänge während des Schweißprozesses und ermöglichen qualifizierte Aussagen über die erzielbare Verbindungsqualität. 

Die Temperatur-Zeitverläufe in der Fügezone wurden insbesondere für die Lage der Erweichungszone berechnet und standen für Gleebleversuche zur Verfügung. Hier wurden die berechneten Temperatur-Zeitverläufe nachgefahren und somit Gefüge mit der Mikrostruktur und den Eigenschaften der Erweichungszone hergestellt. Ebenso wurden die Schweißeigenspannungen der Schweißpunkte in hoher Auflösung berechnet. Die berechnete Eigenspannungsverteilung wurde für die Tragfähigkeitsberechnungen durch Mapping auf das Berechnungsmodell berücksichtigt.

An ungeprüften artgleichen Punktschweißverbindungen in 22MnB5 und gemischten Verbindungen zwischen 22MnB5 und HC340LAD wurden metallographische Untersuchungen und Härtemessungen durchgeführt. Im pressgehärteten Stahl bildet sich beim Punktschweißen durch Anlassen des martensitischen Grundwerkstoffs eine Erweichungszone aus, die in ihrer Härte und Zugfestigkeit gegenüber dem Grundwerkstoff um ca. 38 % reduziert ist. Das Schweißgut zeigt gegenüber dem Grundwerkstoff nur eine geringe Steigerung der Härte und der Festigkeit um 4 %. Im Falle gemischter Verbindungen zeigt das Schweißgut aufgrund der Durchmischung der beiden Stähle mit 450 HV0,1 gegenüber den artgleichen Verbindungen etwas geringere Härtewerte. Der mikrolegierte HC340LAD liegt im Grundwerkstoffzustand in einer ferritisch-perlitischen Mikrostruktur vor und zeigt in der Wärmeeinflusszone der gemischten Verbindungen mit 22MnB5 einen kontinuierlicher Abfall der Härtewerte von 376 HV0,1 auf 190 HV0,1 zwischen der Grobkornzone und dem Grundwerkstoff.

Zur Ermittlung des Verformungs- und Versagensverhaltens der einzelnen Gefügezonen der Punktschweißverbindungen wurden glatte und gekerbte Zugproben, sowie doppelt gekerbte Scherproben geprüft. Dies erfolgte an den Grundwerkstoffen und den in der Gleeble wärmebehandelten Blechen, die der Erweichungszone in 22MnB5 und der Wärmeeinflusszone von HC340LAD entsprechen. Für die mechanische Charakterisierung des Schweißgutgefüges wurden spezielle miniaturisierte Probenformen entwickelt, die direkt aus der Punktschweißverbindung entnommen wurden.

Auf Basis der zonenspezifischen Materialcharakterisierung wurden durch Simulation der Werkstoffversuche (Zugproben, gekerbte Zugproben und Scherversuche) die Parameter eines mikromechanismen-basierten Schädigungs- und eines phänomenologischen Versagensmodells zur Modellierung des zonenspezifischen Verformungs- und Versagensverhaltens unter Scher- und Zugbeanspruchungen ermittelt. Für die mikromechanische Modellierung des Materialverhaltens wurde das Gologanu-Modell in Kombination mit den beiden Versagenskriterien nach Thomason und Embury verwendet. Das phänomenologische Modell kombiniert die Beschreibung des Verformungsverhaltens der Materialien mit der von Mises’schen Fließbedingung mit einer sogenannten Versagenskurve, d.h. einer kritischen, von der Spannungsmehrachsigkeit abhängigen plastischen Vergleichsdehnung. Beide Modelle zeigten sich mit den angepassten Materialparametern als gut geeignet, um das experimentell ermittelte Verformungs- und Versagensverhalten der verschiedenen Gefügezonen der Schweißverbindungen zu beschreiben. 

Zur experimentellen Charakterisierung der Punktschweißverbindungen wurde die LWF-KS-2-Prüftechnik mit Belastungswinkeln von 0°, 30°, 60° und 90° verwendet. Zusätzlich wurden Schälzug- und einfach überlappte Scherzugversuche durchgeführt. Die Messung der lokalen Probenverschiebung erfolgte dabei mit Hilfe optischer Messtechnik, basierend auf dem Grauwertkorrelationsverfahren. Eine wesentliche Erkenntnis stellt die signifikante Kopfzugempfindlichkeit der untersuchten Werkstoffkombinationen dar. Bei einem Belastungswinkel von 30° wurden bereits mehr als 50 % geringere Tragfähigkeiten im Vergleich zu einem Belastungswinkel von 0° (reine Scherbelastung) ermittelt. Mit Zunahme des Kopfzuganteils nahmen die Tragfähigkeiten weiterhin ab.

Ausgewählte Proben artgleicher und gemischter Verbindungen wurden nach der Prüfung metallographisch und fraktographisch untersucht, um die Versagens-mechanismen zu ermitteln. Die untersuchten artgleichen Scherzug- und LWF-KS-2-Proben zeigten kein Versagen in der Erweichungszone der Schweißpunkte. In Scherzugversuchen treten Ausknöpfbrüche auf, die durch duktiles Materialversagen der Grobkornzone, die an die Schweißlinse angrenzt, ausgelöst wurden. Unter Kopfzug- und Schälbelastung versagten die Verbindungen durch Mischbruch. Dabei wurden sowohl spröde und vereinzelt duktile Bruchanteile auf der Bruchfläche in der Fügeebene, als auch duktile Bruchanteile im Bereich der partiell ausgeknöpften Schweißlinsen gefunden. Die gemischten Verbindungen zwischen 1,0 mm dickem 22MnB5 und 1,5 mm dickem HC340LAD zeigten ausschließlich Ausknöpfbrüche. Unter Kopf- und Schälzugbelastung versagten die ungleichartigen Verbindungen durch duktiles Materialversagen der Grobkornzone auf Seiten des 22MnB5 und im Scherzugversuch traten ebenfalls Ausknöpfbrüche auf, die von der Erweichungszone des pressgehärteten 22MnB5 ausgingen. 

Um den Einfluss der Erweichungszone im pressgehärteten 22MnB5 isoliert zu untersuchen, wurden sogenannte Zugproben mit Schweißpunkt unter quasistatischen und dynamischen Beanspruchungen geprüft. Die Auswertung der optischen Dehnungsmessungen zeigte, dass sich während der Belastung die Verformungen aufgrund der lokal reduzierten Festigkeiten auf den Bereich der Erweichungszone konzentrieren und zur Rissinitiierung innerhalb dieser Materialzone führen. Die Zugfestigkeit der Zugproben wird durch den Schweißpunkt bzw. durch die Erweichungszone gegenüber dem Grundwerkstoff reduziert. Die Rissinitiierung erfolgt dabei vor Erreichen der Gleichmaßdehnung des Grundwerkstoffs.

Ergänzend zu den Zugversuchen wurde zur späteren Validierung der Material- und Versagensmodelle ein 3-Punkt Biegeversuch an einer Musterbauteilprobe für quasistatische und dynamische Beanspruchungen entwickelt und durchgeführt. Das beobachtete Probenversagen erfolgte dabei analog zum Probenversagen der Zugproben mit Schweißpunkt. Durch die 3-Punkt Biegebeanspruchung werden die aufgeschweißten Profile der Musterbauteilprobe unter Zugbeanspruchung belastet. Mit steigender Durchbiegung der Proben und damit wachsenden Zugbeanspruchungen wurden Dehnungskonzentrationen und lokale Materialeinschnürungen in den Erweichungszonen der Schweißpunkte beobachtet, die zur Rissinitiierung innerhalb der Erweichungszone führten. Anschließend breiteten sich Risse in den pressgehärteten Grundwerkstoff aus und führten zu einem Rissfortschritt in den aufgeschweißten Profilen.

Für die Ersatzmodellierung der Punktschweißverbindungen wurde das bestehende Materialmodell *MAT_100_DA in LS-DYNA mit einem Hexaeder als Ersatzelement pro Schweißpunkt in den gleichartigen und ungleichartigen Verbindungen eingesetzt. Die Modellparameter zur Modellierung des Verformungs- und Versagensverhaltens der Punktschweißverbindungen wurden durch Simulation der durchgeführten LWF-KS-2-Versuche ermittelt. Die Ersatzmodelle sind damit vollständig kalibriert und geben das experimentell beobachtet Verbindungsverhalten gut wieder. Eine Abbildung der Rissinitiierung innerhalb der Erweichungszone der Schweißpunkte und ein mögliches Risswachstum innerhalb der Grundwerkstoffe von geschweißten Blechen kann alleine durch kalibrierte Ersatzmodelle nicht beschrieben werden. Hierfür müssen bei der Modellierung der Bleche die Erweichungszonen am Umfang der Schweißpunkte berücksichtigt und mit kalibrierten Schädigungs- oder Versagensmodellen beschrieben werden. Dies wurde im vorliegenden Fall durch Modellierung des Verformungs- und Versagensverhaltens der Erweichungszone und des Grundwerkstoffs von pressgehärtetem 22MnB5 für Schalenelemente mit von Mises-Plastizität in Kombination mit den angepassten phänomenologischen Versagensmodellen realisiert. Diese wurden für die Simulation der Zugversuche mit Schweißpunkt und der 3-Punkt Biegeversuche an Musterbauteilproben eingesetzt und dabei hinsichtlich ihrer Eignung zur Abbildung der Rissinitiierung innerhalb der Erweichungszone der Schweißpunkte und der Rissausbreitung in die umgebenden Grundwerkstoffe überprüft. Die Erweichungszone wurde jeweils durch eine Schalenelementreihe abgebildet, die das kalibrierte Schweißpunktersatzmodell umgibt. Bei der Simulation der Zugversuche mit Schweißpunkt und den Musterbauteilproben zeigte sich, dass sich eine Anpassung der Versagenskurve für unterschiedliche Elementgrößen der Erweichungszone anhand der Zugproben an homogenem Erweichungszonenmaterial als nicht geeignet erweist. Die Anpassung der Versagenskurven für verschiedene Elementgrößen anhand der Zugproben mit Schweißpunkt, d.h. an inhomogenen Materialproben, führten dagegen bei der Simulation der Musterbauteilproben mit unterschiedlichen Netzfeinheiten zu nahezu netzunabhängigen Ergebnissen. Diese Ergebnisse der Simulation des Musterbauteilversuchs zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit den gemessenen Ergebnissen und validieren somit das aufgestellte Schweißpunktersatzmodell mit umgebender Erweichungszone für die Anwendung.

Die im Rahmen des Vorhabens durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass es sinnvoll ist, die Auswirkungen lokaler Festigkeitsgradienten, die an Punktschweißverbindungen ultrahochfester Stähle auftreten, experimentell zu charakterisieren und in der Simulation zur Bewertung und Optimierung der Tragfähigkeit von Bauteilen und Komponenten einzubeziehen. Hierzu ist jedoch neben der Charakterisierung der Vielzahl von ultrahochfesten Stählen in Verbindung mit den eingesetzten Blechdicken auch die Entwicklung automatisierter Verfahren des Preprocessing zum automatischen „Setzen“ der Schweißpunkte in den Gesamtfahrzeugmodellen mit entsprechender Anpassung der Vernetzung erforderlich. Das abgeschlossene Projekt liefert ein erster Schritt in diese Richtung, dem eine Anzahl weiterer Schritte folgen muss. Die Projektziele wurden erreicht. 

 

 

 

Forschungsstelle:

Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM)

http://www.iwm.fhg.de

 

Forschungsleiter:                         

Prof. Dr. Peter Gumbsch

 

(vorgelegt vom Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) für Forschungsvereinigung Automobiltechnik e.V. (FAT) 

 

Das Forschungsvorhaben wurde gefördert von der Stiftung Stahlanwendungsforschung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

 

Bezugsquelle Schlussbericht:
bitte wenden Sie sich an die AVIF

19.03.2013